Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/889: Ägypten - Wie Israel, US-Hilfe ohne Zugeständnisse erwünscht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Januar 2012

Ägypten: Wie Israel - US-Hilfe ohne Zugeständnisse erwünscht

von Thalif Deen

Demonstranten um Panzer auf dem Tahrir-Platz in Kairo - Bild: © Mohammed Omer/IPS

Demonstranten um Panzer auf dem Tahrir-Platz in Kairo
Bild: © Mohammed Omer/IPS

New York, 16. Januar (IPS) - Israel ist größtes Empfängerland US-amerikanischer Militärhilfe. Doch die Zuwendungen haben nicht dazu geführt, dass der jüdische Staat im Umgang mit den Palästinensern Zugeständnisse machte. So hat Israel weder seine Repressionspolitik noch den Bau illegaler Siedlungen in den besetzten Gebieten eingestellt. Ägyptens Militärregierung hat sich offenbar einiges aus dem israelischen Drehbuch abgeschrieben.

Von 1949 bis 2010 bezog Israel US-Hilfe in Höhe von 105 Milliarden US-Dollar, davon 61,3 Milliarden Dollar Militärhilfe, die kostenlos geleistet wurde beziehungsweise nicht rückzahlbar war. Kritikern zufolge lässt sich die Haltung Israels gegenüber den USA in einem Satz zusammenfassen: "Gebt uns eurer Geld und kümmert euch um eure Sachen."

Ägyptens neue Interimsregierung unter Führung von Feldmarschall Hussein Tantawi, dem Chef des regierenden Militärrats SCAF, fährt einen ähnlichen Kurs. Als sie in diesem Monat Razzien gegen Menschenrechtsaktivisten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) inklusive zweier US-geförderter Gruppen in Kairo durchführen ließ, gab sie Washington damit im Grunde zu verstehen: "Wir wollen euer Geld, aber mischt euch bloß nicht in unsere politischen Angelegenheiten ein."

Seit 1979 haben die USA Ägypten wirtschaftliche und militärische Hilfe im Gesamtwert von 64 Milliarden Dollar bereitgestellt. Meist handelt es sich um kostenlose oder nicht rückzahlbare Kredite in Höhe von zwei Milliarden Dollar jährlich, davon 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe.

Natalie J. Goldring vom Zentrum für Friedens- und Sicherheitsstudien an der 'Edmund A. Walsh School for Foreign Service' der Georgetown University, hält die Übergriffe der ägyptischen Streitkräfte auf die NGO-Büros für kurzsichtig und einen schweren Irrtum, gerade auch weil einige der betroffenen Organisationen wie das 'International Republican Institute' und das 'National Democratic Institute' als Wahlbeobachter fungieren.


US-Auflagen für Ägypten

Goldring zufolge steht noch nicht fest, wie der US-Kongress auf den Vorfall reagieren wird. Allerdings scheine die überwiegende Mehrheit eine Fortsetzung der Beziehungen und Hilfsleistungen zu befürworten, bekräftigt sie. "Gleichzeitig jedoch wächst die Sorge über die Zweckentfremdung von US-amerikanischer Hilfe und -equipment. Das spiegelt sich in der zunehmenden Konditionierung der US-Hilfe an den ägyptischen Demokratieprozess wieder."

Wie Pieter Wezeman, Wissenschaftler am Waffentransferprogramm des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts (SIPRI), erläutert, sind Ägypten wie Israel auch in erheblichem Ausmaß von Militär- und Rüstungshilfe abhängig. Ägyptens gesamte Militärausgaben beliefen sich 2010 auf etwa 3,9 Milliarden Dollar. Mehr als ein Drittel davon war US-Militärhilfe.

Sollte Washington seine Militärhilfe einstellen, würde dies Ägypten einige substanzielle Probleme verursachen, ist Wezeman überzeugt. Das Gleiche lasse sich auch mit Blick auf den Zugang zur Rüstungstechnologie sagen.

SIPRI schätzt, dass Ägypten im vergangenen Jahrzehnt (2001-2010) 70 Prozent aller Waffenimporte aus den USA bezogen hat. Zu den wichtigsten Rüstungsgeschäften zwischen beiden Ländern in diesem Zeitraum und 2011 gehört die Lieferung von 575 M-1A1-Panzern und 44 F-16-Kampffliegern.

Als ein Schlüsselproblem könnte sich für Ägypten eine Absage Washingtons erweisen, künftig die riesigen ägyptischen Waffenarsenale mit US-amerikanischem Equipment zu warten. Ägypten könnte zwar alle US-amerikanischen Waffensysteme ersetzen, doch wäre dies mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden.

Wezeman zufolge wären Länder wie Frankreich und Großbritannien in der Lage, in die Bresche zu springen. "Und solange Ägypten zahlungswillig ist, sind auch Länder wie Russland, China und kleine Waffenlieferanten wie die Ukraine weiterhin bereit, militärisches Equipment zu liefern", meint er.

Israel musste noch nie umfangreiche Kürzungen der US-Hilfe hinnehmen, zu groß ist der politische Einfluss des Landes auf den US-Kongress. Im Fall Ägypten ist das anders. Die USA haben die Militärbeziehungen vor allem wegen des 1978 ausgehandelten Friedensabkommens von Camp David und der Rolle, die Ägypten dabei spielte, aufrechterhalten.


Rechenschaftspflicht

Goldring zufolge sollten alle in- und ausländischen Programme einer Bewertung unterzogen werden, um sicherzustellen, dass sie auch mehr als 33 Jahre nach Camp David noch effizient sind. "Steuerzahler haben ein Recht dazu und stehen in der Verantwortung, nachzufragen, ob die Hilfspakete in Verbindung mit den Camp David-Verträgen die gewünschten Ergebnisse erzielen", unterstreicht sie.

Die Expertin wies darauf hin, dass die US-amerikanische Hilfe für Ägypten dazu beigetragen habe, weitere Kriege mit Israel zu verhindern. "In dem Fall haben sich die Investitionen gelohnt." Staaten jedoch, die gegen die Bedingungen verstoßen, unter denen sie US-Hilfe und Waffen erhalten hätten, müssten zur Verantwortung gezogen werden. Bilder von Demonstranten, die Tränengaskanister mit der Aufschrift 'made in the USA' hochhalten, dienen den demokratischen Zielen der USA sicherlich nicht."

Das ägyptische Militär wird bei drei bevorstehenden Ereignissen eine besondere Rolle spielen: den Parlamentswahlen, dem Entwurf einer neuen Verfassung und den Präsidentschaftswahlen Ende des Jahres. Allgemein wird angenommen, dass die Regierung von US-Präsident Obama für den durch Wahlen gesteuerten ägyptischen Demokratieprozess 65 Millionen US-Dollar reservieren wird.

Goldring zufolge muss für US-Hilfsbeiträge Rechenschaftspflicht bestehen. "Das gilt besonders, wenn wir über Hilfe für Israel oder Ägypten oder für Griechenland oder die Türkei sprechen", fügte sie hinzu. Viel zu häufig blicke die US-Regierung weg, wenn die Empfängerländer US-amerikanischer Hilfsleistungen US-Waffen gegen ihre eigenen Bürger einsetzten. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://cpass.georgetown.edu
http://www.sipri.org/about/organization/researchprog/armstransfers
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106441

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. Januar 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2012