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NAHOST/899: USA/Iran - Gemeinsame Interessen in Afghanistan nutzen, Wege aus der Sackgasse (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. März 2012

USA/Iran: Gemeinsame Interessen in Afghanistan nutzen - Wege aus der Sackgasse

von Jasmin Ramsey


Washington, 16. März (IPS) - In den USA wird zunehmend der Ruf nach einer Iran-Politik laut, die nicht die Abgründe zwischen beiden Ländern weiter vergrößert, sondern überbrückt. Das gemeinsame Interesse an einem stabilen Afghanistan nach Abzug der internationalen Truppen könnte Experten zufolge Teheran und Washington einander näher bringen.

"Die USA haben Interessen im Iran, die über die nukleare Frage hinausgehen", sagte Ellen Laipson, Präsidentin und Geschäftsführerin der renommierten US-Denkfabrik 'Stimpson Center' und Autorin eines neuen Berichts mit dem Titel 'Engaging Iran on Afghanistan'.

Der Report kommt zu einer Zeit, in der Sinn und Nutzen der internationalen Truppenpräsenz in Afghanistan nach einer Reihe negativer Ereignisse inklusive der Ermordung von 16 Zivilisten durch einen US-Militär in Frage gestellt werden.

Gleichzeitig sieht sich der Iran seit zwei Jahren mit beispiellosen Sanktionen, verdeckten Ermittlungen und der reellen Gefahr eines israelischen Militärangriffs konfrontiert. Washington wiederum beschuldigt Teheran, an einem Atomwaffenprogramm zu arbeiten, terroristische Angriffe auf die US-Botschaft in Saudi-Arabien unterstützt zu haben und vitale US-Interessen zu gefährden, sollte es seine Drohung wahr machen und die Meerenge von Hormuz, einer wichtigen Erdöltransportroute, schließen.

Trotz der weitgehenden internationalen Isolation und aller wirtschaftlichen Rückschläge wie der massiven Abwertung der Landeswährung und Einbußen im internationalen Handel gehen die Nuklearaktivitäten des Irans weiter.


Gefährliches Säbelrasseln

Auf einer Veranstaltung der 'University of Maryland' zum Iran am 13. März warnte der politische Wissenschaftler Zbigniew Brzezinski vor den möglichen Folgen eines israelischen Angriffs. In einem solchen Fall würde der Iran zum Vergeltungsschlag gegen die USA ausholen und den US-Interessen in Afghanistan erheblich schaden.

Der frühere Sicherheitsberater des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter erläuterte, dass der Iran bei einem israelischen Angriff davon ausgehen werde, dass dieser von Washington autorisiert worden sei, zumal die israelische Luftwaffe in einem solchen Fall den von den USA kontrollierten irakischen Luftraum nutzen würde.

Doch dem Stimson Center zufolge sollten USA und Iran gerade mit Blick auf Afghanistan kooperieren. In der Afghanistan-Frage zeige sich die größte gemeinsame Schnittmenge der Interessen zwischen beiden Ländern, heißt es in dem am 15. März veröffentlichten Report.

Am 12. März hatte der ehemalige CIA-Analyst und Südasienexperte der 'Brookings Institution', Bruce Riedel, in einem Beitrag in der 'Daily Beast' betont, dass eine erfolgreiche Lösung des Afghanistan-Krieges eine regionale Strategie erforderlich mache, die nicht nur von Pakistan, sondern auch von anderen wichtigen Akteuren wie dem Iran und Indien mitgetragen werde.

Sowohl den USA als auch dem Iran sei nicht daran gelegen, dass Afghanistan radikalen Taliban in die Hände falle oder von Pakistan kontrolliert werde. Laipson vom Stimson Center zufolge wird eine effektive Zusammenarbeit in dieser Frage derzeit durch eine "konzeptionelle Unstimmigkeit" verhindert. So sind die USA der Meinung, dass die internationale Gemeinschaft die Zukunft Afghanistans auch nach Abzug der ISAF mitbestimmen müsse. Der Iran wiederum setzt auf die regionale Karte und ist strikt dagegen, dass die ausländischen Kräfte nach ihrem Abzug kleinere Truppenkontingente im Land belassen.

Der Mitbegründer des Stimson Center, Barry Blechman, und sein Kollege R. Taj Moore betonten in einer weiteren, ebenfalls am 15. März veröffentlichten Publikation die Notwendigkeit, die seit der Islamischen Revolution aufgelaufenen Streitigkeiten zwischen beiden Ländern diplomatisch beizulegen. "Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran dauert bereits mehr als 30 Jahre und weist alle negativen Züge des Kalten Krieges auf", betonten sie.


Annäherung als Chance

Blechman and Moore appellierten an die US-Regierung, alle möglichen Kommunikationskanäle für die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Iran zu nutzen, die über das Thema Nuklearprogramm hinausgehen und vor allem die gemeinsamen Interessen wie die Zukunft Afghanistans stärker betonen.

Der Bericht 'Iran in Perspective: Holding Iran to Peaceful Uses of Nuclear Technology' erkennt zwar die Hindernisse an, die sich nach Jahren gegenseitiger Aggression und fortgesetzter Spannungen aufgetürmt haben. Gleichwohl lenkt er die Aufmerksamkeit auf den Umstand, dass sich der Iran nicht nur zu einer nuklearen sondern auch zu einer militärischen Gefahr auswachsen könnte. Ein größeres Engagement und Maßnahmen fernab aller Sanktionen seien eher geeignet, eine friedliche Nutzung des iranischen Atomprogramms zu garantieren und Spannungen abzubauen.

Blechman brachte ferner die Hoffnung zum Ausdruck, dass US-Präsident Barack Obama nach einem Wahlsieg im November das "Äquivalent eines Henry Kissingers" nach China und in den Iran entsenden oder mit Hilfe internationaler Vermittler einen breiter angelegten Dialog in Gang bringen werde.

Val Nasr, Professor für internationale Beziehungen und Wissenschaftler am Brookings Institute, forderte Obama auf, die günstigen Voraussetzungen zu nutzen und unverzüglich mit dem Iran in einen diplomatischen Dialog zu treten. Es müsse ein Klima des gegenseitigen Vertrauens als Grundlage für Gespräche geschaffen werden und dem Iran die Aufhebung der US- und EU-Sanktionen in Aussicht gestellt werden. Washington solle sich ferner der Möglichkeit bilateraler Gespräche über Fragen der regionalen Sicherheit und der Zukunft der US-iranischen Beziehungen öffnen, forderte er. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.stimson.org/books-reports/engaging-iran-on-afghanistan/
http://www.stimson.org/books-reports/iran-in-persepective-holding-iran-to-peaceful-uses-of-nuclear-technology/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107087

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. März 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2012