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LATEINAMERIKA/1408: Mexiko - Armee soll auch gegen Hunger kämpfen, Image jedoch belastet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. April 2013

Mexiko: Armee soll auch gegen Hunger kämpfen - Image jedoch durch Menschenrechtsverbrechen belastet

von Emilio Godoy



Mexiko-Stadt, 9. April (IPS) - Trotz gravierender Menschenrechtsvorwürfe gegen die mexikanischen Streitkräfte erwägt die Regierung den Einsatz von Soldaten bei der Sammlung sozio-ökonomischer Daten in armen Haushalten, die von dem geplanten nationalen Hungerbekämpfungsprogramm profitieren sollen.

Die Armee sei aufgrund ihrer personellen Stärke und logistischen Kapazitäten für die Datenerhebung besonders geeignet, heißt es aus informierten Kreisen. Viele Militärstützpunkte liegen in der Region, in der sich die 400 Dörfer befinden, die als Nutznießer des Hilfsprojekts ausgewählt wurden. Die mexikanische Armee verfügt über 210.000 Mann. 70.000 von ihnen sind am Anti-Drogen-Kampf beteiligt.

Mit dem Programm gegen den Hunger wird der seit 1. Dezember amtierende Staatspräsident Enrique Peña Nieto ein Wahlversprechen einlösen. Der sogenannte 'Nationale Kreuzzug gegen den Hunger' soll 7,4 Millionen Menschen zugutekommen, die in extremer Armut leben und Anzeichen von Mangelernährung aufweisen. Etwa 3,7 Millionen Betroffene sind Städter. Mindestens 52 Millionen der insgesamt fast 117 Millionen Mexikaner leben unterhalb der Armutsgrenze, 11,7 Millionen in extremer Armut. 28 Millionen Mexikaner haben nicht ausreichend zu essen.

Die Regierung will den Hunger durch die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und durch die Ausrottung der akuten Unterernährung bei Kindern besiegen. Das Programm zielt ferner darauf ab, die Nahrungsmittelproduktion von Kleinbauern zu steigern und Ernteverluste zu verringern.


Neue Polizeitruppe geplant

Peña Nieto will außerdem die von seinem Vorgänger Felipe Calderón verfolgte Anti-Drogen-Strategie ändern. Nach seinem Amtsantritt im Dezember 2006 hatte Calderón Tausende Soldaten in den Kampf gegen die Drogenkartelle im Lande geschickt, die um die Kontrolle der Transportwege zu dem lukrativen Markt USA streiten. Seinen Amtsnachfolger schwebt alternativ vor, eine 100.000 Mann starke Polizeitruppe zu gründen, die Kapazitäten der Geheimdienste auszubauen und das Justizsystem zu stärken.

Im Zuge von Calderóns Militärkampagne wurden Menschenrechtsorganisationen zufolge mehr als 100.000 Menschen getötet. Etwa 25.000 wurden verschleppt, weitere 240.000 vertrieben. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums und der staatlichen Menschenrechtskommission (CNDH) waren zwischen 2006 und 2012 etwa 360 Militärangehörige an Menschenrechtsverbrechen beteiligt. 186 von ihnen wurden unter Anklage gestellt, 110 der Prozess gemacht, 38 verurteilt und acht freigesprochen. 17 sind flüchtig.

Im gleichen Zeitraum gingen bei der CNDH mehr als 8.000 Beschwerden gegen Soldaten ein. Seit letztem Dezember sind 168 hinzugekommen. Den Uniformierten werden sexuelle Gewalt, Folter und Morde vorgeworfen.

In ihrem Weltbericht 2013 bestätigt die Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW), dass die mexikanischen Sicherheitskräfte in dem Bemühen, mächtige Gruppen des organisierten Verbrechens zu bekämpfen, Menschen getötet, verschleppt und gefoltert haben. "Fast keines dieser Verbrechen wurde bisher angemessen untersucht, wodurch sich das Klima der Gewalt und Straffreiheit in vielen Teilen des Landes verschlechtert hat."

Die Regierung will nun mit Sensibilisierungskampagnen das schlechte Image der Armee in der Bevölkerung aufpolieren. Noch bevor eine interministerielle Kommission abschließend über die Strategie entschieden hat, legen Nichtregierungsorganisationen bereits Protest ein. Sie halten die Beteiligung des Militärs an weiteren zivilen Aufgaben für einen Fehler. Soldaten werden bereits bei Naturkatastrophen und zur Verteilung humanitärer Hilfe eingesetzt.

Das Hungerbekämpfungsprogramm sieht auch die Gründung von Bürgerkomitees sowie Gremien auf kommunaler und staatlicher Ebene, Vereinbarungen mit Firmen, Treffen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und die Einrichtung von Netzwerken vor. Die Regierung führt derzeit zwei Pilotprojekte in dem südlichen Bundesstaat Guerrero durch, wo sich 46 der 400 für den Anti-Hunger-Kreuzzug ausgewählten Gemeinden befinden. Die übrigen Gemeinden liegen in den Bundesstaaten Oaxaca, Chiapas und Veracruz. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://sinhambre.gob.mx/
http://www.cndh.org.mx/
http://www.hrw.org/americas/mexico
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102625
http://www.ipsnews.net/2013/04/troops-may-join-mexicos-fight-against-hunger/

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IPS-Tagesdienst vom 9. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2013