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BERICHT/166: Einstieg in die Solidarische Landwirtschaft auf dem Gemeinschaftshof Pente (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 365 - April 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Die Menschen begreifen, was Vielfalt kostet"
Einstieg in die Solidarische Landwirtschaft auf dem Gemeinschaftshof Pente

von Christine Weißenberg



Es sind keine Einzelfälle, mittlerweile ist die Solidarische Landwirtschaft eine Bewegung. Familie Hartkemeyer und der Hof Pente bei Bramsche in Niedersachsen sind ein Teil davon. Angefangen hat es im Jahr 2010 mit der Frage "Was wird mit dem Hof?". Gestellt haben sie Tobias Hartkemeyer und seine Frau Julia, die beide Landwirtschaft studiert haben und mit vielfältigen Erfahrungen den Familienbetrieb übernehmen und neu beleben wollten. Jetzt ist der Hof ein Gemeinschaftsprojekt: Nach dem Konzept der Solidarischen Landwirtschaft (englisch Community Supported Agriculture (CSA)) hat sich die bewirtschaftende Hofgemeinschaft mit einer Gruppe privater Haushalte zusammengeschlossen. Die Lebensmittel und alles, was notwendig ist, um diese zu erzeugen und zu verarbeiten, werden von den TeilnehmerInnen auf Grundlage von geschätzten Jahreskosten durch festgesetzte Monatsbeiträge vorfinanziert. Statt Verkaufsmöglichkeiten für die Produkte suchen zu müssen, werden diese von den Mitgliedern der Gruppe direkt abgenommen. Die Verantwortung, das Risiko, die Kosten und die Ernte werden geteilt. Bundesweit wirtschaften über 30 Höfe und Gruppen individuell angepasst nach diesem Konzept und haben sich zum Netzwerk Solidarische Landwirtschaft zusammengeschlossen, um sich gegenseitig zu beraten und Neugründungen zu unterstützen.


Neue Wege

"Landwirtschaft, in der jeder für sich alleine wirtschaftet, in Arbeit fast untergeht und dann noch die Produkte aufwendig an den Mann oder die Frau bringen muss - das kann es nicht sein!" waren sich Julia und Tobias Hartkemeyer sicher. Sie sehen in der CSA auch die pädagogische Chance, dass Menschen durch den direkten und verbindlichen Bezug zum Hof wieder ein grundlegendes Bewusstsein für ihren Einkauf und die Herkunft der Produkte entwickeln: "Die Menschen begreifen so, was die Vielfalt auf einem Hof, der vielfältige Produkte hervorbringt, kostet und wert ist". Nach einer Zeit der Gespräche mit Familie, Mitbegründer Lukas Dreyer, Nachbarn, Freunden und erfahrenen Menschen von "alteingesessenen" CSA Höfen stand der Entschluss fest - und von da an ging alles sehr schnell: "Ein paar Tage später hatte ich die Web-Seite im Netz, und direkt am nächsten Tag kam die erste Anfrage", schmunzelt Tobias Hartkemeyer, "eine Woche später haben wir den ersten von einer Reihe von Infotagen veranstaltet zu dem 130 Leute gekommen sind, von denen wir fast keinen kannten. Am Ende des Tages hatten wir von 30 Menschen die Zusage "Ich mach' mit" und 80 haben ihr Interesse bekundet".


