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NAHOST/829: Ägypten - Religionsfreiheit hält Einzug auf der Halbinsel Sinai (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Juni 2011

Ägypten: Religionsfreiheit hält Einzug auf der Halbinsel Sinai

Von Mohammed Omer


El-Arish, Ägypten, 8. Juni (IPS) - Für Abu Sumaia'a Al Souarki bedeutet das Ende des Regimes von Hosni Mubarak auch das Ende religiöser und sozialer Diskriminierung und Verfolgung auf der Halbinsel Sinai. Wie viele junge Beduinen ist der 29-Jährige Anhänger einer muslimischen Sekte, die sich zur 'reinen Lehre des Koran' bekennt.

Ohne befürchten zu müssen, ins Visier ägyptischer Sicherheitskräfte zu geraten, kann Al-Souarki jetzt sein Morgengebet in einer Moschee verrichten, an Zusammenkünften junger Muslime teilnehmen und am Abend Seminare von bislang auf dem Sinai verbotenen muslimischen Gelehrten besuchen.

"Heute genieße ich die Religionsfreiheit", erklärte der junge Beduine. Auch den im August beginnenden Ramadan wird er wie viele seiner Altersgenossen ohne Furcht vor Übergriffen feiern können.

Auf der wegen ihrer Nähe zu Israel und den Palästinensergebieten politisch brisanten Halbinsel Sinai leben schätzungsweise 1,3 Millionen Beduinen. Mitglieder vieler beduinischer Stammesgemeinschaften fühlen sich wie Al Souarki als Bürger zweiter Klasse - wirtschaftlich und sozial diskriminiert und in der Religionsausübung eingeschränkt.

Wegen Unterdrückung bestimmter religiöser, hauptsächlich muslimischer Gruppen war die ägyptische Regierung unter Mubarak häufig kritisiert worden. In ihrem Jahresbericht 2011 zeigte sich die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit besonders besorgt über Ägypten als "ein Land, in dem die Religionsfreiheit weiterhin systematisch und außerordentlich schwer verletzt wird".


Angehörige muslimischer Sekten atmen auf

Besonders bestimmte muslimische Sekten gerieten im eher säkularen Ägypten mit seiner überwiegend sunnitischen Bevölkerung immer wieder ins Visier der Sicherheitsbehörden. So wurde Ahmad Rasem El-Nafis dreimal verhaftet, weil er, wie er sagte, bekennender Schiit sei. Auch reisen durfte der Universitätsprofessor aus dem nordägyptischen Mansoura nicht.

Die Sicherheitsbehörden sperrten auch zwei Internetportale der muslimischen Salafisten, die eine buchstabengetreue Auslegung des Koran lehren.

Auch im Sinai profitieren die Salafisten von der neuen ägyptischen Religionsfreiheit. Das Reiseverbot für ihre Gelehrten wurde aufgehoben. An der Grundschule der an den Gazastreifen grenzenden Stadt Rafah unterrichten Scheich Raed Al Attar und andere islamische Rechtsgelehrte seit ein paar Tagen im Rahmen eines so genannten Programms für religiöse und politische Meinungsfreiheit Schüler und Lehrer. Auf dem Lehrplan stehen neben den islamischen Gesetzen der Scharia auch Bürgerrechte und islamisch-korrekte Vorstellungen von Entwicklung und Stabilität. "Das ist der Triumph der ägyptischen Revolution", begrüßt Al-Souarki die wieder erlangte Religionsfreiheit.


Abkehr vom Radikalismus

Auf einer Besuchsreise durch die Moscheen von Rafah und El-Arish im Norden der Sinai-Halbinsel erinnerte Scheich Abu Khalid Al Tabarin seine Zuhörer an die zu Zeiten des Mubarak-Regimes erlittene religiöse Unterdrückung und Misshandlungen. "Sie haben etliche religiös radikale Jugendliche dazu gebracht, sich selbst in die Luft zu sprengen", sagte er. "Heute ist das anders. Wir erleben täglich, dass Gelehrte und Prediger über die korrekte Auslegung des Islam sprechen und nicht etwa über Radikalismus."

Der junge Beduine Al Souarki sieht auch gute Chancen für ein Ende langlebiger Klischeevorstellungen und Vorurteile. "Man hat in uns immer nur die Fanatiker gesehen, die Konsumenten von Alkohol und Tabak verprügeln und Frauen zwingen, lange Gewänder zu tragen und ihr Gesicht zu verschleiern. Jetzt können wir ihnen einen ganz anderen Typ von jungen Leuten präsentieren, die sich vom Extremismus abgewandt haben und bereit sind, sich in die Gemeinschaft zu integrieren und nach der richtigen Lehre des Korans zu leben." (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2011