Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

USA/283: Obamas Anmaßung - 24-Stunden-Visite in Ghana (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 13. Juli 2009

Obamas Anmaßung

Von Rainer Rupp


Seine Abreise vom G8-Gipfel im italienischen L'Aquila führte US-Präsident Barack Obama zu einer 24-Stunden-Visite in Ghana. Am Samstag traf er dort unter riesigem Jubel der Bevölkerung ein. Die Menschen sehen den schwarzen Präsidenten als einen der Ihren an. In seiner Rede vor dem ghanaischen Parlament richtete Obama das Wort an ganz Afrika. Im Gegensatz zu seinen vorhergegangenen Antrittsbesuchen in Europa, Südamerika und im Mittleren Osten, trat er in Ghana jedoch nicht in der bescheidenen Pose des Fragestellers auf, der lediglich gekommen sei, um zuzuhören und die Probleme seiner Gastgeber besser zu verstehen und dem es fern liege, amerikanische Order zu erteilen. In Accra präsentierte sich der US-Präsident als jemand, der Afrikas Probleme durchschaut hat und nun gekommen war, den Weg zu weisen. Obwohl er selbst nie in Afrika gelebt hat und den Kontinent nur von wenigen Besuchen kennt, glaubt Obama offensichtlich, seine dunkle Hautfarbe und seine, ihm weitgehend fremde, afrikanische Verwandtschaft verleihe ihm bereits die Qualifikation, Afrika Lektionen zu erteilen.

Ohne auf die materiellen Ursachen der gesellschaftlichen Mißstände in Afrika einzugehen, geißelte Obama in Accra deren Symptome wie Korruption, Gewalt, Kriege, Kindersoldaten und forderte zugleich Eigentumsrechte und Rechtsstaatlichkeit. Dabei schlug der neue schwarze »Master« im Weißen Haus einen weitaus schärferen Ton an, als seine beiden weißen Vorgänger Bush und Clinton bei deren Afrika-Besuchen. Zudem versprach Obama, daß Amerika »Wandel« und »Hoffnung« nach Afrika bringen werde. Denn, so Obama im O-Ton: »Wenn es Völkermord in Darfur gibt oder Terroristen in Somalia, dann sind das nicht einfach afrikanische Probleme - sie sind weltweite Herausforderungen für die Sicherheit, und sie verlangen eine globale Antwort.«

An einer solchen Antwort bastelt Obamas Botschafterin bei der UNO, die neokonservative Afroamerikanerin Susan Rice, schon seit langem, mindestens seit sie unter Präsident Clinton als Staatssekretärin für Afrika im US-Außenministerium den Plan verfolgte, mit Hilfe eines damals noch aufzustellenden und inzwischen geschaffenen US-militärischen Oberkommandos für Afrika (AFRICOM) und mit anderen militärischen Programmen die wichtigsten afrikanischen Länder zu durchdringen.

Derzeit bemüht sich Susan Rice in den Vereinten Nationen um die Akzeptanz einer neuimperialen US-Doktrin unter dem Deckmantel humanitärer Interventionen in Afrika. So sind laut einer Erklärung des US-Außenministeriums vom 29. Juni 2009 friedenserhaltende Missionen der UN »nicht immer die richtige Antwort«, insbesondere für Afrika. Bestimmte Situationen verlangten vielmehr mit stillschweigender Zustimmung des UN-Sicherheitsrats eine US-geführte militärische Intervention, der sich andere regionale oder multinationale Kräfte anschließen könnten.

Das Ganze wird mit der »Responsibility to Protect«- bzw. der R2P-Doktrin rechtfertigt, die unter Federführung von Rice, die Obama nahesteht, entwickelt wurde. Laut dieser »Verantwortung-zu-schützen«-Doktrin stehen Nationen in der Pflicht, gewaltsam zu intervenieren, falls ein Staat nicht bereit oder nicht fähig ist, seine Bevölkerung zu schützen oder seinen anderen Verpflichtungen nachzukommen. Wie zur Bestätigung sagte Obama in Ghana: »Wir haben die Verantwortung, diejenigen zu unterstützen, die verantwortungsvoll handeln, und diejenigen zu isolieren, die das nicht tun, und genau das wird Amerika tun.«


*


Quelle:
junge Welt vom 13.07.2009
mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion
Überregionale Tageszeitung junge Welt
Torstraße 6, 10119 Berlin
Telefon: 030/53 63 55-0; Fax: 030/53 63 55-44
E-Mail: redaktion@jungewelt.de
Internet: www.jungewelt.de

Einzelausgabe: 1,20 Euro (Wochenendausgabe: 1,60 Euro)
Abonnement Inland:
monatlich 28,90 Euro, vierteljährlich 84,10 Euro,
halbjährlich 166,40 Euro, jährlich 329,40 Euro.
Sozialabo:
monatlich 22,10 Euro, vierteljährlich 64,30 Euro,
halbjährlich 127,30 Euro, jährlich 251,90 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2009