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USA/311: Kein Todesgift für die Henker - London stoppt Exporte nach USA (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Dezember 2010

Menschenrechte:
Kein Todesgift für die Henker - London stoppt Exporte nach USA

Von William Fisher


New York, 1. Dezember (IPS) - Nach massiven Protesten und Eingaben von Menschenrechtsaktivisten hat die britische Regierung ein Exportverbot für Sodiumthiopental verhängt. Der Wirkstoff ist Teil der tödlichen Mischung, mit der zahlreiche US-Staaten zum Tode Verurteilte hinrichten. Nach Medienberichten gehen den US-Gefängnissen die für die tödlichen Injektionen benötigten Vorräte des Barbiturats aus.

Der liberale Staatssekretär für Wirtschaft, Innovation und Expertise, Vince Cable, der sich lange gegen das Exportverbot gestemmt hatte, gab den Regierungsbeschluss bekannt. Vorausgegangen war eine wochenlange Kampagne der renommierten britischen Rechtshilfeorganisation 'Reprieve'.

Unterstützt von der renommierten, auf medizinische Rechtshilfe spezialisierten britischen Anwaltskanzlei Leigh Day erklärte 'Reprieve' in einer Stellungnahme: "Wir haben überprüft, dass aus Europa kein Sodiumthiopental zu medizinischen Zwecken in die USA exportiert worden ist. Nach den Vorschriften der US-amerikanischen Lebens- und Arzneimittelbehörde (Food & Drug Administration) wäre ein solcher Import illegal."


Lob für kooperativen Pharmakonzern

Die Hilfsorganisation lobte den internationalen, auf Schmerzmittel spezialisierten Pharmakonzern 'Archimedes Pharma'. "Auch wenn er vielleicht unwissentlich Mittel herstellt, mit denen Todeskandidaten hingerichtet werden, hatte er keinen Einwand gegen das britische Exportverbot von Sodiumthiopental", betonte die Menschenrechtsorganisation. "Das Unternehmen hat zudem Bemühungen um den Nachweis unterstützt, dass diese Stoffe auch nicht auf legalem Weg in die USA exportiert wurden."

Clive Stafford Smith, Direktor und Gründer von 'Reprieve', betonte: "Es besteht dringender Handlungsbedarf. Das für Strafvollzug und Rehabilitierung zuständige kalifornische Ministerium hat bereits angekündigt, man erwarte noch in diesen Tagen, möglicherweise auch aus Großbritannien, Pharmaka, die für 86 Hinrichtungen ausreichten. Dies muss die britische Regierung verhindern, denn sie ist für die Verzögerung des Ausfuhrverbots verantwortlich."

Stafford Smith fand ebenfalls anerkennende Worte für Archimedes Pharma. "Sie haben das Richtige getan und gehandelt. Andere Unternehmen sollten daraus lernen und ihr ethisches Engagement nicht auf Worte beschränken."

Auch wenn die im obligatorischen Hinrichtungsprotokoll dokumentierten Bestandteile der Giftinjektion für Todeskandidaten knapp werden, sind in den USA weiterhin Menschen von der Todesstrafe bedroht. Im Bundesstaat Arizona wurde Jeffrey Landrigan am 25. Oktober mit der aus Großbritannien gelieferten Giftmischung hingerichtet, obwohl der Richter, der ihn verurteilt hatte, ein Gnadengesuch eingereicht hatte. "In Arizona reichen die aus Großbritannien stammenden tödlichen Giftstoffe noch für weitere drei Exekutionen", berichtete Reprieve.

Derzeit wartet in einem Gefängnis des US-Bundesstaates Tennessee der zum Tode verurteilte Ed Zagorski auf seine Hinrichtung durch Gift. Der 56-Jährige hat fast 27 Jahre im Todestrakt verbracht. Der Exekutionstermin wurde für den 11. Januar 2011 angesetzt, die Stoffe liefert offensichtlich die gleiche britische Firma. Am 28. Oktober appellierten Reprieve und Leigh Day an die britische Regierung, unverzüglich dafür zu sorgen, dass England nicht zum Komplizen wird, sollte Zagorski hingerichtet werden.

London beantwortete die Forderung mit dem Hinweis, es werde weder einen sofortigen noch einen zeitlich begrenzten Exportstopp für Sodiumthiopental geben, da das Mittel in den USA zur medizinischen Behandlung verwendet werde. Zudem hatten die Behörden in Tennessee versichert, man erwarte die Stoffe nicht vor dem 25. November. Dazu meinte Reprieve: "Wie es aussieht haben Tennessees Behörden alle belogen, denn sie erhielten die Pharmaka bereits am 26. Oktober, und zwar aus bislang geheimen, möglicherweise britischen Quellen."

Todeskandidat Zagorski, ein, wie Reprieve versichert, vorbildlicher Gefangener, hat immer seine Unschuld beteuert. Die Organisation Ärzte für Menschenrechte vermutet in einem Gutachten, der Gefangene sei "gefoltert" und dadurch zur Selbstanklage gebracht worden. In Zakorskis erstem Prozess hatte der Staatsanwalt eine lebenslange Haftstrafe mit der Aussicht auf Bewährung beantragt.

In 35 US-Bundesstaaten wurden seit 1976 1.233 Gefangene exekutiert, allein in diesem Jahr waren es 47 (2009: 52). Die meisten Todesurteile (466) wurden in Texas und Virginia (108) vollstreckt. 138 Todeskandidaten entkamen dank moderner Untersuchungsmethoden von DNA-Spuren dem Henker. Derzeit warten 3.261 Menschen in den Todestrakten von US-Gefängnisse auf ihre Hinrichtung. (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.reprieve.org.uk/
http://www.leighday.co.uk/
http://www.physiciansforhumanrights.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53727

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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2010