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OZEANIEN/037: Pazifik - Autonome Region Bougainville muss bis 2020 über Unabhängigkeit abstimmen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Juni 2015

Pazifik: Autonome Region Bougainville muss bis 2020 über Unabhängigkeit abstimmen

von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Die Stadt Buka, in der die neue Regierung der autonomen Region Bougainville am 15. Juni in ihr Amt eingeführt wurde
Bild: © Catherine Wilson/IPS

CANBERRA, AUSTRALIEN (IPS) - Nach der Wiederwahl ihres Präsidenten John Momis steht die autonome Region Bougainville im Osten von Papua-Neuguinea vor tiefgreifenden Veränderungen. Der ehemalige katholische Priester will innerhalb der kommenden fünf Jahre ein Unabhängigkeitsreferendum durchführen lassen.

Der Volksentscheid ist Teil des Friedensabkommens von 2001, das einen langen Bürgerkrieg in dem Gebiet mit etwa 300.000 Einwohnern beendete.

Momis, der seit mehr als 40 Jahren eine herausragende Rolle in der nationalen Politik spielt, wurde im letzten Monat mit einer überwältigenden Mehrheit von 51.382 Stimmen im Amt bestätigt. Sein größter Rivale kam lediglich auf 18.466 Stimmen. Seit Einsetzung einer Regierung in der autonomen Region im Jahr 2005 hat er zwei der drei Wahlen gewonnen.

"Wir stehen an der Schwelle zu den wichtigsten fünf Jahren in unserer Geschichte. Um in diesem Zeitraum alles Notwendige zu erreichen, brauchen wir große Geschlossenheit, eine enorme Zielstrebigkeit, viel Energie und ein unerschütterliches Bekenntnis zu dem Kurs, den wir eingeschlagen haben", sagte Momis bei der Amtseinführung des neuen Kabinetts am 15. Juni in der im Norden von Bougainville gelegenen Stadt Buka.


Lange Fremdherrschaft

Das Referendum entspricht dem lang gehegten Wunsch der meisten Kandidaten und der mehr als 172.000 registrierten Wähler nach einer politischen und wirtschaftlichen Kontrolle über die Inseln. Mehr als ein Jahrhundert lang war Bougainville von Deutschland, Großbritannien und Australien verwaltet worden, bevor die Region dem Staat Papua-Neuguinea bei dessen Gründung 1975 zugeschlagen wurde.

Von 1989 bis 1997 herrschte in dem Land Bürgerkrieg. Auslöser des Konflikts waren die Wut in der Bevölkerung über die ungleiche Verteilung des Wohlstands und die Umweltschäden, die durch die Kupferförderung in der Panguna-Mine verursacht worden waren. Das Vorgehen des australischen Bergwerkbetreibers 'Bougainville Copper Ltd.', einer Tochterfirma des britischen Branchenriesen 'Rio Tinto', ließ das Autonomiestreben der Bewohner Bougainvilles weiter erstarken.


Land will natürliche Ressourcen selbst verwalten

Über die Hälfte der Einnahmen aus dem Minenbetrieb in Höhe von etwa zwei Milliarden US-Dollar zwischen 1972 und 1989 wurde von Rio Tinto beansprucht. 19,06 Prozent strich die Regierung Papua-Neuguineas ein. Die Bevölkerung von Bougainville fordert nun, selbst über die Entwicklung der Region und ihrer Bodenschätze zu bestimmen.

Der Grundbesitzer Peter Arwin aus Zentral-Bougainville erwartet von der Regierung, dass sie "ernsthafte Verhandlungen über das Referendum und eine mögliche Unabhängigkeit" aufnimmt. Landeigentümer erhielten damit die Chance, an unabhängigen Entscheidungen über die Verwendung der Ressourcen beteiligt zu werden.

Auch die Frauen in Bougainville halten unbeirrt an dem Vorsatz fest, ihre Stimmen in der öffentlichen Debatte und bei der Entscheidungsfindung zu Gehör zu bringen. Immerhin ziehen vier weibliche Abgeordnete in das Parlament mit insgesamt 39 Sitzen ein. Barbara Tanne, Leiterin des Frauenverbands von Bougainville, erklärte, die Regierung müsse die drei Hauptbestandteile des Friedensabkommens umsetzen. Demnach muss das Unabhängigkeitsreferendum bis spätestens 2020 abgehalten werden. Die weiteren Punkte beziehen sich auf gute Regierungsführung und erfolgreiche Abrüstung.

Aus kürzlich verbreiteten Berichten geht hervor, dass Dorfgemeinschaften und ehemalige Milizionäre noch immer um die 2.000 Waffen in ihrem Besitz haben. Die Wiederherstellung der Einheit sei noch nicht abschlossen, heißt es. Die Unabhängigkeit wird sowohl von Graswurzelgruppen als auch von der Elite des Landes als wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung von Bougainville gesehen.


Gesundheits- und Bildungssektor wiederaufgebaut

Momis betonte in seiner Amtsantrittsrede, dass Bougainville seit den späten 1990er Jahren Fortschritte bei der Instandsetzung des im Krieg zerstörten Gesundheits- und Bildungssystems erzielt habe. Dennoch seien die Standards niedriger als vor Ausbruch des Konflikts. Diese Probleme müsse die neue Regierung lösen, so der Präsident.

Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen Maßnahmen gegen die hohe Arbeitslosigkeit und die Alphabetisierung von Jugendlichen, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Schätzungsweise 56 Prozent der Bewohner Zentral-Bougainvilles haben zudem keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In vielen Familien wird Gewalt gegen Frauen ausgeübt, offenbar die Folge unbehandelter Kriegstraumata.

Doch selbst wenn die Mehrheit der Bevölkerung bei dem Referendum mit Ja stimmen sollte, könnte die Regierung von Bougainville nur dann selbständig agieren, wenn die Regierung von Papua-Neuguinea in einer gemeinsamen Erklärung bestätigt, dass die Bedingungen des Friedensabkommens erfüllt worden sind.

Eine Autarkie der Finanzverwaltung zu erreichen, die entscheidend für die Bereitstellung von Infrastruktur und Dienstleistungen wäre, ist ein ebenso großes Problem. Im vergangenen Jahr schossen die Regierung Papua-Neuguineas und internationale Geber insgesamt 89 Prozent zu dem öffentlichen Haushalt Bougainvilles von umgerechnet etwa 114 Millionen Dollar zu.

Um die Staatseinnahmen zu erhöhen, denken politische Führer in der Region über die umstrittene Rückkehr zum Bergbau und die Entwicklung der Agrarindustrie nach. In den nächsten fünf Jahren muss die Regierung unter Beweis stellen, ob sie die Wünsche der Wähler nach Gleichheit und inklusiver Entwicklung erfüllen kann. (Ende/IPS/ck/25.06.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/06/bougainville-election-intensifies-hopes-for-independence/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2015

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