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USA/361: Drohnen für die Verbrechensbekämpfung, Bürgeraktivisten protestieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Dezember 2012

USA: Drohnen für die Verbrechensbekämpfung - Bürgeraktivisten protestieren

von Judith Scherr


Friedensaktivisten in Kalifornien protestieren gegen Drohnen - Bild: © Dave Patterson/IPS

Friedensaktivisten in Kalifornien protestieren gegen Drohnen
Bild: © Dave Patterson/IPS

Oakland, Kalifornien, 11. Dezember (IPS) - Mit unbemannten Luftfahrtzeugen - besser bekannt als Drohnen - jagt das US-Militär bisher seine Feinde im Ausland. Nun sollen sie auch bei der Verbrechensbekämpfung innerhalb der eigenen Grenzen eingesetzt werden. Dagegen regt sich in der Bevölkerung heftiger Protest.

Befürchtet wird, dass die Drohnen in die Privatsphäre der Menschen eindringen und etwa politische Aktivisten bespitzeln könnten. "Sie für die Informationsgewinnung einzusetzen ist Spionage", protestiert Linda Lye von der Bürgerrechtsgruppe der 'Northern California American Civil Liberties Union' (ACLU), die in der Innenstadt von Oakland die Öffentlichkeit auf die Risiken der neuen Pläne hinweist.

Zuvor war bekannt geworden, dass der Sheriff des Verwaltungsbezirks Alameda die Finanzierung einer Drohne beantragt hatte. Auf Druck von ACLU zog er sein Gesuch allerdings wieder zurück. Ein offizielles Komitee zum Schutz der Öffentlichkeit will sich im Januar näher mit dem Thema befassen.

"Die öffentliche Ordnung darf nicht durch heimliche Angriffe auf die Privatsphäre der Menschen aufrecht erhalten werden", meint Lye. Vor der Anschaffung von Spionagedrohnen müsse klar sein, welche Schutzvorschriften zu gelten hätten.

Auf Bundesebene beginnt sich auch der Kongress in Washington mit der Frage auseinanderzusetzen. Im Juni wurde in beiden Kammern ein Gesetzentwurf zum Schutz der Freiheit vor unrechtmäßiger Überwachung eingebracht. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, müssten die Behörden vor dem Einsatz von Drohnen bei der Überwachung im Inland eine Genehmigung einholen. Ein weiteres geplantes Gesetz sieht vor, dass die unbemannten Luftfahrzeuge nur bei der Aufklärung von Schwerverbrechen verwendet werden dürften.


Zustimmung Obamas zu Gesetz über Drohneneinsätze

Staatspräsident Barack Obama unterzeichnete im Februar ein Gesetz, das der nationalen Luftfahrtbehörde FAA weitreichende Vollmachten für den Einsatz von Drohnen im Inland ab 2015 gibt. Das Amt erließ Vorschriften, denen zufolge die Sicherheitsbehörden Drohnen mit einem Gewicht von höchstens zwei Kilo bei Tageslicht nutzen können, solange sie weniger als 121 Meter über dem Boden fliegen und in Sichtweite der Person bleiben, die sie steuert.

Senator Edward Markey aus dem Bundesstaat Massachusetts warf der FAA jedoch Ende November vor, sich in einer Grauzone zu bewegen, was den Schutz der Privatsphäre bei Drohneneinsätzen im Inland angehe. Er forderte von der Behörde Aufklärung darüber, wie sie die Öffentlichkeit zu informieren gedenke, wo welche Drohnen eingesetzt werden sollten, wer sie bedienen dürfe, welche Daten gesammelt würden und was danach mit diesen Daten geschehe. "Solange diese Fragen nicht beantwortet sind", so Markey, "kann nicht garantiert werden, dass das Recht der Amerikaner auf Datenschutz durch diese neuen 'Augen am Himmel' respektiert wird."

