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WESTSAHARA/082: Vergessene Krise - Ölbohr-Okkupation könnte Fakten schaffen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. März 2014

Westsahara: Erdölexplorationspläne eines US-Unternehmens verschärfen Spannungen

von Bryant Harris


Bild: © Karlos Zurutuza/IPS

Die 'Western Sahara Resource Watch' (WSRW) spricht ausländischen Unternehmen die Berechtigung ab, zusammen mit Marokko in der Westsahara nach Bodenschätzen zu suchen und diese zu fördern
Bild: © Karlos Zurutuza/IPS

Washington, 12. März (IPS) - Während US-amerikanische und marokkanische Vertreter aus Politik und Wirtschaft vom 10. bis 12. März in Rabat über die Möglichkeiten einer Intensivierung ihrer Beziehungen diskutierten, warnten Aktivisten vor Plänen einer US-Firma, in der von Marokko besetzten Westsahara nach Öl zu suchen.

"Derzeit ist eine Menge los in Marokko, und es stellt sich die Frage, wie das Land am besten den Hebel ansetzt, um US-amerikanisches Kapital anzuziehen", erklärte Jean AbiNader, Geschäftsführer des Marokkanisch-Amerikanischen Handels- und Investitionszentrums, einer von König Mohammed VI. eingerichteten Non-Profit-Organisation.

Marokko ist 2006 mit den USA ein Freihandelsabkommen eingegangen, von dem es sich Kapital und Investoren verspricht. Sich selbst bewirbt das nordafrikanische Land als Tor zum Nahen Osten und zu den afrikanischen Märkten südlich der Sahara.

Ist Marokko für ausländische Investoren vor allem wegen seiner erneuerbaren Energien wie Sonnen- und Windkraft gefragt, bemühen sich US-amerikanische und europäische Unternehmen aber auch um Konzessionen für die Ausbeutung der marokkanischen Öl- und Gasreserven. Größere Lagerstätten werden auch in der Westsahara vermutet.


Exploration soll im Oktober losgehen

Zu den Firmen, die sich für marokkanisches Öl interessieren, gehört auch die 'Kosmos Energy' mit Sitz in Texas, die bereits mit der Offshore-Exploration in drei Blöcken in der marokkanischen Bucht von Agadir begonnen hat. Ab Oktober will das Unternehmen in einem Areal in der Westsahara, das als Kap Boujdour bekannt ist, nach Öl suchen.

Doch Aktivistenorganisationen wie die 'Western Sahara Resource Watch' (WSRW) sprechen ausländischen Konzernen wie Kosmos und der marokkanischen Regierung grundsätzlich das Recht ab, die Bodenschätze der Westsahara zu heben. So warnte der WSRW-Vorsitzende Erik Hagen Kosmos Energy "vor der Zusammenarbeit mit einer Besatzungsmacht", die das Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis missachte.

Nachdem sich Marokko erfolgreich für die Unabhängigkeit der Westsahara von Spanien eingesetzt hatte, übernahm es 1976 die Kontrolle über das Gebiet, das es seither als seine 'Südprovinzen' bezeichnet. Nach einem jahrelangen bewaffneten Konflikt zwischen Marokko und der von Algerien unterstützten Widerstandsbewegung POLISARIO stellte die internationale Gemeinschaft auf dem Gebiet 1991 die UN-Mission für das Referendum in der Westsahara (MINURSO) ab.

Durch ein solches Referendum sollte den Sahrauis die Möglichkeit gegeben werden, selbst zu entscheiden, ob sie unabhängig werden oder lieber Teil Marokkos bleiben wollen. Doch zu dem Volksentscheid ist es aufgrund von Unstimmigkeiten in der Frage, wer abstimmen darf, nie gekommen. Marokko forderte die Beteiligung marokkanischer Siedler, was die POLISARIO strikt ablehnte.

Bisher hat kein anderes Land der Welt die Souveränität Marokkos über die Westsahara anerkannt. Das umstrittene Gebiet wird auf der UN-Liste der 'nicht-selbstregierten Territorien' geführt.

