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LATEINAMERIKA/1442: Dominikanische Republik - Antrag auf CARICOM-Mitgliedschaft abgelehnt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. November 2013

Dominikanische Republik: Antrag auf CARICOM-Mitgliedschaft abgelehnt - Staatenbund reagiert auf Deportationen

von Peter Richards


Bild: © Dan Boarder/cc by 2.0

Lebhaftes Treiben an der Grenze zwischen Dominikanischer Republik und Haiti
Bild: © Dan Boarder/cc by 2.0

Port of Spain, 28. November (IPS) - Erbost über ein Gerichtsurteil, durch das tausende, in der Dominikanischen Republik lebende Menschen haitianischer Abstammung staatenlos werden könnten, hat die Karibische Gemeinschaft CARICOM den Antrag der Regierung von Santo Domingo auf Aufnahme in den Staatenbund abgelehnt.

Der Präsident der Dominikanischen Republik, Danilo Medina, hatte versprochen, keine der von der verfassungsgerichtlichen Entscheidung betroffenen Personen abzuschieben. Doch der haitianische Staatschef Michel Martelly erklärte, dass seit seiner Rückkehr aus Venezuela am zweiten Novemberwochenende 300 Menschen aus dem Nachbarland deportiert wurden, "die weder unser Land kennen, noch Verwandte in Haiti haben geschweige denn die Sprache sprechen".

In Venezuela hatten am zweiten Novemberwochenende Gespräche zugunsten einer Lösung der Krise stattgefunden. Eine Fortsetzung ist für Anfang Dezember vorgesehen, an denen Martelly jedoch nicht teilnehmen will, solange die Dominikanische Republik zu keinen Zugeständnissen bereit ist. "Es macht keinen Sinn, sich weiter zu treffen, solange sie nicht handelt", erklärte er gegenüber IPS und fügte hinzu, dass von der Abschiebung sogar Kinder, von denen manche einen Tag alt gewesen seien, betroffen gewesen seien.

Die derzeitige CARICOM-Vorsitzende, die trinidadische Ministerpräsidentin Kamla Persad-Bissessar, versprach die Angelegenheit vor die Vereinigung der Karibikstaaten (ACS) und die Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) zu bringen. Eine Delegation der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) wird sich Anfang Dezember zu Gesprächen in der Dominikanischen Republik einfinden.

"Besonders abscheulich ist, dass der Richterspruch die CIDH-Empfehlungen von 2005 ignoriert, die Einwanderungsregelungen und -praktiken den Bestimmungen der Amerikanischen Menschenrechtskonvention anzupassen", meinte Persad-Bissessar. Das Urteil des Verfassungsgerichts verstoße zudem gegen die internationalen Menschenrechtsvereinbarungen, zu deren Einhaltung sich die Dominikanische Republik verpflichtet habe.


Ausschluss aus anderen Regionalverbänden angedroht

Der Regierungschef von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves, der in dieser Angelegenheit Medina bereits zwei Briefe geschrieben hat, kündigte an, für einen Ausschluss der Dominikanischen Republik aus der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) und aus dem Karibischen Forum (CARIFORUM) einzutreten. Wie er gegenüber IPS betonte, habe die leise Diplomatie versagt. "Es steht außer Frage, dass wir noch einen drauflegen müssen, um die Regierung und die entsprechende Behörde zum Handeln zu bewegen."

Im Mittelpunkt der Kontroverse steht die Entscheidung, den Kindern haitianischer Einwanderer die dominikanische Staatsbürgerschaft vorzuenthalten. Sie trifft all jene, die nach 1929 geboren worden sind, also die Nachfahren derjenigen Haitianer, die ins Land gebracht worden waren, um auf den Feldern zu arbeiten.

Zivilgesellschaftliche Organisationen hatten enormen Druck auf die CARICOM ausgeübt, gegen das Urteil des Verfassungsgerichts vorzugehen. Sie hatten sich in der vorletzten Novemberwoche in Kolumbien getroffen und den Richterspruch als "unmoralisch, ungerecht und vollkommen inakzeptabel" gegeißelt. "Er macht einen ohnehin schon ausgegrenzten Teil der dominikanischen Bevölkerung noch anfälliger für die alltäglichen Diskriminierungen und Übergriffe, die die Betroffenen aufgrund ihrer Hautfarbe und klangvollen Namen erleiden", sagte der ehemalige ACS-Generalsekretär Norman Girvan im IPS-Gespräch. "CARICOM bietet sich nun die Gelegenheit, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern."

Doch die Bemühungen, die Dominikanische Republik zu einer Abfederung des Urteils zu bewegen - dem bisher letzten Geschütz in den seit Jahrzehnten währenden kulturellen und wirtschaftlichen Spannungen zwischen beiden Ländern - könnten sich als äußerst schwierig erweisen.

Anfang November hatte Anibal De Castro, der Botschafter der Dominikanischen Republik in den USA, auf einen Artikel in einer trinidadischen Zeitung reagiert und erklärt, dass es seit 1929 in der Verfassung der Dominikanischen Republik festgeschrieben sei, dass die Kinder von Wanderarbeitern als Bürger des Landes nicht in Frage kämen.

Am 6. November gingen hunderte Menschen in Santo Domingo zugunsten des Urteils auf die Straße. Sie forderten sogar eine Mauer, um Haiti noch stärker von der Dominikanischen Republik abzutrennen. Beide Länder teilen sich die Insel Hispaniola.

Einer der Teilnehmer war Emilo Santana, ein Aktivist der Gruppe 'Night Watch of San Juan'. Wie er erklärte, kommen viele Einheimische der Dominikanischen Republik nicht in den Genuss einer Gesundheitsversorgung, weil die Mittel für die Versorgung der Haitianer aufgezehrt würden. Er forderte Präsident Medina auf, "jede lautlose und massive Übernahme des Landes durch Haitianer zu verhindern".

Nach Ansicht eines weiteren Redners, des Juristen Juan Manuel Castillo Pantaleon, hat das Verfassungsgericht alle dominikanischen Staatsbürger aufgefordert, die nationale Souveränität zu retten. Das Urteil sei ein Meilenstein, weil es genau festlege, "wer wir Dominikaner sind und sich hinter die Gesetze und Institutionen stellt, wie sie in der Verfassung vorgesehen sind".


Internationaler Gemeinschaft Verlogenheit vorgeworfen

Der internationalen Gemeinschaft warf Castillo Pantaleon Verlogenheit vor. Sie habe ihr Versprechen, den Haitianern zu helfen, nie eingehalten und in manchen Fällen sogar das Land bestohlen. "Nun versucht sie, uns Dominikanern die Verantwortung für den verfehlten Staat aufzubürden."

Eine von den UN unterstützte Untersuchung schätzt die Zahl der in der Dominikanischen Republik geborenen Menschen haitianischen Ursprungs auf 210.000. Die Zahl der in Haiti geborenen und in der Dominikanischen Republik lebenden Menschen beläuft sich nach Angaben Santo Domingos auf 500.000.

In einer Mitteilung hat CARICOM die internationale Gemeinschaft dazu aufgefordert, den Druck auf die Dominikanische Republik zu erhöhen, damit das Urteil des Verfassungsgerichts nicht greifen kann. (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/11/caricom-chastises-dominican-republic-deportations/

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IPS-Tagesdienst vom 28. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2013