Die Aktivisten in Oakland befürchten, dass die Drohnen dort zur Überwachung großer Menschenmengen verwendet werden könnten. "Jeder denkt dabei natürlich gleich an 'Occupy Oakland' ", meint Trevor Timm von der 'Electronic Frontier Foundation', der sich damit auf Polizeiwillkür gegen Globalisierungsgegner in der Stadt bezieht.

Dabei ist Alameda nur einer von zahlreichen Verwaltungsbezirken in den USA, die finanzielle Mittel für die Anschaffung von Überwachungsdrohnen fordern. Sie rechtfertigen ihr Anliegen mit der Suche nach vermissten Kindern und entflohenen Sträflingen.

Politische Beobachter, die sich um die Privatsphäre der Bürger sorgen, weisen jedoch darauf hin, dass die Kameras der unbemannten Luftfahrzeuge auch Wände und Zimmerdecken überwinden können. Mobiltelefonate können ebenso überwacht werden wie SMS. Nummernschilder von Autos können registriert werden. Eine Zielperson kann somit lückenlos kontrolliert werden.

Einige für den Einsatz im Inland geeignete Drohnen wie 'ShadowHawk', die von der Gemeinde Monterey in Texas gekauft wurde, können mit Tränengas und Gummigeschossen ausgerüstet werden.


Waffenindustrie sucht neue Absatzmärkte

Dahinter steht offensichtlich eine Kampagne der Rüstungsindustrie, die angesichts des Abflauens des Kriegs in Afghanistan neue Absatzmöglichkeiten sucht. "Auch wenn man meint, der Markt für Drohnen könne nicht weiter wachsen, tut er es doch", erklärt der Experte Larry Dickerson, der auf der Website 'Defense Professionals' zitiert wird. "Ganz gleich, wie viele solcher Systeme gebaut werden: Es werden immer mehr nachgefragt."

Nach Einschätzung von Dickerson könnte der Umsatz des Sektors im Laufe der nächsten zehn Jahre rund 70,9 Milliarden US-Dollar erreichen. Der zivile Markt hätte daran einen Anteil von 600 Millionen bis einer Milliarde Dollar.

Die Unternehmen erhalten Rückenwind von einem Kongressausschuss mit 60 Mitgliedern, der sich speziell mit unbemannten Luftfahrzeugen beschäftigt. Diese Abgeordneten hätten in den vergangenen vier Jahren acht Millionen Dollar für Drohnen-relevante Kampagnen kassiert, so der Medienkonzern 'Hearst Newspaper' und das 'Center for Responsive Politics' ermittelten.

In Buffalo, New York und Portland drängen Bürgergruppen die Behörden, den Einsatz von Drohnen im Luftraum über den Städten gänzlich zu verbieten. In Syracuse im Bundesstaat New York fordern Aktivisten, das Gebiet zur 'drohnenfreien Zone' zu erklären. Sie berufen sich dabei auf die US-Staatsverfassung.

In Kalifornien demonstriert die Gruppe 'San Diego Veterans for Peace' jeden Donnerstag in der Nähe des Drohnenproduzenten 'General Atomics'. Anders als in Kalifornien sind in Seattle im Bundesstaat Washington bereits unbemannte Luftfahrzeuge angeschafft worden - allerdings nur zu Ausbildungszwecken. Auch hier wurde die Bevölkerung nicht darüber informiert, dass Bundesmittel beantragt und 2010 an die Stadt ausgeliefert wurden.

Der Stadtrat von Seattle und die Bürger bekamen erst Wind von der Sache, als die Non-Profit-Organisation 'Electronic Frontier Foundation', die sich für den Schutz der Bürger vor digitalen Übergriffen einsetzt, das 82.500 Dollar teure Geschäft im April dieses Jahres mit Hilfe des Gesetzes für das Recht der Bürger auf Information aufdeckte. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.opensecrets.org/
https://www.aclunc.org/
https://www.eff.org/
http://www.ipsnews.net/2012/12/drones-come-home-to-u-s-privacy-activists-dismay/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2012