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AKTION/012: Neues Netzwerk "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" in Aktion (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 330 - Februar 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Vereint unter dem Logo mit dem Ringelschwanz

Neues Netzwerk "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" in Aktion


Am Tag der Eröffnung der Grünen Woche in Berlin: Demonstranten mit 70 Ortsschildern, von denen jedes exemplarisch für eine der vielen Bürgerinitiativen gegen geplante Agrarfabriken steht: Hassleben in Brandenburg und Alt Tellin in Vorpommern gegen eine Schweinemast-Mega-Mastanlage, Billerbeck in Nordrhein-Westfalen und Etelsen bei Verden gegen Hähnchen-Mastanlagen, Wietze bei Celle gegen einen weiteren Rothkötter-Hähnchen-Schlachthof, Schnega/Varbitz und Berel/Burgdorf gegen die als Zulieferer angeworbenen Ställe, Lukow bei Waren und Letschin im Oderbruch solidarisch vereint neben Gerbisbach, Binde und Stöbnitz aus Sachsen-Anhalt, Mockrehna und Niethen aus Sachsen, Immenrode aus Thüringen und Lähden aus dem Emsland...

Diese erste öffentliche Aktion steht für das neu gegründete Netzwerk "Bauernhöfe statt Agrarfabriken", es vereint unter dem Logo mit dem Ringelschwanz jetzt schon 70 Bürgerinitiativen und Verbände wie BUND, PROVIEH, AbL, Deutscher Tierschutzbund oder Neuland. Bei der Aktion vor der Grünen Woche wurde Vertretern von Frau Aigner ein sorgfältig ausdiskutiertes Positionspapier überreicht. Es enthält folgende zentrale Forderungen "für eine zukunftsfähige, artgerechte und nachhaltige Nutztierhaltung in bäuerlicher Landwirtschaft", das auch unter www. bauernhoefe-statt-agrarfabriken.de abrufbar ist:


Forderungen an die Politik

Das Privileg für das Bauen im Außenbereich der Gemeinden ist auf die bäuerliche, flächengebundene Tierhaltung zu begrenzen. Tierhaltungen ohne direkte Flächenbindung und Anlagen, die eine Umweltverträglichkeits-Prüfung oder eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutz-Gesetz erfordern, sind vom Baurecht auszuschließen. Die Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit müssen gestärkt werden.

Wir fordern von der Bundesregierung, die Standards für den Umwelt- und Tierschutz in der Tierhaltung deutlich zu verbessern. Tierschutzverbände müssen ein Klagerecht erhalten, um den im Grundgesetz verankerten Tierschutz wirksam umzusetzen. Die Bundesregierung muss einen Tierschutz-TÜV für Stallbauten und ein entsprechendes Zulassungsverfahren für alle Tierarten einrichten.

Wir fordern von der Bundesregierung und der EU-Kommission eine verbindliche Kennzeichnung der Tierhaltungsform auf Fleisch- und Milchprodukten.

Wir fordern von Bund und Ländern, die schädlichen Subventionen für Überkapazitäten der Schlachthof- und Molkereikonzerne zu stoppen und die Investitionsförderung für Tierhaltungen strikt an die Verbesserung der Standards im Tier- und Umweltschutz zu koppeln. Staatliche Förderung für verarbeitende Unternehmen muss zugunsten der handwerklichen und regionalen Verarbeitung umverteilt werden und die Produktion besonders nachhaltiger Qualitäten befördern.

Wir fordern von der Bundesregierung und der EU-Kommission, die Tierhaltung in Deutschland und in Europa wieder aus der Industrie auf die Bauernhöfe zu holen, sie auf klima- und tiergerechte Verfahren umzustellen und damit die Überproduktion abzubauen. Exportsubventionen sind abzuschaffen.

Wir fordern von der Bundesregierung und der EU-Kommission eine Eiweißstrategie zur Sicherung der Selbstversorgung mit heimischen Futtermitteln. Tierische Lebensmittel, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln erzeugt wurden, müssen verbindlich gekennzeichnet werden.


Widerstand vor Ort

Der Widerstand der Bürgerinitiativen vor Ort geht weiter, jetzt aber in gegenseitiger Unterstützung bei Informationen, Tipps, personeller Hilfe und Ermunterung. Trotz der zugunsten der Investoren zurechtgeschneiderten Gesetzgebung und schwer aufzubringender Mittel für eigene Anwälte und Gutachter gibt es etliche Erfolge, hier nur einige exemplarisch:

Die Genehmigung der geplanten Anlage für 35.000 Schweine in Hassleben wird seit Jahren erfolgreich verzögert, u.a. wegen mangelhafter Unterlagen über die Wirkung der Stickstoff-Emissionen auf den schon zu DDR-Zeiten hoch belasteten Wald. Ein 100.000-Hähnchen-Stall in Etelsen ist nach einer Anhörung im Verdener Kreistag bisher nicht genehmigt, u.a. wegen der unzureichenden Zufahrt und zweifelhafter Gutachten zur Geruchs-Ausbreitungsfahne. Eine riesige Schweinefabrik in Allstedt wurde durch eine Änderung des Bebauungsplans verhindert. Der Kreis Steinfurt untersagte eine Hähnchenmastanlage wegen Zersiedelung der Landschaft, der Kreis Herford eine Schweine-Anlage wegen des Einspruchs des Landschaftsbeirats. Sachsen-Anhalt verlangt für Großanlagen künftig Raumordnungsverfahren.

Die Gemeinde Lathen will außerlandwirtschaftliche Investoren mit der Reservierung von "Baufenstern" hinter den Höfen der örtlichen Landwirte fern halten. In Metelen lehnte die Bezirksregierung einen Hähnchenstall ab wegen der Belastung der zuführenden Wohnstraßen. In Kalleby, Dannenberg und vielen anderen Orten zogen die Investoren ihre Baupläne zurück, um den sozialen Frieden nicht zu zerstören. In Bassum machte die Landgesellschaft auf Drängen der Stadt bei den Grundstücken für geplante Hennenställe von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Im süddeutschen Kammerstein zogen drei Investoren ihren Hähnchenstall-Antrag zurück, nachdem die Gemeinde den geplanten Baugrund nötigenfalls als Sondergebiet für Solaranlagen ausweisen wollte. Wie viele Investoren sich angesichts des zu erwartenden Widerstands bereits rechtzeitig auf bessere Investitions-Alternativen besonnen haben, ist nicht bekannt.
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Weniger Bauauflagen

Den ostdeutschen Schweine-Großbetrieben hat Dr. Albert Hortmann-Scholten (Landwirtschaftskammer Niedersachsen) im EU-Wettbewerb eine günstige Ausgangsposition bescheinigt: Ihnen komme nicht nur ihre Größe zugute, sondern auch ein geringeres Pacht- und Kaufpreisniveau beim Boden, günstigere Futtermittel, weniger Flächenkonkurrenz durch Biogasanlagen und Sonderkulturen, niedrigere Löhne und auch "weniger Bauauflagen" durch die Genehmigungsbehörden. Entsprechend sieht Scholten in der Schweine- und auch in der Geflügelhaltung nur noch Wachstums-Chancen für ein Drittel der deutschen Betriebe.
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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 330 - Februar 2010, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2010