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WESTSAHARA/001: Europaparlamentarier sprechen sich für Menschenrechtsbeobachtung aus (EP)


Pressemitteilung des Europäischen Parlaments vom 1. Dezember 2010

Außenbeziehungen - 01.12.2010 - 17:19
Komitee: Außenausschuß

Westsahara - MdEPs halten Menschenrechtsbeobachtung für erforderlich


Für die Westsahara sind die Überwachung der Menschenrechte und die Einhaltung internationalen Recht unabdinglich, erklärten die Abgeordneten im Außenausschuß des Europäischen Parlaments während eines Treffens mit Vertretern der Frente Polisario-Führung und der marokkanischen Regierung am Mittwoch. Die MdEPs forderten darüber hinaus die Entsendung von Untersuchungsmissionen in die Region.

Der Vertreter der Frente Polisario, Mohamed Salem Ould Salek, und Marokkos Minister für Äußeres und Zusammenarbeit, Taïb Fassi-Fihri, trafen sich mit Mitgliedern des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, um über die jüngsten Vorkommnisse in der westsaharauischen Stadt El-Aaiun zu sprechen.


Auflösung des Protestlagers Gdeim Izik

Die Zerstörung des Protestlagers Gdeim Izik durch marokkanische Sicherheitskräfte am 8. November war "ein Punkt, hinter den es nicht zurückgeht, alles muß sich jetzt ändern", erklärte Herr Ould Salek, der die "Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Diplomaten, ausländischen Botschaftsmitgliedern, Abgeordneten des Europaparlaments, Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und Journalisten durch die marokkanischen Sicherheitskräfte" beklagte.

Bei der Auflösung des Lagers sind "laut den Berichten europäischer Nachrichtendienste 500 bis 600 Menschen verschwunden", gab Ana Gomes (S&D, Portugal) zu bedenken.

Herr Fassi-Fihri bestritt dieses. "Das Lager wurde auf vollkommen friedliche Weise aufgelöst, und nicht ein einziger Zivilist ist verschwunden", betonte er, und ergänzte: "Die Menschen sprechen von einem Internierungslager im Stile Auschwitz' und man beschuldigt uns, Menschen ermordet zu haben, dabei ist niemand gestorben."

Zu Berichten, daß Journalisten, Nichtregierungsorganisationen und Politiker keinen freien Zugang zum Lager hatten, sagte er abschließend: "Man hat die Tatsachen verdreht; die Menschen konnten ins Lager und auch aus ihm heraus."

José Ignacio Salafranca (EPP, Spanien) schlug vor, das UNO-Mandat in Westsahara um eine Menschenrechtsbeobachtungskomponente zu erweitern, um Licht in die Angelegenheit zu bringen. Ioannis Kasoulides (EPP, Zypern) forderte Herrn Fassi-Fihri auf, in Erwägung zu ziehen, ein Gremium von dritter Seite mit heranzuziehen, um die Menschenrechtslage in Westsahara zu überwachen.


Der Weg zur Selbstbestimmung

Ould Salek von der Polisario macht nachdrücklich klar, daß Westsahara die letzte Kolonie Afrikas sei und bestand darauf, daß "für Westsahara ein Selbstbestimmungsprozeß mit einem Referendum nach internationalem Recht" - ähnlich dem in Osttimor und Namibia - unabdingbar sei.

Der marokkanische Außenminister Fassi-Fihri kommentierte: "Ein Referendum ist kein Allheilmittel." und ergänzte: "Selbstbestimmung muß auf dem Wege politischer Verhandlungen erreicht werden", und "Marokko muß Teil welcher Lösung auch immer sein, die gefunden wird".

