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REDE/061: Schavan zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem Deutschen Bundestag, 14.09.2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem Deutschen Bundestag am 14. September 2010 in Berlin:


Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

Lernen und Forschen gehören zu den besten Seiten des Menschen. Bildung und Forschung gehören zu den Kraftquellen unserer Gesellschaft. Sie tragen zu Integration in einem umfassenden Sinne bei - sehr viel umfassender, sehr viel differenzierter als manche Diskussion, die öffentlich geführt wird - und Bildung und Forschung sind die Quellen künftigen Wohlstands.

Das gehört zu den Grundüberzeugungen der christlich-liberalen Koalition, und deshalb setzen wir fort, was in den letzten Jahren sowohl in der Großen Koalition als auch in der jetzigen Koalition und auch in diesem Parlament - wie ich finde, bei manchem Punkt mit bemerkenswerter Übereinstimmung; zum Streiten haben wir dann immer noch genug Möglichkeiten - erreicht werden konnte: neue Konzepte, hohe Investitionen, weitere Internationalisierung.

Davon ist auch der Haushalt 2011 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geprägt. Wir bleiben verlässliche Partner für gute Bildung und starke Forschung. Wir setzen die Internationalisierung fort, und wir stehen dazu: Wir stellen in dieser Legislaturperiode 12 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung zur Verfügung, das bedeutet einen deutlichen Anstieg im Blick auf die finanziellen Investitionen in diesem Haushalt. Ich sage ausdrücklich: Herzlichen Dank dafür, dass dieser Konsens so tragfähig ist, dass auch bei den Haushaltsberatungen in dieser Woche an vielen Stellen deutlich werden wird: Bildung und Forschung haben absolut Vorrang in dieser Regierung.

Wir gehen auf den 3. Oktober zu. 20 Jahre deutsche Einheit bedeuten auch 20 Jahre Innovationsförderung in Ostdeutschland. Wer heute an Standorte wie Potsdam, Dresden, Jena, Rostock, Greifswald, Leipzig oder Halle kommt, um nur einige herausragende Beispiele zu nennen, der spürt, wie groß der Beitrag von Bildung und Forschung, von gezielter Innovationsförderung für die Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren war.

Deshalb sage ich den Ländern in Ostdeutschland ausdrücklich Dank für das, was in dieser Zeit - davon sind viele Regierungen betroffen - geleistet worden ist, was möglich geworden ist, wodurch Arbeitsplätze entstanden sind. Innovative Unternehmen wurden gegründet, und die Standorte, die ich genannt habe, sind heute mit attraktiven Hochschulen und durch eine attraktive Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen verbunden.

Wir haben in den vergangenen Jahren durch gezielte Programme Erhebliches beitragen können. Ich nenne nur das Programm "Unternehmen Region". Wir werden in 14 Tagen Bilanz über 20 Jahre Aufbau Ost ziehen. Ich sage hier ausdrücklich - das gilt für den Haushalt 2011 und für die Haushalte der nächsten Jahre -: Wir werden die Innovationsförderung in Ostdeutschland konsequent weiterentwickeln.

Mit dem Regierungsentwurf zum Haushalt 2011 legen wir einen Haushalt vor, der gegenüber dem Haushalt 2010 um 7,2 Prozent gestiegen ist. Da kann man immer fragen: Ist das viel oder wenig? Ich finde es aber bemerkenswert - das zeigt, was seit 2005 entstanden ist -, dass der Haushalt 2011 einen Umfang von 11,6 Milliarden Euro hat. Das entspricht gegenüber dem Haushalt von 2005 - das war das letzte Jahr der rot-grünen Bundesregierung - einer Steigerung um 54 Prozent.

Ich nenne diese längeren Zeiträume - Herr Hagemann, Sie wissen das, weil Sie sich schon lange mit diesem Haushalt beschäftigen -, weil es für Bildungs- und Forschungspolitik zentral ist, dass nicht Strohfeuer entfacht werden, sondern eine verlässliche, langfristige Entwicklung betrieben wird. Das erwarten unsere Partner. Das ist notwendig, damit sich wirklich etwas entwickeln kann und unsere Investitionen und Konzepte auch tatsächlich zu nachhaltigen Entwicklungen führen.

