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LATEINAMERIKA/1395: Honduras - Neues Gesetzesvorhaben will Polizei und Militär zusammenlegen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Februar 2013

Honduras: Polizei und Militär Hand in Hand - Neues Gesetz erinnert an Zeiten des Kalten Krieges

von Thelma Mejía



Tegucigalpa, 4. Februar (IPS) - Ein neues Gesetz lässt in Honduras die Erinnerung an die Doktrin der Nationalen Sicherheit aufleben, in deren Rahmen die USA in den 70er und 80er Jahren Militärdiktaturen in den lateinamerikanischen Ländern unterstützt hatte: Honduras will Polizei und Militär zusammenlegen.

Das Gesetz stammt aus der Feder der Nationalen Geheimdienst-Direktion (DNII), höchste Stelle des honduranischen Nachrichtendienstes, die keiner Bundesbehörde gegenüber rechenschaftspflichtig ist und keiner zivilen demokratischen Kontrolle unterliegt.

Oppositionspolitiker und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen zeigten sich überrascht über das Gesetzesvorhaben. "Die Verteidigungskräfte mit der inneren Sicherheit zu fusionieren ist gefährlich", sagt die Soziologin Mirna Flores gegenüber IPS. Nach dem Kalten Krieg, den die USA auch in Lateinamerika führten, habe man auf genau das Gegenteil gesetzt: "Man wollte die beiden Felder voneinander trennen, um die Menschenrechte künftig besser schützen zu können."


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Kritik erntete die Regierung auch dafür, dass sie das Gesetz im Schnellverfahren durchwinken möchte. Zwei der bei solchen Entscheidungen üblichen drei Parlamentsdebatten wurden einfach übersprungen.

Der Abgeordnete Sergio Castellanos von der linksgerichteten Partei der demokratische Vereinigung erbat sich mehr Zeit für eine Entscheidung aus und wollte dem Thema vor einer Entscheidung mehr Raum in der parlamentarischen Debatte einräumen. Er wurde jedoch von einer Mehrheit aus rechtsgerichteten Abgeordneten der regierenden Nationalpartei und einem Flügel der Liberalen Partei überstimmt.

Weiteren Unmut erntete die Regierung wegen der unklaren Gesetzessprache. Das öffne dem Missbrauch Tür und Tor, warnte der Rechtsberater Roberto Cajina im Gespräch mit IPS. "Es muss ganz deutlich gemacht werden, was mit Begriffen wie Untersuchung, strategische Aktion, Schutz der Privatsphäre, nationale Sicherheit, Spezialeinheiten, verdeckte Ermittlungen, Spezialagenten, gesonderte Schutzmaßnahmen und speziellen Risiken gemeint ist."

Cajina empfindet die Befugnisse der Nationalen Geheimdienst-Direktion als zu weitreichend. "Man kann fast von einer feindlichen Übernahme von Militär und Polizei durch die DNII sprechen." Das Gesetz müsse klar die Zuständigkeiten festlegen. "Was unterscheidet denn künftig Militär und Polizei noch voneinander?" Es bleibe auch die Frage zu klären, wer die DNII überwache.


Aufforderung zum Spitzeln

Als gefährlich gilt auch ein weiterer Punkt, der zivile Kräfte zu Komplizen der Geheimpolizei machen will, aber sehr vage ausgedrückt ist: Das Gesetz verlangt von privaten Einrichtungen, den Geheimdiensten Informationen zukommen zu lassen, die für diese wichtig sein könnten. Diese Verpflichtung müsse wesentlich konkreter formuliert werden, fordert Cajina. Ansonsten könne der Chef der DNII jederzeit jede Einrichtung ohne besondere Angabe von Gründen als relevant einstufen und sie zwingen, alle möglichen Informationen preiszugeben.

Auch die Aktivistin Bertha Oliva vom Komitee der Familienangehörigen von Verschwundenen in Honduras (Cofadeh) macht sich Sorgen um die Transparenz. Laut Gesetz dürfe die DNII geheime Spezialeinheiten gründen, um mit anderen Geheimdienstorganisationen des Staates Honduras zusammenzuarbeiten. "Bedeutet das also, dass es noch weitere Geheimdienstorganisationen gibt? Aber welche sind das? Und warum kennen wir sie nicht?"

In den 80er Jahren hatte der Geheimdienst des Landes das sogenannte Todesbataillon gegründet. Dieses war einem offiziellen Bericht zufolge für das Verschwindenlassen von 187 Menschen verantwortlich. Menschenrechtsaktivisten befürchten nun, dass sich dieses Kapitel der honduranischen Geschichte wiederholen könnte.

Das honduranische Parlament hat in den vergangenen Wochen mehrere umstrittene Gesetze verabschiedet und damit immer wieder für Aufruhr gesorgt. Unter anderem wurde ein neues Bergbaugesetz auf den Weg gebracht. Zudem wurde die Entlassung von Staatsanwälten stark vereinfacht. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.ipsnews.net/2013/02/cold-war-policies-revived-by-honduran-intelligence-law/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102302

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2013