Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → BILDUNG

REDE/059: Schavan zu den Auswirkungen des gescheiterten Bildungsgipfels, 17.06.10 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
"REGIERUNGonline" - Wissen aus erster Hand

Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, in der Aktuellen Stunde zu den Auswirkungen des gescheiterten Bildungsgipfels auf die gemeinsame Bildungspolitik von Bund und Ländern vor dem Deutschen Bundestag am 17. Juni 2010 in Berlin


Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

Wer zum Bildungsgipfel fährt und dort eine heimliche Steuerdebatte führt, wird dem Thema Bildung nicht gerecht. Wer schon am Vorabend des Bildungsgipfels verbreitet, dass der morgige Bildungsgipfel schiefgehen wird, und mit dem man dann auch überhaupt nicht über Bildung, sondern immer nur über das Thema Steuern sprechen kann - übrigens nicht allein über die Verteilung von Steuerpunkten, sondern natürlich auch über die Frage von Steuererhöhungen -, dem geht es nicht um Bildung. Dem geht es darum, dieses Thema auf dem Rücken der Schüler und Studenten für parteipolitische Polemik zu missbrauchen.

Ich war ja dabei, und deshalb finde ich es ein bisschen doppelzüngig, als Klub der SPD-regierten Länder ganz klipp und klar zu sagen: Uns interessiert jetzt nicht die Debatte über Maßnahmen, uns interessiert das Thema Steuern. - In der Tat haben sich dann alle anderen Länder angeschlossen, aber wer der Sprecher des Ganzen war, war während der gesamten Konferenz doch völlig klar.

Deshalb sage ich hier: Die Verantwortung dieses Parlamentes und der Bundesregierung besteht jetzt darin, genau das zu tun, was wir mit 16 Ländern vereinbart haben, nämlich entscheidende Maßnahmen auf dem Weg zur Bildungsrepublik Deutschland zu konkretisieren und umzusetzen. Genau das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten tun. Ich sage das hier ganz klar: Es kann nicht die Rolle des Bundes sein, Geld zu geben und am Ende nicht zu wissen, was mit diesem Geld geschieht. Wir reden über Bildungspolitik und nicht über Sparkassen.

Deshalb ist es doch interessant: Im Zusammenhang mit dem Bildungsgipfel wurden Vereinbarungen zwischen 16 Ministern der Länder und der Bundesministerin getroffen. Wir haben einen Katalog gemeinsamer Maßnahmen des Bundes und der Länder erstellt, den es so noch nie gegeben hat. Das ist ein überwältigender Konsens in der Sache quer durch die Länder, in denen unterschiedliche Akzente gesetzt werden. Dahinter steckt viel Tatkraft aufseiten der Länder und des Bundes, die sich von der öffentlichen Debatte über Steuern und davon, dass in jeder Rede die Hoteliers vorkommen, nicht haben verrückt machen lassen, sondern die dafür sorgen werden, dass das, was wir in der Sache vereinbart haben, umgesetzt wird. Darin sind sich alle einig, und es wird geschehen.

Ich glaube deshalb übrigens auch, dass die Länder beim Bildungsgipfel ihr Licht unter den Scheffel gestellt haben - das ist das eigentlich Ärgerliche -, da es in nahezu allen Ländern Mehrausgaben geben wird. Dennoch wurde dieses Ziel gefürchtet. Das Zehn-Prozent-Ziel steht übrigens fest, und ich bin mir ziemlich sicher: Jetzt beginnt der Wettbewerb der Länder um die Erreichung dieses Ziels.

Durch ein solches Ziel - das haben wir zum Beispiel beim Drei-Prozent-Ziel hinsichtlich der Ausgaben für Forschung und Entwicklung sehr genau gesehen - werden Finanzmittel in einem Ausmaß mobilisiert, wie das vorher nie der Fall war, was mit bildungs- und wissenschaftspolitischen Möglichkeiten verbunden ist, wie wir sie vorher nie hatten.

