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LATEINAMERIKA/1226: Ecuador - Streit um Referendum, Regierung mit Rücktrittslawine konfrontiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Februar 2011

Ecuador: Referendum mit Sprengkraft - Regierung mit Rücktrittslawine konfrontiert

Von Ponzalo Ortíz


Quito, 3. Februar (IPS) - Im Streit um ein Referendum, dass Ecuadors Präsident Rafael derzeit vorantreibt, hat sich ein Bündnispartner aus der Regierungsallianz verabschiedet und damit einen Dominoeffekt ausgelöst. So zog der Absprung der Linkspartei 'Ruptura de los 25' (R-25) den Rücktritt von zwei Ministern und Dutzenden von hochrangigen Regierungsvertretern nach sich.

Folgenschwer wog die R-25-Entscheidung auch, was die Sitzverteilung im Parlament angeht. So wird die Correa-Administration künftig auf die Unterstützung der Abgeordneten María Paula Romo verzichten müssen, die bei den Parlamentswahlen 2009 die meisten Stimmen erzielte. Das Gleiche gilt für zwei weitere Abgeordnete der Regierungspartei 'Movimiento Alianza País'.

Da die Regierung mit 57 der 125 Sitze künftig nur noch über eine knappe Mehrheit verfügt, wird es für sie schwierig werden, künftig Gesetze zu verabschieden. Diese Situation könnte sich weiter verschärfen, sollte sich der Aderlass fortsetzen. Entsprechend heftig fiel die Kritik des linksgerichteten Präsidenten an seinen ehemaligen Weggefährten aus. Correa beschimpfte die R-25-Mitglieder als "Opportunisten" und "Verräter".

Der Streit hatte sich vor allem an Fragen über eine Reorganisation des Rechtssystems und der Einrichtung einer Medienregulierungsstelle entzündet, über die die Bevölkerung in einem Referendum im zweiten Halbjahr abstimmen soll. Voraussetzung für die Veranstaltung des Volksentscheids ist ein bis März erwartetes Urteil des Verfassungsgerichts. Die Gegner sehen in dem Referendum einen Versuch Correas, sich mehr Macht anzueignen und die Pressefreiheit einzuschränken. "Wie stellen nicht sein Recht in Abrede, Volksbefragungen durchzuführen", meinte dazu Sebastián Roldán, der von seinem Amt als Transparenzminister zurückgetreten ist. "Wir stören uns an den Inhalten."

Die R-25 war von jungen Adademikern und Städtern 2004 - 25 Jahre nach der Rückkehr zur Demokratie in Ecuador - gegründet worden. Im April 2005 nahm sie aktiv an den Volksaufständen statt, die zur Absetzung des damaligen Staatspräsidenten Lucio Gutiérrez führten. Später wurde sie Teil der Allianz aus sozialen und politischen Bewegungen im Umfeld von Correa und brachte nach dessen Amtsantritt im Januar 2007 die Verfassung gebende Versammlung voran.


Vorwurf der Kompetenzüberschreitung

"Der Präsident hat alles Recht der Welt, das Volk zu befragen. Doch will er die staatlichen Strukturen verändern, muss er eine Verfassungsversammlung einberufen", sagte Alberto Acosta, der ehemalige Vorsitzende der Verfassung gebenden Versammlung von 2007 bis 2008.


Widerstand gegen Justizreform

Correa will mit Hilfe der Volksbefragung die unverzügliche Auflösung des durch die Verfassung 2008 geschaffenen Judikativrats erreichen. An seine Stelle soll eine dreiköpfige Kommission treten, deren Mitglieder von der Exekutiven, Legislativen und dem Rat für bürgerliche Teilhabe ernannt werden. Sie sollen über das Mandat verfügen, binnen 18 Monaten die Justiz komplett umzukrempeln.

Später soll dann ein neuer Rat gebildet werden, dem nicht wie in der Verfassung vorgesehen, Juristen angehören, die aufgrund ihrer besonderen Leistungen ausgewählt wurden. Vielmehr sollen der Vorsitzende des Nationalen Gerichtshofs, der Generalstaatsanwalt, der staatliche Pflichtverteidiger und Vertreter der Regierung und des Parlaments Einzug in das Gremium halten.

"Sowohl die temporäre Kommission als auch die neue Zusammensetzung des Rates erlauben Correa die vollständige Kontrolle des Rechtssystems", kritisierte der Menschenrechtsanwalt Raúl Moscoso. Das von Correa angeführte Argument, mit der rechtlichen Umstrukturierung die Sicherheit der Bürger zu vergrößern, wies er als haltlos zurück. Offenbar sei der Präsident den Argumenten der Rechten aufgesessen. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2011