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USA/387: Vietnam - US-Senator fordert höhere US-Beträge für die Beseitigung von Agent Orange (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Juli 2015

Vietnam: US-Senator fordert höhere US-Beträge für die Beseitigung von Agent Orange

von Zhai Yun Tan


Bild: © naturalbornstupid/CC-BY-SA-2.0

Von 1961 bis 1972 waren schätzungsweise 4,5 Millionen Vietnamesen der Gefahr ausgesetzt, sich mit Agent Orange zu vergiften
Bild: © naturalbornstupid/CC-BY-SA-2.0

WASHINGTON (IPS) - US-Senator Patrick Leahy und der renommierte Think Tank 'Center for Strategic and International Studies' (CSIS) haben die Regierung in Washington aufgefordert, die Mittel für die Beseitigung des im Vietnamkrieg (1955-1975) versprühten Entlaubungsmittels 'Agent Orange' zu erhöhen.

Leahy, der sich seit langem für eine Entschädigung vietnamesischer Kriegsopfer einsetzt, appellierte Ende Juni in einer Rede im CSIS an die Regierung, diesbezüglich mehr Engagement zu zeigen. Ein solcher Schritt würde die neu geknüpften Beziehungen zwischen den beiden Staaten weiter stärken, sagte er.

Ähnlich äußerte sich Charles Bailey, der ehemalige Leiter des Agent-Orange-Vietnam-Programms des 'Aspen Institute'. Die auf mehrere Jahre angelegte Initiative befasst sich mit den Auswirkungen der Chemikalie auf Mensch und Umwelt in dem südostasiatischen Land. Die USA hatten zwischen 1961 und 1970 in Vietnam etwa 72 Millionen Liter Herbizide wie Agent Orange versprüht.

Nach Aussagen von Pham Quang Vinh, Vietnams Botschafter in Washington, gibt sein Land jedes Jahr 45 Millionen US-Dollar aus, um die durch Agent Orange und andere von den USA im Vietnamkrieg eingesetzte Herbizide verursachten Schäden zu beheben. "Wir könnten das Ziel erreichen, bis 2020 sämtliche Dioxin- und Agent Orange-Rückstände zu beseitigen." Allerdings sei mehr Hilfe erforderlich.

Schätzungsweise 4,5 Millionen Vietnamesen waren im Vietnamkrieg der Gefahr ausgesetzt, sich mit Agent Orange zu vergiften. Das Vietnamesische Rote Kreuz geht davon aus, dass drei Millionen Menschen direkt betroffen waren, darunter etwa 150.000 Kinder. Sie wurden mit Missbildungen geboren. Viele Vietnamesen erkrankten an Krebs oder Herzkrankheiten oder erlitten Leber- und Hautschäden. Auch psychische Erkrankungen waren die Folge. Die Kinder und sogar die Enkel derjenigen, die mit der Chemikalie in Berührung kamen, müssen mit Behinderungen und Krankheiten leben.

Große artenreiche Waldareale wurden zerstört. Viele Spezies sind weiterhin vom Aussterben bedroht. In einigen Gebieten wurden die Flüsse und unterirdische Wasserquellen vergiftet. Zudem begünstigte der Einsatz der Herbizide Erosion und Wüstenbildung. Einstmals fruchtbares Ackerland wurde vernichtet.


Hilfen gehen an Bevölkerung vorbei

Die USA finanzieren die derzeitigen Hilfseinsätze in Vietnam über ihre Entwicklungsbehörde USAID. Laut Bailey sind bislang etwa 136 Millionen Dollar bereitgestellt worden. Etliche politische Beobachter sind jedoch der Ansicht, dass Washington deutlich mehr tun könnte. Merle Ratner von der 'Vietnam Agent Orange Relief and Responsibility Campaign' kritisiert, dass lediglich ein kleiner Teil der Gelder die Bevölkerung erreicht habe. Der Löwenanteil gehe an internationale Organisationen, die mit den Arbeiten vor Ort beauftragt seien. Ratner plädiert hingegen dafür, die Mittel vietnamesischen Vereinigungen bereitzustellen.

Vietnam ist in den USA wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, nachdem sich die Länder einander angenähert haben. Beide Staaten sind zunehmend besorgt über die Machtdemonstrationen Chinas im Südchinesischen Meer. Auf Teile des Seegebiets erheben Vietnam, die Philippinen, Taiwan und Malaysia Anspruch.

Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei in Vietnam, Nguyen Phy Trong, plant für dieses Jahr einen Besuch in den USA. Zum ersten Mal wird ein Parteichef des Landes eine solche Reise unternehmen. Die Annäherung der beiden Länder hilft Leahy, sein Anliegen voranzubringen.

Anfang des neuen Jahrtausends war er noch auf erbitterten Widerstand gestoßen. So weigerte sich Washington, für die vom US-Militär verursachten Zerstörungen die Verantwortung zu übernehmen.

Während des Krieges waren schätzungsweise zwei Millionen Vietnamesen und 55.000 US-Soldaten getötet worden. Aus Handelsinteressen legte Vietnam das Problem zeitweise auf Eis. 1995 nahmen Washington und Hanoi umfassende diplomatische Beziehungen auf. Doch erst 2002 hielten beide Regierungen eine gemeinsame Konferenz über die Folgen von Agent Orange und anderen Herbiziden für Vietnam und seine Bevölkerung ab.

Im Dezember 2014 überführte Präsident Barack Obama ein Gesetz in geltendes Recht, das die Bereitstellung von Finanzmitteln zur Säuberung der durch Dioxin verseuchten Gebiete in Vietnam ermöglicht. Ein Großteil dieser Gelder ist für ein Reinigungsprojekt auf der ehemaligen US-Militärbasis Da Nang in rund 800 Kilometer Entfernung von der Hauptstadt Hanoi bestimmt. Das Vorhaben soll 2016 abgeschlossen werden.

US-Truppen versprühten Agent Orange und andere Unkrautvertilgungsmittel breitflächig über die ländlichen Regionen des Landes. Millionen Hektar Wald wurden zerstört, die den aufständischen Vietkong und ihren nordvietnamesischen Verbündeten als Verstecke und Nahrungsquellen dienten. Zwei Drittel der eingesetzten Herbizide enthielten Dioxin. Nach Erkenntnissen des Nationalen Instituts für Umweltmedizin in den USA führt der Kontakt mit Dioxin unter anderem zu Krebs- und Diabeteserkrankungen. Eine 1969 veröffentlichte Studie kam zu dem Schluss, dass das Herbizid bei Versuchstieren im Labor Geburtsschäden auslöste. Die US-Armee stellte daraufhin 1970 den Einsatz von Agent Orange ein.


Steigende Zahl von Missbildungen

Studien, die 1994 in den USA veröffentlicht wurden, bestätigten ferner eine steigende Zahl missgebildeter Kinder von US-Kriegsveteranen. Da der Zusammenhang zwischen Agent Orange und angeborenen Behinderungen noch immer nicht zweifelsfrei belegt ist, können Vietnam-Veteranen in den USA keine Entschädigungen für ihre kranken Kinder einfordern.

Aktivisten in den Vereinigten Staaten begrüßen zwar das neue Hilfsprogramm Washingtons, beharren aber darauf, dass die US-Regierung vietnamesischen Organisationen mehr direkte Unterstützung zukommen lassen sollte. Sie wünsche sich, dass die Mittel in die ländlichen Gebiete flössen, sagt Susan Hammond, die Exekutivdirektorin des 'War Legacy Project'. "Bisher erreichen die US-Finanzmittel vor allem das Areal von Da Nang."

Ein Mitarbeiter Leahys im Senat erinnerte daran, dass es zunächst sehr schwierig gewesen sei, überhaupt Geld von der Regierung zu bekommen. Das Außenministerium und das Pentagon hätten den Anschein vermeiden wollen, die USA leisteten Reparations- oder Kompensationszahlungen, erinnert Tim Rieser. "Es hat mehr als ein Jahr gedauert, eine Einigung zu erzielen." Rieser bemüht sich um US-Gelder zur Säuberung der Luftwaffenbasis Bien Hoa, mehr als 1.000 Kilometer von Hanoi entfernt. Die Dioxinbelastung in diesem Gebiet könnte sogar noch höher sein als in Da Nang. (Ende/IPS/ck/01.07.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/06/u-s-urged-to-ramp-up-aid-for-agent-orange-clean-up-efforts-in-vietnam/

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IPS-Tagesdienst vom 1. Juli 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2015

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