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NAHOST/576: Kein Wasser für die Nachbarn (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Feature vom 8.12.2009

Kein Wasser für die Nachbarn

Von Patrick Franks und Miranda Rosoux

Beduinendorf in den Hügeln südlich von Hebron.  Am Horizont ist der Wasserturm einer israelischen Siedlung zu sehen. © EAPPI

Beduinendorf in den Hügeln südlich von Hebron.
Am Horizont ist der Wasserturm einer israelischen Siedlung zu sehen.
© EAPPI

An dem ausgedörrten, kahlen Berghang stehen ganze Reihen von adretten Vorstadthäusern. Der dahinter aufragende Wasserturm liefert das Wasser für ihre üppigen grünen Gärten. Die kleine Beduinengemeinde Umm Al Kher jenseits des Sperrzauns dieser Siedlung im Westjordanland aber hat kein Wasser.

Hier in den Hügeln südlich von Hebron ist seit Monaten nur wenig Regen gefallen. Rundum gibt es nur graue Felsen und trockenen, zerfurchten Boden. Einwohner erklärten gegenüber Beobachtern vom Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel [1] , dass die derzeitige Trockenheit die eigentliche, menschengemachte Wasserkrise nur noch verschlimmere.

Die Beduinengemeinschaft hat keinen Wasseranschluss und die israelische Armee erlaubt nicht, dass Brunnen ausgehoben werden. Die Gemeinschaft muss Tankwasser von Mekorot kaufen, der nationalen israelischen Wassergesellschaft, die 5 Schekel (etwa 0,90 Euro) pro Kubikmeter verlangt. Zu diesem Preis können die Hirten von Umm Al Kher keine Felder bewässern. Die einzige Wasserversorgung der Gemeinschaft besteht in einer Leitung nicht dicker als ein Gartenschlauch, die an die Pumpstation der Siedlung angeschlossen ist.

"Manchmal drehen sie das Wasser tagelang ab", erzählt ein Bewohner von Umm Al Kher Miranda, einer ökumenischen Begleitperson aus Großbritannien. "Wir haben genug Wasser zum Trinken und Waschen, aber nicht für die Landwirtschaft."

Die ökumenischen Begleitpersonen sind vom Ökumenischen Rat der Kirchen entsandt, um im ganzen Westjordanland mit ihrer Präsenz Schutz zu bieten und die Einhaltung der Menschenrechte zu beobachten. Sie besuchen regelmäßig die Dörfer in den Hügeln südlich von Hebron. Diese isolierten Dorfgemeinschaften leiden unter der Beschlagnahmung von Land gekoppelt mit Gewaltübergriffen israelischer Siedler auf der einen sowie Bewegungs- und Baubeschränkungen auf der anderen Seite.

Amnesty International hat unlängst eine Untersuchung der israelischen Wasserpolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten durchgeführt, aus der hervorgeht, dass eine Reihe von Maßnahmen ergriffen worden sind, um zu verhindern, dass die Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen ausreichend Wasser haben. Die Zerstörung von Wasserspeichern und Verweigerung des Zugriffs auf Wasservorräte sowie das Verbot des Brunnenbaus bedeuten, dass 200 000 Palästinenser und Palästinenserinnen in ländlichen Gemeinden keinen Zugang zu fließendem Wasser haben.

Die israelischen Siedler hingegen haben solche Probleme nicht. Ihre intensiv bewässerten Farmen, üppigen Gärten und Swimmingpools verbrauchen pro Kopf durchschnittlich 300 Liter Wasser am Tag. Der Durchschnittsverbrauch eines Palästinensers beträgt lediglich ein Viertel davon und ist damit weit von den 100 Litern Minimalversorgung entfernt, die die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. In manchen Fällen überleben die Palästinenser mit nur 20 Litern am Tag, geliefert per Tankwagen. Für Gemeinschaften, die von der Landwirtschaft leben, ist der Wassermangel eine Katastrophe.


Kein Wasser für die Farmen, kein Durchgang für die Hirten

Diese Probleme verschlimmern die Auswirkungen einer lang anhaltenden Trockenheit. Wenn Beduinen in der Vergangenheit mit Dürreperioden konfrontiert waren, dann haben sie sich mit ihren Herden nach neuem Weidegrund umgesehen. Heute aber haben sie keinen Zutritt mehr zu einem Großteil des besten Weidelandes, das für die israelischen Siedlungen, die sich unaufhaltsam über das Land ausbreiten, beschlagnahmt wurde.

Bewegungseinschränkungen. die ihnen die israelische Armee auferlegt, und Gewaltübergriffe von israelischen Siedlern hindern palästinensische Hirten daran, ihre Herden in bestimmten Gegenden weiden zu lassen. Regelmäßig bedrohen bewaffnete Jugendliche aus der Siedlung auch das Dorf selbst. Unlängst haben sie den Sperrzaun durchbrochen, um die wenigen mageren Hühner eines Beduinen zu stehlen. Beschimpfungen und Steinewerfen sind ebenfalls an der Tagesordnung.

Salim, ein Hirte aus Umm Al Kher, erklärt, dass bei den Beschwerden über die Wasserprobleme vergessen wird, welches der eigentliche Grund ist. Um die Situation zu verbessern, muss Umm Al Kher Wasserleitungen bauen, doch das Dorf liegt in einem Gebiet, für das die israelischen Behörden den Palästinensern keine Baugenehmigungen erteilen.

Erst im Oktober teilten die israelischen Behörden internationalen nichtstaatlichen Entwicklungsorganisationen mit, dass sie Rechtsbruch begehen, wenn sie in dem Dorf bauen. Gemäß dem Oslo-Abkommen von 1994 liegt das Dorf in der "Zone C", die der alleinigen militärischen und zivilen Kontrolle Israels untersteht. Die israelischen Behörden erteilen den Palästinensern in der Zone C keine Baugenehmigungen. Auch wenn sie nachweisen können, dass der Grund und Boden ihnen gehört, dürfen sie dort nicht bauen.

Die Frustration darüber ist spürbar in dem Dorf. Die Bewohner leben unter elektrischen Leitungen, die von der Siedlung zu einer nahe gelegenen Geflügelfarm verlaufen, die mit zur Siedlung gehört. Aber Umm Al Kher selbst hat keine Elektrizität. Und trotz der Tatsache, dass sie Eigentumstitel über dieses Stück Land besitzen, ist jedes Gebäude, das die Beduinen dort seit 1967 errichtet haben, von einem Abrissbefehl bedroht, selbst Zelte. Mehrere Gebäude sind bereits abgerissen worden, darunter ein Toilettenblock.

Eid, der Sohn eines der Dorfältesten, erklärte trotzig: "Jedes Mal, wenn sie unsere Häuser abreißen, werden wir sie wieder aufbauen. Das Land gehört uns."

Seine Entschlossenheit lässt allerdings nicht die Tatsache vergessen, dass sich Umm Al Kher in einer prekären Lage befindet. Die winterlichen Regenfälle verwandeln die Hügel vielleicht für einige Monate in grünes Weideland, aber langfristig hängt ein Damoklesschwert über der Zukunft von Beduinengemeinschaften wie Umm Al Kher.


Patrick Franks und Miranda Rosoux arbeiten im Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel.

Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel:
http://www.eappi.org


Die Meinungen, die in ÖRK-Features zum Ausdruck kommen, spiegeln nicht notwendigerweise die Position des ÖRK wider.

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.

[1] http://www.eappi.org/de/homepage.html


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Quelle:
Feature vom 8. Dezember 2009
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2009