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LATEINAMERIKA/1353: Die KP Chiles wurde 100 Jahre alt (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 24 vom 15. Juni 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Mit Einheit, Freude und Kampf
Die KP Chiles wurde 100 Jahre alt

von Günter Pohl



Die Kommunistische Partei Chiles feierte vergangene Woche mit einem zentralen Fest in Iquique im Norden Chiles ihren hundertsten Jahrestag - im historischen Gebäude der Parteigründung. Auch die Auslandssektionen der Partei begingen den Tag mit Feierlichkeiten, so in Berlin. Dort moderierte Mario Berríos, Mitglied des Parteivorstands der DKP die Grußworte und Beiträge des Vertreters der Politischen Kommission des Zentralkomitees der KP Chiles, Ëscar Aroca, der Vorsitzenden des Koordinierungsrates der KP Chiles in Deutschland, Nancy Larenas, der stellvertretenden Vorsitzenden der DKP, Nina Hager, und des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke (Die Linke). Nina Hager verwies in ihrem Redebeitrag auch auf die internationale Solidarität: "Die internationale Solidarität, die euch damals weltweit - und vor allem auch durch die SED und durch die DKP - entgegengebracht wurde, habt ihr mit Solidarität beantwortet. Das zeigte sich nach 1990 vor allem bei der herzlichen Aufnahme von Erich und Margot Honecker."


Am 4. Juni 1912 wurde in Iquique unter Anleitung des Schriftsetzers Luis Emilio Recabarren die Sozialistische Arbeiterpartei (POS) gegründet. Diese Partei stellte als erste in Chile die Befreiung der Arbeitenden in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit; Recabarren sagte dazu: "Die Partei war bereit die ganze Gesellschaft von dem autoritären Missbrauch, der sogar die existierenden Gesetze verletzt, zu befreien. Dieser Missbrauch will den Arbeiter unterdrücken, der den Aufstand und seinen Fortschritt will; man verweigert ihm das Versammlungsrecht, das Streikrecht, das Recht frei zu denken - all das wird aufhören, wenn die Sozialistische Arbeiterpartei die politische Macht erreicht hat."

Mit dem Beschluss des 3. Parteitags der POS im Januar 1922 in die KomIntern einzutreten, benannte sie sich folgerichtig in Kommunistische Partei Chiles (Partido Comunista de Chile - PCCh) um. 1927 wurde die Partei unter Diktator Carlos Ibáñez del Campo illegal, ging aber 1931 mit den im Zuge der kapitalistischen Krise aufflammenden Arbeiterkämpfen wieder in die Öffentlichkeit und Offensive; 1932 wurde in Chile für drei Monate sogar eine so genannte "Sozialistische Republik" ausgerufen. Der aufkommende Faschismus in Europa und seine Beantwortung durch die KomIntern ließ die KP Chiles, konsequent mit den internationalen Übereinkünften, eine Volksfrontpolitik verfolgen, die 1938 zum Sieg des von der KP unterstützten fortschrittlichen Präsidenten Pedro Aguirre führte. 1946 trat die PCCh mit drei Ministern erstmals in eine Regierung ein, deren Präsident Gabriel González aber unter dem Druck des US-Antikommunismus im beginnenden Kalten Krieg die KP-Minister bald darauf ausschloss und die Partei abermals illegalisierte.

In der Folge unterstützte die KP in unterschiedlichen Bündnissen, aber seit dem 10. Parteitag immer mit dem Blick auf eine durch Wahlen erreichbare Volksregierung, den Kandidaten Salvador Allende, der aber 1952, 1958 und 1964 gegen die Rechte verlor. 1969 wurde dann die aus verschiedenen Linkskräften und Teilen der Christdemokratie bestehende "Unidad Popular" gebildet, die ein Jahr später mit Allende gewann. Seit 1958 (und bis 1990) war der 2010 verstorbene Luis Corvalán Generalsekretär der Partei. Die PCCh spielte innerhalb der linken Regierung eine gleichzeitig tragende und ausgleichende Rolle. Der von den USA, namentlich Henry Kissinger, ausgeheckte und unterstützte Putsch des 11. September 1973 gegen die Regierung Allendes führte zu einem Blutbad unter Chiles Demokratinnen und Demokraten, insbesondere unter der Kommunistischen Partei. Viele Mitglieder der Partei, aber auch der Sozialistischen Partei Allendes und anderer demokratischer Kräfte, mussten ins Exil, darunter waren Staaten Lateinamerikas wie Ecuador oder Mexiko, aber auch die BRD und die DDR. Zu Beginn der Achtziger Jahre ging die KP mit der Frente Patriótico Manuel Rodríguez in den militärischen Kampf gegen die Pinochet-Militärdiktatur, nachdem die illegale Parteiarbeit mit zahlreichen Verhaftungen und andere Optionen die Diktatur zu stürzen schwieriger wurden.

Nach der Rückkehr zur bürgerlichen Demokratie 1990 sah sich die Partei einerseits der veränderten Situation einer durch Exil und Verfolgung, aber auch durch die zwischenzeitliche Niederlage des Sozialismus in Europa, gespaltenen Linken gegenüber, und andererseits einer aus der Diktatur übernommenen Verfassung, die es Parteien, die im so genannten "binominalen Wahlsystem" nicht einem der beiden Hauptblöcke angehören, faktisch unmöglich macht einen Parlamentssitz zu erringen. Von 1990 bis 2010 regierte der "Linksblock" mit einer weitgehenden Fortführung der rechten Wirtschaftspolitik Pinochets. Erst seit den letzten Wahlen 2009 konnte die PCCh nach einer Übereinkunft mit den Sozialisten erstmals seit 1973 wieder Abgeordnete stellen, obwohl die Partei in Amerika (von Kuba abgesehen) die wahlstärkste KP ist.

Heute ist Chile seit Anfang 2010 wieder rechts regiert, aber die Kämpfe auf den Straßen, seit Jahren durch Schüler/innen und Studierende, aber auch durch streikende Arbeiterschaft getragen, sind so heftig wie lange nicht mehr. Die KP ist mit ihrer Jugend in diesen Kämpfen die treibende Kraft, und im Lande erwirbt sich die Partei mit ihrer grundsätzlichen Haltung im Bündnis, aber dabei konsequent als eigenständige kommunistische Kraft erkennbar zu kämpfen, immer wieder neue Achtung.


An meine Partei

Du hast mich brüderlich gegenüber dem Unbekannten gemacht.
Du hast mir die Kraft aller Lebenden gegeben.
Du hast mir das Vaterland zurückgegeben, gleich einer Geburt.
Du hast mir die Freiheit geschenkt, die kein Einzelgänger hat.
Du hast mich gelehrt Güte zu entfachen, so wie man ein Feuer entfacht.
Du hast mir die Geradlinigkeit gegeben, die ein Baum haben muss.
Du hast mich gelehrt der Menschen Einheit zu erkennen und ihre Verschiedenheit.
Du hast mir gezeigt, wie im Siege aller der Schmerz des Einzelnen vergeht.
Du hast mich gelehrt in den harten Betten meiner Brüder zu schlafen.
Du hast mir gezeigt auf der Wirklichkeit zu bauen wie auf einem Fels.
Du hast mich zum Feind des Bösen gemacht und zum Wall gegen den Rasenden.
Du hast mich das Licht der Welt erkennen lassen, und die Möglichkeit der Freude.
Du hast mich unzerstörbar gemacht, denn mit dir ende ich nicht in mir selbst.

Pablo Neruda, aus: "Canto General"

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 15 vom 15. Juni 2012, Seite 10
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2012