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INTERNATIONAL/001: Pakistan - Protest von Studenten und Professoren gegen Verfassungsreform (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. April 2011

Pakistan: Provinzen sollen Universitäten finanzieren - Studenten und Professoren protestieren

Von Zofeen Ebrahim


Karachi, 18. April (IPS) - In Pakistan protestieren Studenten und Professoren gegen eine Verfassungsreform, die die Hochschulbildung in die Obhut der Provinzen geben und zur Auflösung staatlicher Behörden wie der Kommission für höhere Bildung (HEC) führen würde.

Der akademischen Gemeinschaft ist es gelungen, den Obersten Gerichtshof des Landes auf ihre Seite zu ziehen. So muss die Auflösung der HEC solange verschoben werden, bis ein neues Gesetz verabschiedet ist, das in Zusammenarbeit mit Bildungsexperten und Politikern erarbeitet wurde. Dennoch gehen die Proteste von Hochschülern und Professoren weiter.

Den Provinzbehörden wird jede Fähigkeit abgesprochen, die neue Herausforderung zu meistern. "Man braucht sich nur das Durcheinander im Primär- und Sekundärschulereich anzusehen und mit den Forschritten zu vergleichen, die der Hochschulsektor unter HEC vorweisen kann", meint dazu Jamshed Hashim, der am H.E.J-Chemieforschungsinstitut der Universität Karachi unterrichtet.

HEC hat Hashim zu einem Stipendium verholfen, das ihm erlaubt, drei Jahre lang über Mikrowellen-gestützte organische Synthese zu forschen. Sollten die Provinzen künftig für die Hochschulbildung verantwortlich sein und die HEC aufgelöst werden, hätte dies für Hashim schwer wiegende Konsequenzen: "Wir haben von den 80.000 US-Dollar, die ich erhalten habe, bereits das Equipment für das Labor gekauft", sagt er. "Und wir haben mit der Arbeit begonnen."


Weit reichende Konsequenzen

Die Aussicht, dass er seine Forschungen aufgeben muss, bringt den Jungwissenschaftler um den Schlaf. "Mit meiner Zukunft sieht es schlecht aus, denn dann werde ich wie jeder andere Lehrer ohne praktische Berufserfahrung dastehen", beklagt er. Außerdem steht zu befürchten, dass sein Dozentengehalt in Höhe von rund 1.000 Dollar zur Hälfte gekürzt und der dreijährige Lehrvertrag mit der Universität aufgekündigt würde.

Betroffen wären auch die vielen Studenten und Wissenschafter, die derzeit im Ausland studieren oder an internationalen Forschungsprojekten beteiligt sind. Derzeit finanziert das pakistanische Auslandsstudienprogramm 5.000 Stipendien in 28 Ländern. Rund 1.000 laufende Forschungsprojekte könnten ebenso zum Erliegen kommen.

Alle politischen Parteien Pakistans hatten der umstrittenen Verfassungsreform im vergangenen Monat zugestimmt. Dazu meine Senator Raza Rabbani, der dem Ausschuss für die Umsetzung der 18. (Verfassungs-) Reform vorsaß, dass jede Provinz für die Finanzierung der eigenen Universitäten zuständig sei. Er sagte jedoch zu, dass die Zentralregierung die Universitäten bis zur vollständigen Übernahme durch die Provinzen finanzieren werde.

Doch die HEC aufzulösen hieße nach Ansicht von Pervez Hoodbhoy, Leiter des Physikinstituts der Quaid-e-Azam-Universität in Islamabad, wichtige Prozesse über Jahre zum Erliegen zu bringen. "Die pakistanische Bürokratie ist schon in normalen Zeiten berüchtigt für ihre Ineffizienz. Hier droht nun eine ganze Institution ersatzlos gestrichen zu werden", sagte Hoodbhoy, einst ein vehementer HEC-Kritiker.

Der Universitätsprofessor Attaur Rahman, ein ehemaliger HEC-Vorsitzende, gehörte zu den treibenden Kräften, die den Obersten Gerichtshof angerufen haben. "In den letzten neun Jahren haben mehr Studenten ihren Doktor gemacht als in den 55 Jahren nach der Gründung des pakistanischen Staates", betonte er. Allein im Studiengang Ingenieurswesen konnten die Abschlüsse verzehnfacht werden. Die Zahl der Studenten habe sich in den acht Jahren nach der HEC-Gründung von 300.000 auf 900.000 verdreifacht. In knapp einem Jahrzehnt konnten 20 Universitäten erbaut werden.


Politisches Kalkül?

Politische Beobachter bringen den Wunsch der Abgeordneten, die HEC abzuschaffen, mit gefälschten Abschlüssen zurück, derer sich etliche Parlamentarier schuldig gemacht hatten. So wies der Oberste Gerichtshof die HEC im letzten Jahr an, sich die Abschlüsse aller Abgeordneten näher anzusehen. In 47 Prozent handelt es sich um Fälschungen. Die Abschaffung der Kommission würde dazu führen, dass die Untersuchungen eingestellt würden.

Rahman warnt indes vor der Gefahr, dass die Weltbank einen im vergangenen Monat gebilligten Kredit in Höhe von 300 Millionen Dollar ohne HEC zurückziehen könnte. "Es war eine Bedingung, dass die HEC nicht angerührt wird", sagte er. Ein Darlehen in Höhe von 250 Millionen Dollar der US-Entwicklungsbehörde USAI sei aus eben dieser Sorge heraus auf Eis gelegt worden. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2011