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NAHOST/998: Iran - Neuer Präsident weckt in USA Hoffnung auf Atomabkommen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Juli 2013

Iran: Neuer Präsident weckt in USA Hoffnung auf Atomabkommen - Ex-UN-Diplomat soll Außenminister werden

von Jim Lobe


Bild: © Tabarez2/cc by 2.0

Irans neuer Präsident Ruhani will den früheren UN-Botschafter Mohammed Javad Zarif zum Außenminister machen
Bild: © Tabarez2/cc by 2.0

Washington, 31. Juli (IPS) - Kurz vor der Vereidigung des neuen iranischen Staatschefs Hassan Ruhani Anfang August scheint die Verständigung zwischen Teheran und Washington gut zu funktionieren. Dass Ruhani nun offenbar den früheren UN-Botschafter Mohammed Javad Zarif als Außenminister berufen will, stimmt politische Beobachter in den USA weiter zuversichtlich.

"Wenn dies zutrifft, ist es ein ziemlich starkes Signal", sagt der Iran-Experte Alireza Nader, der für den Washingtoner Think Tank 'Rand Corporation' tätig ist. "Für Zarif zählt Pragmatismus mehr als Ideologie. Und wenn Ruhani die Beziehungen des Irans mit dem Rest der Welt verbessern und eine Lösung für die Atomkrise finden will, ist es nur logisch, dass seine Wahl auf Zarif fällt", meint Nader.

Der Diplomat kenne die USA und ihre Politik sehr gut, sagt Gary Sick, Iran-Experte von der Columbia-Universität in New York. Dort lernte er Zarif während dessen fünfjähriger Amtszeit bei den Vereinten Nationen 2002 bis 2007 gut kennen. "Sein Englisch ist perfekt. Er ist außergewöhnlich intelligent und wird von den Leuten, die mit ihm in New York und Washington zu tun hatten, hoch respektiert. "

Über eine bevorstehende Ernennung Zarifs zum Minister wird spekuliert, seit die 'New York Times' am 26. Juli berichtete, dass der iranische Ministerpräsident Nuri al-Maliki kommuniziert hat, Ruhani sei an einer raschen Aufnahme direkter Gespräche mit den USA interessiert.

Kürzlich kündigte zudem die Regierung von US-Präsident Barack Obama an, dass sie Restriktionen lockern wolle, die sich auf den Verkauf von Sanitätsartikeln und Agrarerzeugnissen an den Iran bezögen. Auch die humanitäre Hilfe für das Land soll demnach erleichtert werden. Viele Beobachter interpretierten dies als Geste des guten Willens vor der Vereidigung Ruhanis am 3. und 4. August. Vertreter der US-Regierung haben sich außerdem deutlicher als bisher gegen neue Iran-Sanktionen ausgesprochen, über die in Kürze im Repräsentantenhaus beraten werden soll.


Obama will Stärkung von Hardlinern in Teheran verhindern

Die Regierung und ihre Verbündeten im Parlament fürchten, dass neue Strafmaßnahmen die Hardliner in Teheran bestärken und Aussichten für Fortschritte bei den Atomverhandlungen zwischen dem Iran und der sogenannten P5+1-Gruppe (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China plus Deutschland) schmälern werden. Die Gespräche sollen voraussichtlich im September wiederaufgenommen werden.

Das geplante Gesetz hat einen starken Anschub von dem einflussreichen amerikanisch-israelischen Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten (AIPAC) erhalten, der die Vorhut der israelischen Lobby in den USA bildet. Ziel der Initiative ist es, ein De-facto-Verbot iranischer Erdölexporte zu verhängen, jeglichen Handel mit Euro-Beteiligung zu unterbrechen sowie den iranischen Reederei- und Automobilsektor zu treffen. Das Gesetz würde zudem Obamas Handlungsspielraum bei der Aufhebung von Sanktionen gegen Drittstaaten und ihre Unternehmen einschränken, wenn sie Handel mit dem Iran treiben.

Die Unterstützer des Gesetzentwurfs drängen auf eine rasche Verabschiedung vor der Amtseinführung Ruhanis und der Sommerpause des US-Kongresses im August, nachdem der israelische Premier Benjamin Netanjahu vor wenigen Wochen in einer politischen Fernsehsendung mit hohen Einschaltquoten dazu aufgerufen hatte, den Druck auf den Iran zu verstärken. Die USA sollten "glaubwürdig" mit Militäraktionen drohen, um Teheran dazu zu bewegen, seine Atompläne aufzugeben. Netanjahu nannte Ruhani einen "Wolf im Schafspelz".

Fünf Tage nach Netanjahus TV-Auftritt hatten 131 Abgeordnete, darunter 17 Republikaner, ein Schreiben an Obama unterzeichnet, in dem sie ihn aufforderten, "die Bemühungen der USA zur Sicherung eines ausgehandelten Atomabkommens zu verstärken", da die Wahl Ruhanis eine "potenzielle Chance" dazu biete. Irans künftiger Präsident hatte die Notwendigkeit betont, die Spannungen mit den Nachbarländern des Irans sowie dem Westen während und nach dem Wahlkampf abzubauen.

