Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/977: Irak - Kurden hoffen auf Frieden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. März 2013

Irak: Kurden hoffen auf Frieden

von Karlos Zurutuza


Bild: © Karlos Zurutuza/IPS

PKK-Kämpfer bei der Verkündung von Öcalans Botschaft in den irakischen Kandil-Bergen
Bild: © Karlos Zurutuza/IPS

Kandil-Berge, Irak, 25. März (IPS) - Für Mohamed Abdi war das diesjährige Neujahrsfest Newroz etwas ganz Besonderes. Zusammen mit seinen Angehörigen und vielen anderen kurdischen Familien hatte sich der Kämpfer aus Suleimaniyah, 260 Kilometer nordöstlich von Bagdad, hoch oben in den Kandil-Bergen im Norden eingefunden, um sich mit Gleichgesinnten über ein mögliches Ende des Kurdenkonflikts mit der Türkei auszutauschen.

Denn die diesjährigen Feierlichkeiten standen unter dem Eindruck der Rede des seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer inhaftierten türkischen Führers der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan. Sein Aufruf zum Waffenstillstand hat Hoffnungen auf Frieden geweckt. Seit fast drei Jahrzehnten kämpft die PKK um die Anerkennung der 15 Millionen türkischen Kurden und deren Recht auf ihre eigene Sprache. Der blutige Konflikt hat bisher mehr als 40.000 Menschen das Leben gekostet. Tausende kurdische Dörfer in den türkischen und irakischen Grenzgebieten wurden zerstört.

"Im vergangenen Jahr waren weniger Menschen hier, nicht zuletzt aus Angst vor Bomben", meinte der ehemalige irakisch-kurdische Peschmerga-Kämpfer Abdi auf dem Rebellenstützpunkt in den Kandil-Bergen. "Sicherlich aber dürfte die Aussicht auf Frieden so viele Menschen in diesem Jahr dazu veranlasst haben, sich hier zu versammeln."


Bis zu 40 Millionen Kurden in vier Ländern

Die insgesamt zwischen 30 Millionen und 40 Millionen Kurden werden durch die Grenzen des Iraks, des Irans, der Türkei und Syriens voneinander getrennt. Am Tag des Neujahrsfestes schienen diese Grenzen aber nicht mehr zu existieren. PKK-Flaggen mit dem Sternsymbol mischten sich mit den gelben und grünen Fahnen der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) und denen der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), der einflussreichsten Bündnisse in den Kurdengebieten Iraks.

Den in den Bergen versammelten Menschen wurden nicht nur Reden geboten, sondern auch Musik und kleine Theateraufführungen. Großformatige Bilder der bekanntesten toten PKK-Kämpfer, einschließlich drei im Januar in Paris ermordeten kurdischen Aktivistinnen, heben sich deutlich von der verschneiten Bergkulisse ab.

Die Menschen standen Schlange, um sich neben dem Konterfei von Öcalan fotografieren zu lassen. Händler boten Speisen, Tee und Bücher an. Viele Besucher freuten sich, Freunde und Verwandte nach längerer Zeit wiederzusehen.

Gulistan, die aus Van, 920 Kilometer östlich von Ankara gekommen ist, konnte endlich ihren jüngeren Bruder in die Arme schließen. Seit sich dieser vor vier Jahren der PKK angeschlossen hatte, hatten sich die Geschwister nicht mehr gesehen. "Sieben Mitglieder unserer Familie sind in der PKK, und wir alle sind sehr stolz auf sie", erklärte ihr Vater Muhamed.

Nashuan, ein junger irakischer Kurde, stammt aus Erbil, der Verwaltungshauptstadt der kurdischen Region im Irak. "Wir wollten Newroz unbedingt mit unseren Brüdern im Norden feiern", betonte er.

"Die heutige PKK erinnert uns irakische Kurden daran, wie wir vor 20 Jahren angefangen haben. Uns überkommt ein Gefühl der Nostalgie, wenn wir jetzt die jungen Männer sehen", meinte Ayub Salahadin, der sich damit auf den jahrzehntelangen Krieg der irakischen Kurden gegen den ehemaligen Machthaber Saddam Hussein bezog. Der Konflikt endete erst 1991 nach dem ersten Golfkrieg, als die Kurden mit dem Aufbau einer autonomen Region begannen.


Öcalan erklärt Willen zur Beendigung des Kampfes

Öcalans Botschaft wurde am Tag des kurdischen Neujahrsfest offiziell von Führern der pro-kurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP) in Diyarbakir, der größten Kurdenstadt in der Türkei, verbreitet. Um zwei Uhr erreichte die Nachricht aber auch die rund 8.000 Menschen, die in den Kandil-Bergen zusammengekommen waren. In der Waffenstillstandserklärung kündigte Öcalan den "Beginn einer neuen Ära" an.

Auch wenn die Stimmung beim Neujahrsfest in den Bergen gelöst war, äußerten sich einige ältere Kurden verhalten. "Nicht nur wir sollten einen Schritt in Richtung Frieden machen", meinte die langjährige Kämpferin Saharestan aus Afrin im Norden Syriens. "Auch die Türkei sollte ihren Teil dazu beitragen." Die langen Jahre in den Bergen haben ihr Haar grau werden lassen. Saharestan zufolge hat die Türkei die Kurden in der Vergangenheit schon allzu oft getäuscht.

Wenn die Verhandlungen jedoch nach Plan verlaufen, werden Saharestan und ihre Kameraden den bewaffneten Kampf in der Türkei einstellen und sich dauerhaft in die Kandil-Berge zurückziehen. Als Zeichen für ihre Dialogbereitschaft übergab die PKK am 13. März acht Gefangene - sechs Soldaten, einen Polizisten und einen Zivilbeamten - an die Regierung in Ankara. (Ende/IPS/ck/2012)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/03/guerillas-and-civilians-converge-for-peace/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. März 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2013