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NAHOST/955: Über Grenzen hinweg vereint - Gaza-Konflikt schweißt Palästinenser zusammen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. November 2012

Nahost: Über Grenzen hinweg vereint - Gaza-Konflikt schweißt Palästinenser zusammen

von Jillian Kestler-D'Amours


Palästinenser demonstrieren in Haifa - Bild: © Jillian Kestler- D'Amours

Palästinenser demonstrieren in Haifa - Bild: © Jillian Kestler- D'Amours

Haifa, 20. November (IPS) - Dutzende israelischer Panzer bahnen sich langsam ihren Weg auf der Autostraße Nr. 6. Vor ihnen sind Tieflader ebenfalls in Richtung Süden unterwegs. Auf den Panzern sieht man Davidsterne und hebräische Buchstaben, daneben wehen ausgefranste israelische Flaggen.

"Ich sehe die Panzer jeden Tag. Es tut mir weh, denn ich weiß, dass sie Kinder töten werden", sagt der 20-jährige Mohammed Eghbariya, der in einem Computergeschäft in der überwiegend von Arabern bewohnten nordisraelischen Stadt Umm Al-Fahm arbeitet. Den arabischen Israeli belastet es sehr, dass israelische Zivilisten durch palästinensische Raketenangriffe verletzt werden. Zugleich steht er solidarisch auf der Seite der Einwohner des Gazastreifens. "Wir unterstützen sie, sie sind uns als Palästinenser verbunden. Der Stolz auf beiden Seiten wird aber alles noch verschlimmern."

Am 14. November hatte das israelische Militär nach Raketenangriffen aus dem Gazastreifen Ahmad Jabari, den Anführer des militärischen Arms der radikal-islamischen Hamas in Gaza-Stadt, getötet. Die israelischen Luftangriffe auf die abgeriegelte palästinensische Enklave gehen weiter. Nach Angaben der israelischen Streitkräfte wurden insgesamt 1.350 Orte im Gazastreifen bombardiert. Binnen einer knappen Woche starben über 100 Palästinenser, mehr als 800 wurden verletzt.

Wie die im Gaza-Streifen regierende islamische Bewegung Hamas erklärte, wird die Ermordung von Jabari "die Tore zur Hölle öffnen". Palästinensische Kämpfer feuerten Hunderte Raketen vom Gazastreifen aus in Richtung Israel ab. Einige davon schlugen sogar weit entfernt in Tel Aviv und Jerusalem ein. Drei Israelis kamen dabei ums Leben.

"Abschreckung spielt im Kalkül Israels eine wichtige Rolle. Israel hat sich selbst immer als kleines Land mit vielen Feinden gesehen, die ihm zahlenmäßig überlegen sind. Deshalb muss es von außen als stark wahrgenommen werden", meint Nathan Krall, ein in Jerusalem lebender Nahost-Experte der 'International Crisis Group'.


Solidaritätskundgebungen

Palästinenser versammeln sich zu Demonstrationen im Westjordanland, in Jerusalem und in anderen Teilen Israels. "Wir sind hier, um gegen Israels Krieg gegen den Gazastreifen zu protestieren. Wir sind solidarisch mit den Menschen im Gazastreifen und mit dem Widerstand", sagt der 23-jährige Said Suidan, der mit etwa 40 Mitstreitern in der nordisraelischen Stadt Haifa auf die Straße gegangen ist. Haifa ist nach Jerusalem und Tel Aviv die drittgrößte Stadt Israels.

Suidan, ein Soziologiestudent aus Tel Aviv, sieht die Palästinenser im Widerstand gegen Israel vereint, "auch wenn sich die Formen - Kugeln im Gazastreifen, Steine im Westjordanland und Proteste in Israel - unterscheiden".

Etwa 1,6 Millionen Palästinenser sind Bürger Israels und machen damit etwa 20 Prozent der Bevölkerung aus. Von israelischen Politikern werden sie oftmals als 'demografische Bedrohung' des jüdischen Staates bezeichnet.

Israels Außenminister Avigdor Liebermann hat sogar vorgeschlagen, alle von Palästinensern bewohnten Städte in Israel zwangsweise der Kontrolle der palästinensischen Autonomiebehörde zu unterstellen. Kürzlich in Israel in Kraft getretene Gesetze verpflichten zudem alle Bürger dazu, ihre Loyalität zu einem 'jüdischen und demokratischen Staat' zu erklären.

Nach Ansicht von Jafar Farah, der das Mossawa-Zentrum für arabische Israelis leitet, stärkt die Gewalt im Gazastreifen erneut die Bindungen zwischen Palästinensern, die jahrzehntelang durch geografische Grenzen und einen unterschiedlichen Alltag voneinander getrennt sind.

Gespräche zwischen Palästinensern und Juden in Israel über die derzeitige Lage fänden nicht statt, erläutert er. "Und in den israelischen Medien kommen höchstens Juden zu Wort. Man will die Stimme der arabischen Gemeinschaft nicht hören." (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.crisisgroup.org/
http://www.ipsnews.net/2012/11/attacks-on-gaza-unite-palestinians/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2012