Willy Meyer (GUE/NGL, Spanien) nannte Marokko eine "Besatzungsmacht" in Westsahara und forderte von Rabat, internationales Recht zu achten und "alle unrechtmäßig verhafteten, politischen Gefangenen freizulassen". Herr Fassi-Fihri kritisierte den Gebrauch des Begriffs "Besatzung", mit den Worten: "Diesen Begriff werden Sie in keiner UNO-Resolutionen seit 1980 finden." und fügte hinzu, daß seit 2004 keine UNO-Sicherheitsratssitzung in Westsahara ein "Referendum" gefordert habe.


Wessen Naturressourcen?

Herr Ould Salek gab seiner Sorge über die Einbeziehung der westsaharauischen Gewässer in das Fischereiabkommen zwischen EU und Marokko zum Ausdruck, das im Februar 2011 zur Erneuerung ansteht und der Zustimmung des Parlamentes bedarf. "Marokko hat keine rechtliche Grundlage, diese Gewässer auszubeuten", sagte er und rief die MdEPs auf, "als Gewissen der EU zu handeln" und die Gelegenheit wahrzunehmen, dahingehend Einfluß zu nehmen, daß die westsaharauischen Gewässer aus dem Abkommen ausgeschlossen werden.

Herr Fassi-Fihri bemerkte, die Westsahara "ist ein armes Gebiet" und stellt nur 1% der natürlichen Ressourcen (Marokkos). Er fügte hinzu, daß die Fischerei "nur dank öffentlicher und privater Investitionen gedeihen kann", und fragte "Wollen Sie, daß die örtliche Bevölkerung noch mehr bestraft wird?"

Raül Romeva (Grüne/EFA, Spanien) bestätigte, daß Marokko kein Recht darauf hat, Westsaharas Gewässer auszubeuten und forderte, diese aus einem zukünftigen Fischereiabkommen mit Marokko auszuschließen.


EP-Delegation nach Westsahara

Der Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu den Maghrebstaaten und der Arabischen Maghreb-Union, Pier Antonio Panzeri (S&D, Italien), schlug vor, eine Abordnung des Europaparlaments nach El-Aaiun zu schicken. "Wir wollen einen offenen Dialog mit Marokko, weil es ein wichtiger EU-Partner ist", erklärte er.


Resolution des Europäischen Parlaments

Herr Fassi-Fihri erklärte, daß die Resolution des Europäischen Parlaments vom 25. November zur Lage in Westsahara "eine gewisse Anzahl von Fakten ignoriert, wie die Anwesenheit glaubwürdiger Nichtregierungsorganisationen und Journalisten in der Region" sowie Molotov-Cocktails und Macheten, die gegen marokkanische Sicherheitskräfte eingesetzt worden seien. Er sieht die Resolution als "unfair und unausgewogen" an und erklärte, daß "die Menschen in Marokko sich durch sie verletzt fühlen".

Herr Ould Salek fand, daß die Resolution "von neuem gezeigt hat, daß das Europäische Parlament eine klare Rolle als demokratisches Gewissen der EU einnimmt".

Mehrere MdEPs betonten noch einmal, daß die Resolution von allen politischen Gruppen unterstützt wird. "Dies ist ein offizieller Text", erklärte Annemie Neyts-Uyttebroeck (ALDE, Belgien), und fügte hinzu, "Sie haben das Recht, Ihre Meinung zu äußern, aber die Rechtmäßigkeit dieses Textes steht über Ihrem Zweifel."

Rachida Dati (EPP, Frankreich) wies darauf hin, daß es "vor der Abstimmung über diese Resolution keine Zeit zur Debatte gab".


Vorsitzende: Gabriele ALBERTINI (EPP, Italien)


Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

MdEP: Mitglied des Europäischen Parlaments EPP: EVP - Europäische Volkspartei
S&D: Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten
ALDE: Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa
Grüne/EFA: Grüne Europäische Freie Allianz
GUE/NGL: Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke



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Quelle:
Europäisches Parlament
Pressemitteilung, 01.12.2010 (REF.: 20101129IPR02808)
E-Mail: foreign-press@europarl.europa.eu
http://www.europarl.europa.eu/en/pressroom/content/20101129IPR02808
in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2010