2002 hatte Marokko Erdölexplorationsverträge mit dem US-Unternehmen 'Kerr McGee' und dem französischen 'Total S.A.' geschlossen. In Reaktion darauf ließen die Vereinten Nationen ihr berühmtes Corell-Gutachten erstellen, demzufolge die Bodenschätze in der Westsahara nur mit Einwilligung der Sahrauis und zu deren Nutzen ausgebeutet werden dürfen.


Zankapfel Corell-Gutachten

Seither wird über die Auslegung des Gutachtens heftig gestritten. Denn einerseits erkennt es Marokko als De-facto-Verwaltungsmacht der Westsahara an. Anderseits jedoch hält es fest, "dass die Missachtung der Interessen und Wünsche der Sahrauis, auch wenn die Verträge zur Exploration und Ausbeutung von Bodenschätzen auf dem Territorium der Westsahara an sich nicht unrechtmäßig sind, gegen internationale Rechtsprinzipien verstoßen, die für nicht-selbstregierte Territorien gelten".

Jean AbiNader ist der Meinung, dass der Ressourcenabbau in der Westsahara den Menschen vor Ort eher nutzen als schaden wird. Wie er erklärte, hat Marokkos staatliches Phosphatunternehmen OCP "eine wirklich anstrengende Aufgabe" bewältigt. "Es brachte (die US-Beraterfirma) 'PricewaterhouseCoopers' ins Spiel und klärte die Frage, wer von den Einnahmen aus der Ausbeutung der Bou-Craa-Mine in der Westsahara profitieren wird." Auch wenn die Frage nicht vollständig beantwortet worden sei, habe sie gezeigt, dass die Aktivitäten Arbeitsplätze schaffen und somit den Sahrauis einen Mehrwert erbringen werden.

Auch Kosmos Energy beruft sich auf das Corell-Gutachten. Da Marokko zugesagt habe, die Einnahmen aus dem möglichen Erdölgeschäft mit den Sahrauis zu teilen, erfüllten die Ölexploration und die mögliche Ölförderung die im Gutachten verlangten Voraussetzungen, als rechtmäßig anerkannt zu werden.

In einem Positionspapier verwies Kosmos ferner auf einen Bericht von König Mohammeds Wirtschafts-, Sozial- und Umweltrat (SCEC), in dem es heißt, dass der SCEC das Ziel verfolgt, die kollektiven Anstrengungen zu unterstützen, die erforderlich seien, sich der Herausforderungen von sozialer Kohäsion, Wohlstand und gerechter Ressourcenausbeutung in der Westsahara zum Wohl aller zu stellen.

Doch Hagen zufolge bestehen berechtigte Zweifel an der Absicht der marokkanischen Regierung, die Einnahmen aus der Rohstoffförderung mit den Sahrauis zu teilen. Außerdem sei die Bevölkerung der Westsahara gegen die Ausbeutung ihrer Bodenschätze durch die marokkanische Regierung und die multinationalen Konzerne. Ein Zuwiderhandeln wäre nach dem Verständnis des Corell-Gutachtens illegal.


Menschenrechtsverletzungen

Darüber hinaus verweist Hagen auf die "routinemäßig begangenen" Menschenrechtsverletzungen sowohl in der Westsahara als auch in Marokko. "Der Bericht des UN-Sonderberichterstatters für Folter aus dem letzten Jahr illustriert eindrucksvoll die Übergriffe auf und das Foltern von Menschen in Polizeigewahrsam", betonte er. "Jede Woche hören wir von Berichten, denen zufolge Sahrauis von der Polizei über Tage oder Stunden festgehalten werden."

WSRW beschränkt sich nicht allein darauf, Kosmos zur Aufgabe seiner Pläne in der Westsahara aufzurufen, sondern hat an die US-Ölbohrfirma 'Atwood Oceanics' appelliert, das Unternehmen nicht mit der Ausrüstung auszustatten, die es am Kap Boujdour braucht. Weder Kosmos noch Atwood haben bisher auf eine IPS-Bitte um eine Stellungnahme reagiert. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/03/u-s-oil-firm-creates-tension-western-sahara/

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IPS-Tagesdienst vom 12. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2014