Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

LATEINAMERIKA/1384: Auftakt der Kolumbiengespräche in Havanna (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 48 vom 30. November 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Frieden statt Friedhof
Auftakt der Kolumbiengespräche in Havanna - auch das ELN will verhandeln

von Günter Pohl



Mit einer weiteren Geste des guten Willens seitens der Guerilla hat am 19. November in Havanna der zweite Teil der Gespräche über einen Friedensschluss zwischen den FARC-EP und der kolumbianischen Regierung begonnen: die FARC werden bis zum 20. Januar keine offensiven Militäraktionen gegen Polizei und Militär sowie "keine Sabotageakte gegen staatliche und private Infrastruktur" verüben. Man wolle damit ein Klima gegenseitigen Verständnisses zwischen den Kriegsparteien stärken. Die Aufforderung an die Regierung, die einseitige Vorleistung entsprechend zu beantworten, um während der Gespräche zu einem Waffenstillstand zu kommen, wurde von Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón umgehend zurückgewiesen. Wie üblich missdeutet die Regierung FARC-Willenserklärungen für einen ausgehandelten Frieden als Schwäche, allerdings nicht mehr in dieser Überzeugung, sondern zur Irreführung der Öffentlichkeit. Aufgabe des Militärs sei es "diese Individuen wegen ihrer Verbrechen zu stellen", verwechselte Pinzón die Rollen von Militär und Polizei. Vom Friedensnobelpreisträger Europäische Union, dem sonst der Export seiner Werte (zu denen der Nichteinsatz von Militär im Inneren im Prinzip auch gehört) zwecks Schaffung demokratischer Ordnungen so wichtig ist, ist weder eine Forderung nach Zurückhaltung beim Einsatz von Bombenabwürfen auf die kolumbianische Landbevölkerung noch nach einem Waffenstillstand gekommen. Und der andere Friedensnobelpreisträger aus dem Weißen Haus hat noch kein grünes Licht für eine (temporäre) Freigabe des in den USA inhaftierten Guerilleros Simón Trinidad gegeben, dem die FARC einen Stuhl in Havanna freigehalten haben, auf den sie laut der Nachrichtenagentur EFE ein Pappschild in Lebensgröße gestellt haben.

Für die kolumbianische Regierung soll es zu einem "Expressfrieden" kommen. Man wolle nicht zu lange verhandeln, ist das Credo, das schon heute vermuten lässt, wie die Gespräche enden könnten. Die FARC haben über ihren Chefunterhändler Iván Márquez dagegen mehrfach verlautet, dass es zu keinerlei Zeitbeschränkung kommen darf. In der Erklärung des einseitigen Waffenstillstands heißt es, dass "der Verhandlungstisch kein Operationsschauplatz sein wird um Siege zu erreichen, die auf dem Schlachtfeld nicht errungen werden konnten. Wir sind gekommen um Übereinkunft zu erlangen, nicht um Befehle zu akzeptieren." Weiter verweist die Guerilla darauf, dass fast die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts Kolumbiens für die interne Rüstungsfinanzierung gegen die Aufständischen und die Zahlung der Auslandsschulden aufgebracht wird. In einem Interview mit der KP-Zeitung "Voz" hat Iván Márquez am 14. November betont, dass es kurzfristig mindestens zu minimalen Normen für die Kriegsregulierung kommen muss und dass keine der beiden Seiten Drohungen gegen das Funktionieren der Verhandlungen aufstellen darf. Sinn der Gespräche sei Frieden mit Demokratie und Gerechtigkeit, nicht die Kapitulation: "Wenn die Ursachen des Elends, der Ungleichheit und der politischen Ausgrenzung, unter denen die Mehrheiten Kolumbiens leiden, überwunden sind, wird der Gebrauch von Waffen seinen Sinn verloren haben." In der Tat: Wer Expressfrieden will, will sich den Ursachen des Krieges nicht stellen. Und will daher auch nicht den Frieden, sondern Friedhofsruhe.

In der Nummer 346 ihrer Zeitschrift "Insurrección" (Aufstand) hat das Heer der Nationalen Befreiung (ELN) am 11. November offiziell seine Bereitschaft zu entsprechenden Gesprächen mit der Regierung verkündet. Ob das im Rahmen der laufenden Verhandlungen auf Kuba sein soll oder auf andere Weise, blieb in dem Schreiben offen. "Das ELN will die politische Lösung, die wir als kollektives Werk der Nation ansehen, als gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Demokratisierungsprozess (...)

Wir erklären dem Land und der internationalen Gemeinschaft, dass die Delegation des ELN für den Vordialog mit der Regierung steht (...)" heißt es in dem kurzen Schreiben, in dem wie bei den FARC auch auf eine teilnehmende Rolle der Gesellschaft gedrungen wird. Das ELN hatte seit 1990 bereits verschiedentlich Friedensverhandlungen mit der Regierung, neben Orten in Kolumbien auch schon in Tlaxcala (Mexiko), Mainz und Havanna. Das 1965 gegründete "guevaristische" ELN hat traditionell bessere Beziehungen zur kubanischen Regierung als die FARC. Dennoch haben die kubanischen Bemühungen, das ELN so wie die zentralamerikanischen Guerillas zur Abgabe ihrer Waffen zu bewegen, wegen der starren Haltung der militaristischen Oligarchie des Landes nie Früchte getragen.

*

Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 48 vom 30. November 2012, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
Telefon 0201 / 22 54 47
E-Mail: redaktion@unsere-zeit.de
Internet: www.unsere-zeit.de
 
Die UZ erscheint wöchentlich.
Einzelausgabe: 2,80 Euro
Jahresbezugspreise:
Inland: 126,- Euro, Ausland: 130,-
Ermäßigtes Abo: 72,- Euro
Förder-Abonnement: ab 150 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2012