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UNIVERSITÄT/2600: Marburg - "Mangelhafte Grundfinanzierung gefährdet Universitätsbetrieb" (idw)


Philipps-Universität Marburg - 01.03.2012

"Mangelhafte Grundfinanzierung gefährdet Universitätsbetrieb"

Gemeinsame Resolution der Gremien der Philipps-Universität Marburg


In der gemeinsamen Sitzung des Senats, des Erweiterten Präsidiums und des Hochschulrats der Philipps-Universität am 13. Februar 2012 haben alle Mitglieder einstimmig einer von den Studierendenvertretern und -vertreterinnen vorgelegten Resolution an die Landesregierung zugestimmt, die die derzeitige Unterfinanzierung der Universität thematisiert. Das Präsidium des Studierendenparlaments, der Allgemeine Studierendenausschuss und die Fachschaftenkonferenz schlossen sich ebenfalls dem Appell an, der heute dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst zugestellt wird.

"Für die Güte des Lehrangebots ist die gegenwärtige Finanzsituation der Universität ein fast unüberwindliches Hindernis. Mittel, die eigentlich für einen Qualitätssprung in der Lehre gedacht waren, werden nun gebraucht, um das grundständige Angebot zu finanzieren," kritisiert Natascha Klee, Vorsitzende der Fachschaftenkonferenz. Manche Fächer seien so überlastet, dass sie kaum mehr studierbar seien. "Die Philipps-Universität befindet sich in einer Situation, in der die zur Verfügung stehenden regulären Haushaltsmittel bei steigenden Studierendenzahlen nicht hinreichend mitwachsen. Der Höhepunkt dieser Entwicklung ist noch nicht einmal erreicht," erläutert Universitätspräsidentin Prof. Dr. Katharina Krause.

"Die zunehmende Abhängigkeit der Forschung und Lehre von Drittmitteln prägt die Ausrichtung der Wissenschaft. Sie verfolgt so zunehmend privatwirtschaftliche Interessen. So wird die Entwicklung der Hochschule hin zu einer Bildungsfabrik zementiert, die nunmehr gleichgeschaltetes, arbeitsmarktkompatibles 'Humankapital' produziert, anstatt Menschen darin zu unterstützen, selbstbestimmt, kritisch und kreativ zu sein und zu leben," erklärt Linda Spieckermann, Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA).

Der Vorsitzende des Marburger Hochschulrats, Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Uwe Bicker, betont die Bedeutung der aufgabenadäquaten Finanzierung der Hochschule: "Nur eine ausreichende Grundsicherung garantiert, dass die umfassenden Aufgaben in Forschung und Lehre dauerhaft und in konkurrenzfähigem Maßstab wahrgenommen werden können."


Vollständiger Text der Resolution

Forderung an die Landesregierung: bedarfsdeckende Mittel für unabhängige und freie Forschung und Lehre!

Durch die Kürzungen aufgrund des Hessischen Hochschulpaktes 2011-2015, der zeitgleich stark steigenden Studierendenzahl, sowie dem zu geringen Ausgleich für Tarifsteigerungen und Energiekosten fehlt der Universität Geld an allen Ecken und Enden. Schon vor dem Hochschulpakt litten viele Fachbereiche an Unterfinanzierung und Überlastung, die jetzigen Einsparungen rücken viele Fächer für die Studierenden an den Rand der Studierbarkeit. Es ist ein unzumutbarer Zustand, dass deshalb Mittel, die explizit zur Verbesserung der Lehre vorgesehen waren, in die Grundfinanzierung der Universität überführt werden müssen.

Die aufgrund der Kürzungen zunehmende Abhängigkeit von Drittmittelfinanzierungen - insbesondere bei Strukturveränderungen etwa durch Drittmittelprofessuren - kann die in Art. 5 Grundgesetz verankerte Freiheit von Forschung und Lehre gefährden.

Im Zuge der Unterfinanzierung häufen sich auch prekäre Arbeitsverhältnisse. Zum einen werden Dienstleistungen unter Missachtung sozialer Folgen ausgegliedert und zum anderen arbeiten immer mehr Dozierende in befristeten Verträgen; dies kann negative Folgen für die Qualität der Lehre haben. Auch die Betreuung von Studierenden vor allem bei Abschlussarbeiten oder sonstigen Hausarbeiten kann nicht mehr ausreichend von Professoren und Professorinnen unterstützt werden, da einer zunehmenden Anzahl von ihnen keine ausreichenden Kapazitäten mehr zur Verfügung stehen.

Selbstbestimmtes und kritisches Studieren, Forschen und Lehren kann nur an einer Universität stattfinden, die nicht nach einer unternehmerischen Logik organisiert ist, sich nicht im ständigen Konkurrenzdruck zu anderen Hochschulen befindet und ihre Inhalte nicht an wirtschaftlicher Verwertbarkeit messen lassen muss.

Nur eine ausreichende Finanzierung ermöglicht tatsächlich Handlungsspielsräume für eine freie und demokratische Forschung und Lehre. Alle Entscheidungen, welche die Universität betreffen, bedürfen einer demokratischen, öffentlichen und universitätsinternen Debatte. Diese muss unter Einbeziehung aller Statusgruppen in einer selbstverwalteten Gruppenuniversität stattfinden.

Die Ergebnisse einer solchen Debatte müssen auch von der Landesregierung berücksichtigt werden.

Darum fordern das Präsidium, der Senat, das Erweiterte Präsidium, das Präsidium des Studierendenparlaments, der Allgemeine Studierendenausschuss und die Fachschaftenkonferenz sowie der Hochschulrat der Universität Marburg die Landesregierung auf, der Universität Marburg und allen anderen hessischen Hochschulen Mittel für eine bedarfsdeckende Finanzierung einer unabhängigen und freien Forschung und Lehre zur Verfügung zu stellen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution376


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Philipps-Universität Marburg, Dr. Susanne Igler, 01.03.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2012