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OSTEUROPA/310: Arbeit in der Textilindustrie in Rumänien (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 109, 3/09

Globalisierung und Umbruch
Arbeit in der Textilindustrie in Rumänien

Von Veronika-Ana Sandu


Globale Produktion und ihre Organisation haben sich in den letzten drei Jahrzehnten signifikant verändert. Sowohl Produktion als auch internationaler Handel sind in stark fragmentierten und geografisch verstreuten Produktionsnetzwerken organisiert. In Zentral- und Osteuropa hat der EU-Beitritt die Gestaltung von Produktionsnetzwerken entscheidend beeinflusst. Der rumänische Bekleidungssektor war in den 1990er Jahren teilweise durch sweatshopähnliche Arbeitsbedingungen geprägt, die nach und nach durch gesetzliche Änderungen und durch internationale KonsumentInnenkampagnen verbessert wurden. Dennoch erhalten die Arbeiterinnen im Textilsektor, wo zu 90% Frauen beschäftigt sind, nur den Mindestlohn bzw. Akkordlöhne(1). Durch die prekäre finanzielle Situation migrieren viele Rumäninnen zum Arbeiten Richtung Westen in andere europäische Länder. Zunehmend werden daher Arbeitsmigrantinnen aus China, Vietnam, Bangladesch und den Philippinen angeheuert. Im Folgenden gibt Veronika-Ana Sandu, eine in der rumänischen Zivilgesellschaft tätige Akteurin, einen Einblick in die momentanen Verhältnisse der Textilindustrie und ihrer Arbeitsbedingungen in Rumänien.


Mein Name ist Veronika-Ana Sandu, ich bin Textilingenieurin und blicke auf eine 15-jährige Praxis in der textilverarbeitenden Industrie Rumäniens zurück. Seit mehr als neun Jahren arbeite ich in der Gewerkschaft auf lokaler und nationaler Ebene. 2004 gründete ich eine NGO in der Region Buzau.

Ich möchte gerne jenen Bereich kurz vorstellen, in welchem die Organisation Vereinigung der TextilarbeiterInnen in Buzau arbeitet. Als wir die Organisation gegründet haben, wollten wir sowohl den ArbeiterInnen als auch den Produzenten helfen. Vor dem Beginn der Krise haben wir verschiedene europäische Projekte für Unternehmen in der Textilindustrie eingereicht, die mit der Qualifizierung der TextilarbeiterInnen in Zusammenhang standen. So wurde z.B. 2007 das PHARE-Projekt genehmigt, das "Partnerschaftsprojekt für professionelles Training und lebenslanges Lernen in der Textilindustrie". Unser letztes genehmigtes Projekt konnte nicht durchgeführt werden wegen der gravierenden Auswirkungen der Krise und der rückläufigen Nachfrage nach Produkten.


Umbruch und Migration

In diesen Krisenzeiten haben sich sowohl die ArbeiterInnen als auch die Unternehmen großen Problemen zu stellen. Eine Schwierigkeit für die Fabriken ist die Steigerung der Preise für Gerätschaften. Dies führte dazu, dass Fabriken geschlossen werden mussten. Jene, die nicht schließen, geben den Druck auf die ArbeiterInnen weiter, indem diese mehr arbeiten müssen und Vergünstigungen wie Essensbons gestrichen werden.

Der Textilbereich befindet sich im Moment in einem schwindelerregenden Rückgang, viele Investoren wollen etwas von ihren Investitionen zurück haben. in jener Stadt, wo unsere Organisation tätig ist, leben 35.000 EinwohnerInnen. Hier befindet sich die größte Textilfabrik der Gegend; sie besteht seit 100 Jahren und wurde nun geschlossen und abgetragen. Die ArbeiterInnen suchten in anderen Fabriken Beschäftigung und das Land, auf dem die Fabrik stand, wurde an "Kaufland", eine internationale Einzelhandelskette, verkauft.

Vor kurzer Zeit sagte uns eine Arbeiterin, dass die Fabrik, in der sie gearbeitet hatte, die Löhne über zwei Monate nicht ausbezahlte. Sie haben zwar die Investoren verklagt, aber in jener Zeit hatten die Arbeiterinnen ihre Schulden abzahlen müssen und sie waren auch verzweifelt am Jobsuchen. Die Textilfabriken haben vorwiegend Frauen und weniger Männer als Personal. Werden sie geschlossen, so finden die Männer leichter in anderen Fabriken eine neue Arbeit, während dies den Frauen viel schwerer fällt. Viele der Arbeiterinnen gehen ins Ausland in der Hoffnung, den täglichen Unterhalt für die Familie aufbringen zu können, sie migrieren in entwickeltere Länder wie Spanien und Italien, um dort unqualifizierte Arbeiten zu verrichten, denn der Verdienst in der rumänischen Textilindustrie ist knapp am Mindestlohn. In der Regel wissen die Frauen, wo sie arbeiten und welchen Lohn sie erhalten werden. Meist werden sie von rumänischen Freundinnen unterstützt, die bereits in jenen Ländern leben. Ihre eigenen Familien zu Hause leiden, denn die Migrantinnen lassen ihre Kinder zurück. Es gibt nun Bestrebungen von Seiten der NGOs, den Kindern der Migrantinnen zu helfen.