Wir haben ein Plus von 54 Prozent. Wenn wir auch die mittelfristige Finanzplanung berücksichtigen, also das Plus von 12 Milliarden Euro hinzunehmen, dann werden wir am Ende der Legislaturperiode, gemessen an 2005, bei einer Steigerung von 74 Prozent angekommen sein. Das ist gemeint, wenn wir sagen: Priorität für Bildung und Forschung.

Das, was investiert und an neuen Konzepten möglich gemacht wird, spricht sich herum. Deutschland ist nach den USA und Großbritannien gemeinsam mit Frankreich international auf dem dritten Platz bei den beliebtesten Zielländern für ausländische Studierende.

Das ist wichtig, weil der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren natürlich dazu führen wird, dass wir sagen werden: Es ist wichtig, dass viele junge Leute aus allen Teilen der Welt nach Deutschland kommen, hier studieren und hier eine attraktive Möglichkeit finden, um als Ingenieure, als Physiker oder als Biologen in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Hochschulen für junge Leute aus aller Welt attraktiv sind.

Die Studienanfängerquote lag noch 2005 bei rund 37 Prozent. Wir haben immer von 40 Prozent gesprochen. Im Studienjahr 2009 liegen wir bei 43,3 Prozent. Wir wollen sie weiter erhöhen. Deshalb gibt es eine dritte Säule, den Hochschulpakt, die Stärkung der Lehre. Es darf nicht sein, dass nur die Forschung gestärkt wird. Wir wollen in den nächsten Jahren zwei Milliarden Euro zur Stärkung der Lehre, zur Entwicklung berufsbegleitenden Studierens und in neue Entwicklungen im Wissenschaftssystem investieren, damit es immer attraktiver wird.

Die Studienanfängerquote von 43 Prozent ist eine gute Grundlage. Der internationale Vergleich zeigt, dass wir noch mehr Hochqualifizierte brauchen. Es ist wichtig, das wachsende Interesse junger Leute weiter zu steigern. Deshalb brauchen wir Anreize: eine bessere Studienfinanzierung. Deshalb gibt es das Deutschlandstipendium, mit dem nach über 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland erstmals unabhängig vom Einkommen der Eltern finanzielle Unterstützung gegeben wird. Das ist eine ganz neue Entwicklung.

Deshalb wollen wir eine weitere Entwicklung und Modernisierung des BAföG, eine Erhöhung der Fördersätze und der Freibeträge. Ich sage das ausdrücklich, weil heute Nachmittag der Vermittlungsausschuss zusammenkommen wird. Ich appelliere an die Länder, die Studenten nicht sitzen zu lassen.

Der Bund steht zu seinen Zusagen. Herr Matschie macht es sich zu einfach, wenn er wie heute Morgen im Deutschlandfunk sagt: Na ja, wir wollen BAföG, aber wir wollen eigentlich noch viel mehr. Wir wollen, dass das BAföG zu 100 Prozent vom Bund übernommen wird. - Das ist ganz einfach Flucht aus der politischen Verantwortung.

Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems heißt auch, Weiterbildung im Kontext unserer großen Institutionen, der Hochschulen zu fördern. Wir haben entsprechende Entwicklungen auf den Weg gebracht. Wir machen Bildungspolitik mit den Akzenten, die der Bund setzen kann.

