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NAHOST/811: Hamas und Fatah einigen sich auf Übergangsregierung (ZLV)


Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - 29. April 2011

Auf dem Weg zur Versöhnung
Hamas und Fatah einigen sich auf Übergangsregierung

Von Karin Leukefeld


Nach Jahre langem Streit haben sich die palästinensischen Organisationen Fatah und Hamas in Kairo auf die Bildung einer gemeinsamen Übergangsregierung geeinigt. Das gaben am Mittwoch der Unterhändler der Fatah, Azaam al-Ahmad, und Moussa Abu Marzouk, der stellvertretende Vorsitzende der Hamas auf einer Pressekonferenz bekannt. Der Hamaspolitiker Mahmoud al-Zahar sprach im arabischen Nachrichtensender Al Jazeera von einem Fünf-Punkte-Plan, der neben einer Übergangsregierung, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen innerhalb eines Jahres vorsieht, sowie die Reaktivierung des Palästinensischen Parlaments und der PLO und die Freilassung von politischen Gefangenen der jeweils anderen Seite.

Nach blutigen Machtkämpfen zwischen beiden Organisationen stand der von Israel blockierte Gazastreifen unter Kontrolle der Hamas, während West Bank und Ostjerusalem von einer von der Fatah dominierten palästinensischen Autonomiebehörde (PA) verwaltet wurde. Die Übergangsregierung wird für das gesamte palästinensische Gebiet zuständig sein. In Anwesenheit aller palästinensischen Fraktionen soll das Abkommen Anfang Mai von Hamasführer Khalid Meschaal und dem Führer der Fatah, Mahmud Abbas in Kairo unterzeichnet werden.

Zentraler Streitpunkt war bisher die Zusammensetzung und Kontrolle der palästinensischen Sicherheitskräfte, die bisher der PA unterstanden und mit Geld aus den USA und Europa und von USA-Militärs teilweise in Jordanien ausgebildet wurden. Nun sollen die Sicherheitskräfte der PA und der Hamas zusammengeführt und »unter arabischer Aufsicht« umstrukturiert werden.

Fatah-Unterhändler Azzam al-Ahmad rief Medien und die Zivilgesellschaft auf, die neue Vereinbarung zu unterstützen. Die Arabische Liga solle die Umsetzung der Vereinbarung überwachen. Hamasvertreter Musa Abu Marzouq sagte der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan News, der Verhandlungsprozeß sei von »den Arabischen Revolutionen beeinflußt« worden. Die Versöhnung von Fatah und Hamas sei nur möglich gewesen, weil in Ägypten ein neuer politischer Wind weht, bestätigte auch Hani Masri, der als palästinensischer Beobachter an den Gesprächen teilgenommen hatte. Die neue ägyptische Regierung habe die Gespräche »ausgewogen« moderiert. Der ägyptische Außenminister Nabil al-Arabi will im Mai nach Ramallah fahren, um die Umsetzung der Vereinbarung zu unterstützen.

Neben Rußland begrüßte auch der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi die Einigung und lobte die Bemühungen der ägyptischen Regierung. Al-Arabi sagte am Mittwoch, er werde im Mai seinen iranischen Amtskollegen treffen, um ein neues Kapitel in den Beziehungen beider Staaten aufzuschlagen.

Israel und die USA-Regierung äußerten sich skeptisch zu der Vereinbarung. Im Weißen Haus hieß es, man begrüße zwar die palästinensische Versöhnung, allerdings handele es sich bei der Hamas um eine »Terrororganisation«. Verhandlungen mit einer palästinensischen Regierung seien nur möglich, wenn diese das Existenzrecht Israels anerkenne.

Der israelische Präsident Shimon Peres bezeichnete die Versöhnung als »fatalen Fehler«, der die Region destabilisieren und die Schaffung eines palästinensischen Staates verhindern werde. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, die PA müsse »wählen zwischen Frieden mit Israel und Frieden mit der Hamas«. Frieden mit beiden sei »unmöglich, weil das Ziel der Hamas sei, den Staat Israel zu zerstören«. Perspektivisch werde die Hamas die Kontrolle von »Judäa und Samaria« (West Bank) übernehmen, so, wie sie schon den Gazastreifen kontrolliere, sagte Netanjahu. Israel bezeichnet die besetzte West Bank mit den biblischen Namen »Judäa und Samaria«, um seinen historischen Anspruch auf das Land zu manifestieren. Außenminister Avigdor Lieberman warnte, daß eine Regierung, an der die Hamas beteiligt sei, »terroristische Gefangene« freilassen werde. Mit ihrer Versöhnung hätten die Palästinenser »eine rote Linie überschritten«.

Abbas-Sprecher Nabil Abu Rdeneh wies gegenüber der Nachrichtenagentur AFP die Äußerungen Netanjahus zurück. Die palästinensische Versöhnung sei eine »innere Angelegenheit der Palästinenser«, sagte er, Netanjahu müsse sich »zwischen Frieden und Siedlungen entscheiden«. Hamas-Sprecher Taher al-Noono sagte, Israel sei nie an einer palästinensischen Versöhnung interessiert gewesen und habe sie in der Vergangenheit verhindert.


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Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2011