Wertvolle Erfahrungen

In dieser Zeit waren für Hartkemeyers die Erfahrungen bestehender CSA Höfe, wie dem Buschberghof und dem Gärtnerhof Entrup, eine besonders wichtige Unterstützung bei Fragen zur Organisation und für die Weitervermittlung der Idee. Im Frühjahr 2011 startete die neue CSA "von null auf hundert", um 50 Menschen mit etwa 60 verschiedenen Gemüsesorten, Salat, Kräutern, Eiern, Honig, Fleisch und verschiedenen Brotsorten zu versorgen. Ökologisch und speziell biologisch-dynamisch zu wirtschaften ist Hartkemeyers dabei eine Herzensangelegenheit, "die Bedeutung der Zertifizierung tritt im direkten Kontakt zwischen Hof und Menschen aber in den Hintergrund". Inzwischen sind 250 Leute beteiligt. So viele Menschen kann der Betrieb in der jetzigen Form ernähren. Auf Hof Pente hat sich herausgestellt, dass der notwendige Monatsbeitrag bei etwa 110 Euro pro Erwachsenem liegt. Für Kinder wird die Hälfte veranschlagt "und wenn wir eine genauere Vorstellung von einem realistischen Richtwert haben, soll es den TeilnehmerInnen möglich sein, nach Selbsteinschätzung abweichende Gebote abzugeben", so Tobias Hartkemeyer, der sich freut, dass das CSA Konzept dazu anregt, anders zu denken: "Sonst ist die erste Frage bei Lebensmitteln "was ist der Preis und wie viel bekomme ich dafür?" Jetzt stellen wir einmal im Jahr die anfallenden Kosten dar und alle machen sich Gedanken, wie diese und die Produkte aufgeteilt werden können".


Die passende Form

Doch wie lässt sich so ein Konzept rechtlich und im Alltag organisieren? Grundsätzlich ist das bei jedem CSA Betrieb den Gegebenheiten entsprechend anders geregelt. Der landwirtschaftliche Betrieb Hof Pente ist eine GbR und verkauft alle Erzeugnisse an die Wirtschaftsgemeinschaft, die wie ein Hofladen als Einzelhandel geführt wird und somit auch außerhalb vom Hof weiterverarbeitete Produkte, wie Fleisch und Brot, handeln kann. Die CSA Mitglieder sind wiederum die einzigen "Kunden" dieser Wirtschaftsgemeinschaft. Freitags ist Abholtag, die "Rushhour" des Hofes. Im Abholraum versorgt sich jeder selbst, manche haben Fahrgemeinschaften gebildet und bringen sich abwechselnd ihre Anteile mit. Mittwochs kommt per E-Mail ein Überblick in die Haushalte, was gerade an Produkten vorhanden ist. Am Freitag selbst werden besondere Hinweise auf einer Tafel vermerkt, manchmal gibt es Beispieltüten zur Mengenorientierung. Da immer mehr Menschen immer weniger Gemüsesorten kennen und wissen, wie man sie zubereiten kann, hat es sich auf Hof Pente bewährt, ab und zu Kostproben für den Abholtag zuzubereiten.


Gemeinschaft als Aufgabe

Die alltäglichen landwirtschaftlichen und organisatorischen Aufgaben werden von der Hofgemeinschaft, mittlerweile bestehend aus drei Generationen der Familie Hartkemeyer, einer weiteren Familie, zwei Landwirtschafts- und Gärtnergesellen, drei Lehrlingen und Praktikanten bewältigt. Für die CSA TeilnehmerInnen haben sich mehrere regelmäßige Anlässe für die Planung, den inhaltlichen Austausch und den Kontakt mit Hof, Arbeit und Menschen entwickelt: Jeden Monat findet ein Freundeskreistreffen der Mitglieder und ein Mitmachtag statt. Außerdem werden monatliche "Nachrichten vom Hof" per E-Mail verschickt. Jeweils im Mai, kurz vor Beginn eines jeden Wirtschaftsjahres, steht ein Termin für die Jahreshauptversammlung an. Gemeinsam wird das Budget geplant und ein Richtwert für den Mitgliedsbeitrag des nächsten Jahres festgelegt. "Das ist die Hauptschwierigkeit: es ist nicht abschätzbar, wie viel Arbeit vor allem auch das Soziale macht", räumt Julia Hartkemeyer ein. Missen möchte aber weder sie noch ihr Mann das kraftvolle Potential, das sich in einer Gemeinschaft mit so vielen Menschen entfaltet. Beide sind überzeugt "der Impuls für ein anderes Verständnis von Lebensmitteln und Wirtschaftskreisläufen muss und kann von der Landwirtschaft selbst kommen".

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 365 - April 2013, S. 20
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2013