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BERICHT/031: Neokoloniale Landnahme bedroht Ernährungssouveränität (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 320 - März 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Neokoloniale Landnahme bedroht Ernährungssouveränität

Investoren und Staaten kontrollieren riesige Flächen im Ausland


Weltweite Proteste verhinderten kürzlich die Pläne des südkoreanischen Daewoo-Konzerns, in Madagaskar 1,3 Millionen Hektar (die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Insel) billig zu pachten, um dort 99 Jahre lang Mais und Palmöl anzubauen. Der Vorfall lenkt den Blick auf eine neue Form von Kolonialismus: Agrarinvestoren und Staaten kontrollieren in anderen Ländern bereits jetzt riesige Flächen, um dort billige Rohstoffe für Biokraftstoffe anzubauen oder um sich - unabhängig vom Weltmarkt - Nahrungsrohstoffe für das eigene Land zu sichern. Die Organisation GRAIN listet das bisher bekannte Ausmaß dieser Landnahme ("landgrab") auf: China mit über 2 Millionen Hektar außerhalb seiner Landesgrenzen (u.a. Philippinen, Laos, Russland, Australien). Südkorea mit 1 Million Hektar (u.a. Sudan, Mongolei, Indonesien, Argentinien). Saudi Arabien mit 1,6 Millionen ha (Indonesien, Sudan, Algerien, geplanter Flächenerwerb in Thailand, Senegal, Ukraine und Türkei). Die Vereinigten Arabischen Emirate: 1,2 Millionen Hektar (Pakistan, Sudan, Philippinen, Einstieg in Kambodscha). Japan: über 300.000 ha (USA, Brasilien und Neuseeland).


Banken investieren

Banker investieren schon seit einiger Zeit in Land: der US-Börsenguru Soros in Argentinien, die Morgan Stanley-Gruppe gemeinsam mit der französischen Dreyfus-Gruppe in Brasilien, die britischen Firmen Cru Investment und Lonrho in Afrika, die britisch-vietnamesische Trans4mation Agric-Tech Ltd in Nigeria, die US-Investmentbank Helberg mit 400.000 ha im Südsudan. Weitere Investoren: die britischen Firmen Schroders, Barclays und Knight Frank, die US-Firmen Black Rock und Dexion Capital, die deutsch-britische Kooperation Palmer Capital/Bidwells. Die Folgen für die Länder, in denen diese "Landnahme", oft mit Hilfe korrupter Regierungen, vor sich geht: Verlust der Ernährungssouveränität, Vertreibung von Kleinbauern, agrarindustrielle Produktion von Exportprodukten. Der neue Kolonialismus gleicht erschreckend dem alten, kaum überwundenen Kolonialismus. Große Flächen gehen aus der Nahrungsmittel-Erzeugung in die Biofuel-Produktion.


Agrarholdings und Oligarchen

Die Ukraine mit ihren fruchtbaren Schwarzerdeböden entwickelt sich immer mehr zum Eldorado für Agrarinvestment-Firmen: Die britischen Unternehmen Velcourt und Landwest bewirtschaften jeweils etwa 130.000 Hektar. Libyen hat sich bereits 250.000 ha gesichert. Die International Finance Corporation, eine Tochter der Weltbank, ebnet Investoren den Weg für 350.000 ha. Mehrere Hunderttausend ukrainische Hektare gehören bereits zu den riesigen Agrarholdings russischer Oligarchen (die selber schon jeweils mehrere hunderttausend ha groß sind). Auch in Russland steigen ausländische Investoren ein: die dänische Trigon Agri mit 100.000 ha, die litauische Agrowill AB mit 50.000 ha, die schwedische Black-Earth-Farming mit 330.000 ha, die Alpcot Agrar mit 200.000 ha in der Ukraine und in Russland.

Auch deutsche Agrarinvestoren sind dabei: der deutsche Unternehmer Dürr mit 100.000 ha und 6.000 Milchkühen in Russland, die Stadtwerke Uelzen mit angestrebten 10.000 ha in der Ukraine, die Barnstädt eG mit 8.000 ha in der Ukraine, die Agrarius AG (unter Leitung des ehemaligen Bayer-Managers Prante) mit großflächiger Flächen-Verpachtung in Rumänien und zukünftig in Bulgarien und Tschechien, die KTG Agrar AG mit dem Erwerb von Großbetrieben im Baltikum, die ABG Holding AG des Freiherrn von Stetten mit Großbetrieben in ganz Südosteuropa.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 320 - März 2009, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2009