In dem Brief hieß es ferner, Washington solle zu einer Lockerung bilateraler und multilateraler Sanktionen gegen den Iran bereit sein, wenn am Verhandlungstisch "signifikante und überprüfbare Zugeständnisse" der Gegenseite erfolgten. Implizit wird in dem Brief vor neuen Sanktionen in einem so heiklen Moment gewarnt.

Mehrere Unterzeichner fordern jetzt ihre Kollegen auf, das Votum zu verschieben oder das Gesetz zumindest insoweit zu ergänzen, um Obamas Befugnis zur Aufhebung von Sanktionen zu erweitern statt zu beschränken. Während AIPAC zu dem Appell nicht öffentlich Stellung nahm, versuchte der Ausschuss informierten Kreisen zufolge Abgeordnete davon abzubringen, sich dem Vorstoß anzuschließen.


Twitter-Botschaft von Ruhani

Ruhani selbst begrüßte das Schreiben in dem sozialen Netzwerk 'Twitter': "131 Kongressabgeordnete haben einen Brief unterzeichnet, in dem Obama aufgefordert wird, mit Irans neuem Präsidenten dem Frieden eine Chance zu geben."

In dem von den Demokraten dominierten Oberhaus zirkuliert nun offenbar ein ähnliches Schreiben, das die kalifornische Senatorin Dianne Feinstein verfasst haben soll. Dass dieser Vorstoß Einfluss auf die neue Sanktionsgesetze nimmt, wird allerdings frühestens im Herbst erwartet.

Mehrere europäische Diplomaten, die mit Ruhani in den frühen 2000er Jahren zu tun hatten, als er für den Nuklearsektor zuständig war, betonten unterdessen, dass seine Präsidentschaft eine große Chance auf einen Durchbruch an dieser Front biete.

In einem Kommentar in der 'International Herald Tribune' schrieb François Nicoullaud, ein ehemaliger Botschafter Frankreichs im Iran, dass Ruhani nicht nur eine zentrale Rolle bei der Aushandlung eines Abkommens mit Frankreich, Großbritannien und Deutschland gespielt habe, das Teheran zur Beendigung seines Urananreicherungsprogramms verpflichtete. Er habe zudem ein geheimes Bewaffnungsprogramm der Revolutionsgarden beendet.

Zarifs Ernennung würde mit der wachsenden Überzeugung einhergehen, dass Ruhani ein geeigneter Gesprächspartner für Washington wäre - nicht nur bei Atomangelegenheiten, sondern auch mit Blick auf regionale Problemfälle wie Afghanistan und Irak.


Einflussreiche US-Kontakte

Während seiner Zeit bei den Vereinten Nationen schloss Zarif Bekanntschaft mit einflussreichen Politikern wie den damaligen Senatoren Feinstein, Joe Biden und Chuck Hagel. "Zarif ist ein harter Verhandlungspartner, aber er ist auch pragmatisch und nicht dogmatisch", erklärte der heutige US-Vizepräsident Biden gegenüber der 'Washington Post', als er 2007 nach Teheran zurückbeordert wurde. Der amtierende Verteidigungsminister Hagel fordert "direkte Kontakte" zwischen Washington und Teheran.

Zarif soll 2003 auch eine Schlüsselrolle bei der Abfassung eines Vorschlags für ein Abkommen zwischen dem Iran und den USA über alle offenen Fragen ausgeübt haben. Der Entwurf wurde über den Schweizer Botschafter in Teheran heimlich nach Washington geleitet, wo er von der damaligen Regierung von Präsident George W. Bush ignoriert wurde, die sich nach der raschen Einnahme des Iraks stark fühlte.

"In New York hat Zarif erfolgreich Brücken gebaut, ohne dass er von der offiziellen Position der Islamischen Republik abgewichen wäre", sagt Sick. "Er war aber in der Lage, diese Position auf eine nicht konfliktträchtige und fantasievolle Art vorzustellen, sodass die Leute die Worte und Handlungen des Irans verstehen konnten."

Nach einer Ernennung wäre Zarif aber auch auf die Zustimmung des iranischen Parlaments angewiesen, wo er starken Widerstand seitens der Hardliner zu erwarten hätte. Denn Zarif gilt als Vertrauter des früheren Präsidenten Mohammed Chatami. Das letzte Wort in dieser Sache könnte nun - wie bei anderen wichtigen außenpolitischen Fragen auch - der politische und religiöse Führer Ajatollah Chamenei haben. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.aipac.org/
http://www.ipsnews.net/2013/07/positive-signals-between-iran-and-u-s-intensifying/

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IPS-Tagesdienst vom 31. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2013