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BERICHT/209: Politik, Medien und Landwirtschaft im Gespräch beim Deutschen Bauerntag (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 26. Juni 2015

"Landwirtschaft und Gesellschaft - Wege zu besserem
Verständnis"

Politik, Medien und Landwirtschaft im Gespräch beim Deutschen Bauerntag


Zum Abschluss des Deutschen Bauerntages 2015 in Erfurt diskutierten die Delegierten auf dem Panel "Landwirtschaft und Gesellschaft - Wege zum besseren Verständnis" die öffentliche Wahrnehmung der Landwirtschaft und Möglichkeiten des gesellschaftlichen Dialogs. Unter Moderation des Agrarjournalisten Uwe Steffin stellten Vertreter der Parteien im Deutschen Bundestag, der Wochenzeitung ZEIT und der Landwirtschaft ihre Vorstellungen zur Verbesserung der Akzeptanz landwirtschaftlichen Handelns dar. Vor allem die mediale Darstellung über Tierhaltung und der Umweltschutz standen im Mittelpunkt der sehr engagierten Diskussion. Alle Teilnehmer der Diskussionsrunde appellierten einhellig, bei aller Kritik in der Sache die Bauernfamilien nicht zu diskriminieren und auszugrenzen. Sie seien Teil der Gesellschaft und gehörten als Erzeuger von Nahrungsmitteln, wegen des Erhalts der vielfältigen Landschaft, der Wertschöpfung und der Arbeitsplätze in die Mitte der Gesellschaft.

Gitta Connemann, Stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von CDU/CSU, sah die moderne Landwirtschaft angesichts der vielfältigen Kritik als "Prügelknabe der Nation". Die mediale und politische Diskussion sei stark von Schwarz-Weiß-Urteilen geprägt, wobei die Bevölkerung besonders der ländlichen Regionen schon wüsste, wie die Landwirte wirtschafteten. Doch öffentlich würden neue Gräben zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft gezogen, die es weder unter den Landwirten noch im Bauernverband gäbe. Für Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und von Beruf Landwirt, muss die Landwirtschaft fortgesetzt und intensiver mit den verschiedenen Gruppen der Bevölkerung kommunizieren. Er hob die Aktivitäten der Landwirte für eine stärkere Transparenz wie über Stallfenster und Hofbesichtigungen hervor. So könne erklärt und überzeugt werden, dass bäuerliche Familienbetriebe besten Tierschutz praktizierten. Der Begriff "Massentierhaltung" sei für die Praxis nicht definiert und eher ein diffamierendes Wort aus dem politischen, medialen Vokabular. Die Bauernfamilien würden erhebliche Leistungen und Werte für die Gesellschaft erbringen und hätten allen Grund, dies selbstbewusst in die öffentliche Diskussion einzubringen.

Die öffentliche Diskussion stärker auf ökonomische Gesichtspunkte zu fokussieren, empfahl der Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Robert Habeck (Grüne). Eine Grenze des Wachstums der Betriebe sei in einigen Regionen Deutschlands aus Umweltschutzgründen erreicht. Zum Beispiel fänden schweinehaltende Betriebe nicht mehr die gesellschaftliche Akzeptanz, auch aus Gründen des Gewässerschutzes. Doch für diese Betriebe hätte man derzeit noch keine ökonomische Antwort, wie sie sich zukunftsfähig entwickeln könnten. Habeck riet den Bauern, nicht nur Probleme zum Beispiel in den Märkte zu beklagen, sondern die systemischen Probleme zu diskutieren. Er befürworte, dass der Staat die Agrarmärkte bei zu hohem Angebot stärker regulieren müsse.

Ute Vogt, Stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der SPD empfahl die Wertschöpfung durch Regionalvermarktung zu verbessern. Die Landwirtschaft, speziell der Tier- und Umweltschutz, müsse auch durch gesellschaftlich getragene "Regeln" weiterentwickelt werden. Sie sprach sich für die Änderung des Tierschutzgesetzes aus, was laut Koalitionsvertrag auch vereinbart worden sei. Zertifizierte Haltungssysteme würden für mehr Akzeptanz bei der Bevölkerung sorgen.

Das lehnte Landwirt Johannes Scharl aus Bayern vehement ab. Eine weitere Gesetzes- und Regelungsflut würde hauptsächlich dazu führen, dass kleine und mittlere Betriebe ausscheiden und der Strukturwandel angeheizt wird. Er wies auch den Eindruck zurück, Tierhaltung sei ein rechtsfreier Raum. Dieser Eindruck entstehe aber durch die politischen Forderungen nach neuen Gesetzen in der öffentlichen Diskussion. Dabei würden die Landwirte ihre Betriebe nachhaltig und verantwortungsbewusst bewirtschaften und müssten heute schon sehr viele nationale und europäische Gesetze beachten und erfüllen.

Der stellvertretende Vorsitzende der Bundesfraktion DIE LINKE, Dietmar Bartsch, mahnte eine bessere Wertschätzung von Lebensmitteln und höhere Erzeugerpreise für die Landwirte an. Besonders der Lebensmittelhandel stehe in der Verantwortung. Er unterstrich auch die Forderung seiner Partei, faire Einkommenssituationen zu schaffen wie auch neue Regelungen bei der Erbschaftsteuer. So weise die Liste der reichsten Deutschen einige Lebensmittelhändler auf, jedoch keinen Landwirt. Dabei werde durch die Arbeit der Bauern nicht nur die Lebensmittelversorgung gesichert, sondern sie sei auch die Grundlage für die wirtschaftlichen Entwicklungen und für zahlreiche Arbeitsplätze auf dem Land. Dies müsse der Bevölkerung stärker bewusst gemacht werden.

Für den Journalisten Andreas Sentker von der Wochenzeitung Die Zeit muss Journalismus das Positive wie das Kritische berücksichtigen. In den Redaktionen gebe es wie in der Gesellschaft eine Vielzahl von Meinungen wie Überzeugungen. Die praktische journalistische Arbeit sei bestimmt durch das Kürzen fachlich schwieriger Zusammenhänge auf das Wesentliche sowie durch Zuspitzung, um Interesse beim Leser zu wecken. Auch sei es die Aufgabe von Journalisten, kritische Fragen zu stellen. Damit müsse jeder, der in der Öffentlichkeit stehe, umgehen und dies auch als Chance der Darstellung der eigenen Anliegen betrachten. Doch entwickle sich damit auch eine Informationslücke, die der "Transformator Journalist" nicht ausfüllen könne. Diese müssten die Bauern und ihre Familien von sich aus ausfüllen und mit der Gesellschaft intensiver über ihre Arbeit und Leistungen sprechen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 26. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2015

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