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LATEINAMERIKA/1302: Zentralamerika - Steuer auf Großgrundbesitz, Kleinbauern wehren sich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. September 2011

Zentralamerika: Steuer auf Großgrundbesitz - Kleinbauern wehren sich

Von Danilo Valladares


Guatemala-Stadt, 28. September (IPS) - Die Besteuerung großer Landgüter in Zentralamerika könnte nach Ansicht von Experten dazu beitragen, die für die Region typische Konzentration des Landbesitzes in den Händen weniger Wohlhabender zu verringern. Damit würde auch die Agrarentwicklung weiter vorangetrieben.

Der Streit um Landbesitz hat in der letzten Zeit in Honduras und Guatemala zu gewaltsamen Ausschreitungen geführt. Allein im honduranischen Tal von Bajo Aguán, 600 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Tegucigalpa, wurden im Laufe von zwei Jahren bei Auseinandersetzungen zwischen Großgrundbesitzern, die dort Palmöl produzieren, und landlosen Kleinbauern, die die Ländereien besetzen, etwa 50 Menschen getötet.

Nach Ansicht von Rafael González, dem Leiter des unabhängigen Komitees für bäuerliche Einheit (CUC), wäre Guatemala gut beraten, die Großgrundbesitzer zu besteuern. Auf diese Weise würden Gelder freigesetzt, die in einen Landfonds einfließen und den Erwerb von Grundstücken für die landlosen Bauern ermöglichen könnten.

González hält es ebenso für wichtig, das dem guatemaltekischen Parlament vorliegende Gesetz zur umfassenden Landentwicklung zu verabschieden, das mehr Menschen Zugang zu Produktionsmitteln ermöglichen und die Nahrungsversorgung von Bauern und Angehörigen indigener Völker verbessern würde.


Grundbesitzer verurteilen Pläne als 'marxistisch'

Doch die Ziele werden sich angesichts des vehementen Widerstands der Großgrundbesitzer nicht ohne weiteres erreichen lassen. Die Unternehmer und ihre Verbände bezeichnen die Pläne als "marxistisch" und berufen sich auf das Recht auf Privateigentum.

Fast 80 Prozent der bewirtschafteten Agrarflächen in dem Land befinden sich in der Hand von etwa fünf Prozent der insgesamt rund 14 Millionen Guatemalteken. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben 50 Prozent der Bevölkerung in Armut und 17 Prozent im Elend.

Die Landwirtschaft, deren Haupterzeugnisse Kaffee, Zucker, Palmöl und Bananen sind, expandiert unterdessen kräftig. Zugleich steigen die Risiken für eine instabile Nahrungsversorgung der Bevölkerung, wie Bauernführer warnen. Auch die Zunahme extremer Wetterlagen wird als Gefahr gesehen.

Die Anbauflächen für Zuckerrohr, dem zweitwichtigsten Agrarprodukt nach Kaffee, sind von 84.000 Hektar 1985 auf 220.000 Hektar in 2009 angewachsen. Das geht aus einer Studie der internationalen Hilfsorganisation 'Action Aid' hervor.

Andererseits schafft es Guatemala aber nicht, die jährliche Binnennachfrage nach etwa 72 Millionen Tonnen Mais zu befriedigen. Mais, das Hauptnahrungsmittel der Guatemalteken, muss daher teils aus dem Ausland eingeführt werden.

"Die zentralamerikanischen Staaten erleben einen Ansturm von multinationalen Unternehmen, die Land für die Biosprit-Produktion und den Bergbau aufkaufen", erklärte González. "Für den Anbau von Mais und Bohnen bleibt kein Platz mehr." Bauernverbände fordern längst ein Eingreifen der Behörden, die Kleinbauern den Zugang zu eigenem Land ermöglichen sollen.


Vorschlag des uruguayischen Präsidenten

Im Juni hatte Uruguays Präsident José Mujica eine Debatte zum Thema angestoßen. Er schlug seinem Kabinett eine Steuer auf Großgrundbesitz von mehr als 2.000 Hektar Land vor. Die Eigentümer sollten für jeden Hektar pro Jahr umgerechnet zwischen acht und 16 US-Dollar zahlen. Die Steuer soll der Landkonzentration entgegenwirken und den Bau neuer Straßen in ländlichen Gebieten ermöglichen. Das Gesetz, das noch vom Parlament in Montevideo gebilligt werden muss, stieß in mehreren Staaten Zentralamerikas auf gute Resonanz.

"Eine solche Steuer hätte zweifelsohne eine positive Wirkung", sagte Ricardo Barrientos vom Zentralamerikanischen Institut für Haushaltsstudien (CEFI) in Guatemala-Stadt. Sie sollte angehoben werden, wenn die Grundstücke nicht oder nicht ausreichend genutzt würden, erklärte er. Kleine Agrarbetriebe wären ausgenommen.

Doch momentan sei die Einführung einer solchen Steuer aufgrund des Widerstands der ultrarechten Großgrundbesitzer unrealistisch, erklärte er im Gespräch mit IPS. Er erinnerte daran, dass bereits die Friedensverträge zwischen der linksgerichteten Guerilla und der Regierung, die 1996 einen 36-jährigen Bürgerkrieg beendeten, eine Klausel zur Einführung einer Landsteuer beinhalteten. In die Tat umgesetzt wurde das Vorhaben jedoch noch nicht. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.cuc.org.gt/es/
http://www.ipsnoticias.net/print.asp?idnews=99212
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105246

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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2011