Wir in der Bundesregierung sind dabei, eine überzeugende Antwort auf die Frage zu finden, wie Kinder aus Hartz-IV-Familien besser an Bildung beteiligt werden können. Das ist eine komplizierte Aufgabe; aber es wird ein gutes Konzept entstehen. Wir wollen darüber hinaus, dass lokale Bildungsbündnisse, so wie im Koalitionsvertrag vereinbart, im Laufe dieser Legislaturperiode entstehen. Wir wollen, dass Kinder, egal aus welchen Gründen sie benachteiligt sind, bessere Teilhabe an Bildung bekommen. Dazu bedarf es einer sozialen Bewegung in unserer Gesellschaft. Dazu bedarf es vieler Akteure, die bereit sind, die Chancen, die es in den Städten und Gemeinden gibt, den Kindern, um die es geht, besser zu vermitteln. Das steht im Mittelpunkt unserer Bildungspolitik: Benachteiligung abbauen, Zugang verbessern, mehr Aufmerksamkeit für Kinder und Jugendliche, die sich schwertun.

Dazu zähle ich als zentrales Projekt der Bundesregierung die Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss. Wir werden in den nächsten Jahren erleben - das sage ich sehr überzeugt nach den Erfahrungen mit den Modellversuchen -, wie es möglich wird, die Schulabbrecherquote zu reduzieren. Weil immer schlimme Beispiele genannt werden, nenne ich einmal ein sehr beeindruckendes Beispiel hier mitten aus Berlin. Die Rütli-Schule, die vielfach besprochen worden ist, hatte 2006 noch eine Schulabbrecherquote von 18 Prozent und all die Probleme, die wir nachlesen konnten oder uns vor Ort angeschaut haben. Die Rütli-Schule hat im Jahr 2010 eine Schulabbrecherquote von noch 1,8 Prozent und 30 Prozent der Schüler bekommen eine Empfehlung für eine weiterführende Schule. Ich sage das, weil ich finde, dass wir in der Bildungspolitik mehr darüber sprechen müssen, wo Maßnahmen gut greifen. Denn wenn sich Dinge gut entwickeln, können sie auch anderswo eingesetzt werden. Ob das dann in Berlin, in Stuttgart oder Dresden ist, da bin ich nicht so kleinherzig wie Sie.

Pakt für Innovation, Hochschulpakt und Exzellenzinitiative sind Beispiele für Verlässlichkeit in der Politik. Die Steigerung um fünf Prozent jährlich ist wichtig für überzeugende Arbeit unserer Forschungsorganisationen. Die Projektförderung in der Forschung, die 2005 noch bei 1,2 Milliarden Euro lag, liegt jetzt bei 2,1 Milliarden Euro; das ist eine Steigerung um 70 Prozent. Die Hightech-Strategie gilt international als überzeugende Innovationsstrategie in Deutschland. Es ist uns auch mithilfe der Hightech-Strategie gelungen, deutlich höhere Investitionen der Unternehmen zu ermöglichen. Wir haben in dieser Legislaturperiode zentrale Schwerpunkte - Energie und Klimaschutz, Gesundheitsforschung - in die Hightech-Strategie eingebracht.

Das wird sich schon jetzt als positiv erweisen. Denn das Energiekonzept der Bundesregierung ist ein Konzept, das wesentlich darauf basiert, dass wir in Deutschland erhebliches exzellentes Potenzial in den vielen Bereichen der Energieforschung haben. Dabei wird die Forschung mit Blick auf neue effiziente Erzeugungsstrukturen, die Forschung im Bereich von Energieeffizienz bei Gebäuden, Materialien und Produkten und die Forschung für Infrastruktur, insbesondere zur Verknüpfung von erneuerbaren und konventionellen Energieträgern durch neue Netze und Speicher, im Vordergrund stehen. Dazu werden wir in den nächsten Wochen und Monaten entsprechende Konzepte vorlegen.

Gute Bildung, mehr Bildungsbeteiligung sowie starke Forschung und Entwicklung als Grundlage für die Innovationskraft in unserem Land stehen im Mittelpunkt der Bildungs- und Forschungspolitik. Das wird mit dem Haushalt 2011 durch erhebliche zusätzliche Investitionen gestützt.


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Quelle:
Bulletin Nr. 86-2 vom 14.09.2010
Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Dr. Annette Schavan, zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem Deutschen Bundestag
am 14. September 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2010