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NAHOST/994: Iran - Rückkehr der alten Garden, Wahl Ruhanis lässt Konservative und Reformer erstarken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Juli 2013

Iran: Rückkehr der alten Garden - Wahl Ruhanis lässt Konservative und Reformer erstarken

Ein Kommentar von Yasaman Baji



Teheran, 2. Juli (IPS) - Der Sieg des gemäßigten Politikers Hassan Ruhani bei den Präsidentschaftswahlen am 14. Juni im Iran markiert einen bedeutenden Wendepunkt. Zwei der wichtigsten Fraktionen der Islamistischen Republik sind nach etwa zehn Jahren mitten in die Politik zurückgekehrt: nämlich die traditionellen Konservativen und die Reformer.

Die beiden Lager waren im letzten Jahrzehnt ins politische Abseits abgedrängt worden. Einige politische Beobachter gingen bereits davon aus, dass sie für immer an Bedeutung verloren hätten und damit einer radikaleren Form des Konservativismus oder einer Diktatur des geistlichen Führers Ajatollah Ali Chamenei Tür und Tor geöffnet worden sei.

Drei wichtige Protagonisten der Islamischen Republik schlossen sich aber zusammen, um Ruhanis Kandidatur zu unterstützen. Die ehemaligen Staatsoberhäupter Haschemi Rafsandschani und Mohammad Chatami sowie der frühere Parlamentssprecher und Präsidentschaftskandidat Ali Akbar Nateq Nuri stellten die Weichen für die Rückkehr des traditionellen Konservativismus und des Reformismus in die iranische Politik.

Beide Richtungen waren die Eckpfeiler bei der Gründung der Islamischen Republik gewesen. In den 1980er Jahren galten sie als rechte und linke Flügel des Staates, da ihre wirtschaftspolitischen Ansichten voneinander abwichen. In den späten 1990er Jahren stritten sie darüber, ob der republikanische oder islamische Charakter der Republik stärker in den Vordergrund treten sollte.

In den 1980er Jahren hatte der damalige Ministerpräsident Hussein Mussavi, der inzwischen unter Hausarrest steht, als Linker gegolten, weil er sich auf ökonomische Gerechtigkeit und die staatliche Kontrolle der Wirtschaft konzentrierte. Der damalige Präsident Chatami wurde dagegen dem rechten Lager zugerechnet, das für das Privateigentum und die Privatwirtschaft eintrat.

Selbst im Wächterrat, der Kandidaten für Regierungs- und Parlamentsämter überprüft und Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit und ihren Bezug zum Islam überprüft, saßen Vertreter beider Richtungen. Die Kontrolle über das Parlament in Teheran verlagerte sich nach jeder Wahl von einem Lager zum anderen.


Rafsandschani und Chatami zum Spagat gezwungen

Präsident Rafsandschani (1989-1997), der lange versuchte, es beiden Lagern recht zu machen, musste abwechselnd mit links- und rechtsorientierten Parlamenten zusammenarbeiten. Zu einem ähnlichen Spagat war auch der Reformer Chatami gezwungen.

Dieses politische Arrangement zerschlug sich aber nach den Parlamentswahlen 2004 und der Wahl von Mahmud Ahmadinedschad zum Staatschef im folgenden Jahr. Nach seinem Amtsantritt begann Ahmadinedschad damit, die Reihen der Linken und Reformbefürworter zu 'säubern'. Dies führte zunächst zu einer Allianz zwischen Ahmadinedschad und traditionellen Konservativen, die darüber glücklich waren, ihre ideologischen Gegner an den Rand gedrängt zu sehen.

Der Präsident, der sich als Populist der jüngeren Generation positionierte, wandte sich aber rasch gegen die Konservativen. Während diese ihre Stellungen im Justizwesen und im Parlament beibehielten, konnte Ahmadinedschad mit Chameneis Unterstützung effizient jegliche juristischen Maßnahmen gegen seinen Herrschaftsstil verhindern.

Nach den umstrittenen Urnengang 2009, der zur Wiederwahl Ahmadinedschads führten, verhalf ihm der kontinuierliche Rückhalt Chameneis dazu, dass das Parlament seine Minister akzeptierte und mehrere Anläufe zu Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten scheiterten. Außerdem wurden Gerichtsverfahren wegen ungesetzlichen Verhaltens Ahmadinedschads gestoppt, der sich unter anderem wiederholt weigerte, verabschiedete Gesetze in Kraft zu setzen.

In diesem Kontext wurde den traditionellen Konservativen klar, dass sie das gleiche Schicksal wie die Reformer erleiden könnten, wenn sie nicht einige der alten Pfeiler der Islamischen Republik wiederaufrichten würden.


Einigkeit statt Zwietracht

Statt zu ihren alten Rivalen in Konkurrenz zu treten, schmiedeten sie mit ihnen eine Allianz, um die Kandidatur Ruhanis zu stützen. Dieser gehört zwar dem rechten Flügel an, hat aber mit Erfolg auch die Reformer dazu gebracht, seine Kritik an der zunehmend abgesicherten politischen Landschaft des Irans und der Entfernung hochrangiger reformorientierter Politiker in den vergangenen zehn Jahren zu teilen.

Um das Ausmaß des Wandels zu verstehen, den diese Allianz in den jüngsten Geschichte des Irans bewirkt hat, genügt es darauf hinzuweisen, dass die beiden Hauptkandidaten Chatami und Nateq Nuri, die 1997 gegeneinander angetreten waren, sich zusammengeschlossen haben, um ihre Unterstützer hinter Ruhani zu sammeln. Dahinter steckte die Absicht, eine sich unkontrolliert ausbreitende Diktatur des Führers zu verhindern und die Radikalen von einer Konsolidierung ihrer Macht abzuhalten. (Ende/IPS/ck/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/07/return-of-old-guard-marks-a-new-stage-in-irans-politics/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2013