Deshalb sage ich: Ein Land wie Hamburg wird die Mittel in den nächsten Jahren verdreifachen. Ein Land wie Baden-Württemberg wird in den nächsten Jahren eine halbe Milliarde Euro zusätzlich investieren. Es gibt auch welche, die kürzen. Ich kenne bislang allerdings kein SPD-regiertes Bundesland, das schon einen großen Plan für deutliche Erhöhungen der Bildungsinvestitionen hat.

Deshalb rate ich uns: Lassen Sie uns jetzt doch in diesen Wettbewerb einsteigen. Ich sage Ihnen: Das wird ein spannender Wettbewerb.

Die Rolle des Bundes ist klar: Es wird nicht nur nicht gekürzt, sondern der Bund investiert plus zwölf Milliarden Euro für Bildung und Forschung. Das ist die größte Investition, die es je gegeben hat. Diese werden wir auch nicht kleinreden lassen, sondern sie wird genau so umgesetzt, wie es im Masterplan vorgesehen ist: für Maßnahmen der frühkindlichen Bildung über Maßnahmen für die einzelnen Übergänge bis hin zu den Maßnahmen, über die wir hier zum Teil schon gesprochen haben oder in den nächsten Monaten noch sprechen werden.

Interessant finde ich, dass Sie den Hochschulpakt in einem Nebensatz ansprechen. Wann ist in Deutschland je ein Hochschulpakt mit 275.000 zusätzlichen Studienplätzen, der vollständigen Übernahme der Programmkosten-pauschale durch den Bund und zwei Milliarden Euro für die Lehre zustande gekommen? - Das andere ist uns gemeinsam gelungen.

Das, was wir jetzt vorhaben, ist uns in der letzten Legislaturperiode nicht gelungen. Das kommt hinzu. Ich sage das nicht als Vorwurf, aber man kann doch nicht im Ernst sagen, dass zwei Milliarden Euro für die Lehre Peanuts sind. Auch das ist die größte Investition zugunsten der Lehre, die es je gegeben hat. Die Universitäten wissen genau, dass das für sie einen großen Schub bedeuten wird. Das gilt auch für die Wertschätzung der Lehre. Es ist ein deutliches Zeichen, das auch die Studierenden in ihrem Studienalltag spüren werden.

Deshalb ist es jetzt neben dem, was wir ausschließlich aufseiten des Bundes leisten, unsere Aufgabe, die neuen Maßnahmen gemeinsam mit den Ländern peu à peu abzuarbeiten. Zu der gemeinsamen Bildungspolitik, die wir vereinbart haben, zählen die Weiterentwicklung des BAföG, das Nationale Stipendienprogramm, die dritte Säule des Hochschulpaktes, die übrigens allein in der Ausfinanzierung ein Plus von 400 Millionen Euro gegenüber der zweiten Phase des Hochschulpaktes bedeutet, der Wettbewerb "Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen", die Förderung der frühkindlichen Bildung, die Initiative "Abschluss und Anschluss", die Weiterbildungsallianz und schließlich die Anerkennung und Bewertung von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen.

Wenn man allein diese Punkte auf der Landkarte von Bildung und Hochschule systematisieren wollte, dann wird sehr deutlich, was bei all dem der Schwerpunkt unserer gemeinsamen Bildungspolitik ist: mehr Bildungsgerechtigkeit, mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem und mehr finanzielle Anreize für junge Leute, die in Ausbildung und Studium gehen.

Der Bildungsbericht, der heute vorgestellt worden ist, zeigt neben Problemzonen sehr deutlich, dass das, was an Maßnahmen geplant ist, die richtige Antwort in der Bildungsrepublik Deutschland sein wird.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 69-2 vom 17.06.2010
Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan,
in der Aktuellen Stunde zu den Auswirkungen des gescheiterten
Bildungsgipfels auf die gemeinsame Bildungspolitik von Bund und
Ländern vor dem Deutschen Bundestag am 17. Juni 2010 in Berlin
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, D-10117 Berlin
Telefon: 01888 / 272 - 0, Telefax: 01888 / 272 - 2555
E-Mail: InternetPost@bundesregierung.de
Internet: http://www.bundesregierung.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2010