Arbeitskräfteersatz aus Asien

Jene Fabriken, wo die Migrantinnen vormals gearbeitet haben, müssen nun andere Arbeitskräfte anwerben. Ein Beispiel dafür ist eine Textilfabrik in Bacau, die chinesische Arbeiterinnen anheuerte. Sie arbeiten für 400,- monatlich, davon müssen sie auch ihre Unterkunft und ihre Verpflegung bezahlen. Rumäninnen gehen also in andere Länder und arbeiten dort für niedrigere Löhne als die dortigen Arbeiterinnen. Und in Rumänien passiert das gleiche durch den freien Zuzug von Arbeiterinnen aus Niedriglohnländern wie Moldavien, Bangladesch und Vietnam. Diese Arbeiterinnen passen sich sehr schnell an und ersetzen den Mangel an Arbeitskräften. Es ist derzeit eine gute Lösung, denn es ist bekannt, dass 200.000 RumänInnen außerhalb Rumäniens leben und arbeiten.(2)

Unserer Information nach gibt es im Bezirk Buzau keine Fabriken mit südasiatischen ArbeiterInnen, aber wir haben sehr aufmerksam verfolgt, was im Bezirk Bacau passiert ist. Dort wurden asiatische Arbeiterinnen über Anwerbefirmen gegen Kommissionszahlungen rekrutiert. Jene Fabriken, die chinesische Arbeiterinnen anheuern - egal ob sie nun mit rumänischem oder ausländischem Kapital arbeiten -, müssen auf ihren Produkten das Label mit der Aufschrift "Made in Rumania" anbringen, sodass es rumänischer Export ist.

In Buzau wollte man die einheimischen und die asiatischen Arbeiterinnen trennen, indem man neue Fabriken im asiatischen Stil anlegte, wobei der gemeinsame Schlafbereich der Arbeiterinnen in der Nähe der Arbeitsstelle liegt. Dann rekrutierten sie Personal über Anwerbefirmen in China. Die Ankunft dieser chinesischen Arbeiterinnen hat alle FabriksarbeiterInnen sehr überrascht, denn sie vermuteten, dass die Chinesinnen für ihre Arbeitsplätze eine große Gefahr darstellen und die Asiatinnen eventuell niedrigere Löhne akzeptieren würden. Es stellte sich aber heraus, dass den Chinesinnen sehr wenig Geld übrig blieb, nachdem ihnen vom Lohn ihre Vertragsschulden, die Steuern, die Unterkunft und die Verköstigung abgezogen wurde. Daraufhin fuhren sie heim, aber nicht ohne vorher noch einen Streik veranstaltet zu haben. Daraufhin beruhigten sich die rumänischen Arbeiterinnen.(3)

Die sozialen Effekte der Globalisierung bringen auch positive Aspekte mit sich, die Arbeiterinnen haben die Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag für andere europäische Länder zu erhalten und dadurch ist es ihnen möglich, ihre Familien zu unterstützen.(4)


Vernetzung als Ausweg

In einer Zeit, in der die Textilfabriken geschlossen werden, ist es notwendig, dass andere Industriezweige wie die Elektronikzubehörfabriken Arbeitsplätze für jene Frauen offerieren, die nicht ins Ausland arbeiten gehen können. Auf diese Weise können sie in neue Bereiche umgeschult werden. Unsere NGO versuchte Netzwerke zwischen den Unternehmern der Textilfabriken zu schaffen und gleichzeitig den Arbeiterinnen in einer schwierigen Situation zu helfen.

2008 war unsere NGO eine Partnerin des europäischen PHARE-Projekts zum professionellen Training und Beistand für das Topmanagement von Firmen in der Region Buzau. In diesem Projekt war ich Trainerin für das Qualitäts-Management in der Textilindustrie und ich habe dabei mit zwölf Management-Repräsentanten von acht Unternehmen in der Stadt Ramnicu Sarat und zehn Repräsentanten von sechs Unternehmen in der Stadt Buzau zusammengearbeitet. Die Zusammenarbeit war sehr erfolgreich, denn, obwohl das Topmanagement im Moment sehr beschäftigt ist mit der aktuellen Krise, konnten sie sich dennoch vier Tage dafür frei nehmen und schließlich das System des Qualitätsmanagements in ihren Fabriken einführen. Und die Pausen im Kurs nutzten sie, um sich zwischen den Management-Repräsentanten zu vernetzen und auch eine Verbindung zwischen den Managern und den NGOs herzustellen.


Anmerkungen:

(1) Vgl. AK-Paper von Plank L., Staritz C., Lukas, K.: Labour rights in global production networks: an analysis of the apparel and electronics sector in Romania (Wien 2009).

(2) http://www.gandul.info/economia/romania-va-deveni-importator-de- forta-ieftina-de-munca.html3936;2761346

(3) http://stiri.rol.ro/content/view/31823/3/

(4) http://www.zf.ro/profesii/300-000-de-straini-i-ar-putea-inlocui-pe-romani-la-munca-3178188/


Zur Autorin:
Veronika-Ana Sandu hat langjährige Gewerkschaftserfahrung in der rumänischen Textilindustrie und leitet seit 2004 eine NGO in der Region Buzau in Rumänien, wo sie auch lebt.

Übersetzung aus dem Englischen: Helga Neumayer


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 109, 3/2009, S. 8-9
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Senseng 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2009