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GENTECHNIK/429: Verbot für Gen-Mais und Protest gegen ein Schweine-Patent (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion 5/2009

Arme Sau
Ein Verbot für Gen-Mais und der Protest gegen ein Schweine-Patent

Von Alexander Foitzik


Gleich zweimal binnen einer Woche hat Mitte April der ängstliche Zauberlehrling wieder einmal versucht, den entfesselten, unbeherrschbar gewordenen Besen in die Ecke zurückzubannen, konkret sich dem unheimlich gewordenen gentechnisch gestützten Fortschritt im Agrarbereich in den Weg zu stellen. Es ist doch gerade die Landwirtschaft, wo wir uns, trotz Rinderwahn und Hormonskandalen, den zugegeben leicht romantisch verklärenden Blick auf eine einigermaßen heile Welt erhalten wollen - vor Augen beispielsweise das Idyll wogender Maisfelder oder die zufrieden grunzende Schweinefamilie im kleinbäuerlichen Stall, unser Glückssymbol.

Dabei ging es zunächst um zwei recht verschiedene Sachverhalte, verbunden allerdings über das offenbar nicht unbegründete Misstrauen gegenüber dem Agieren und der enormen Macht einer Handvoll international aufgestellter Agrokonzerne. Zu Beginn der Woche hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner Anbau und Aussaat einer gentechnisch veränderten Maissorte des US-Amerikanischen Agrarkonzerns Monsanto verboten, begründet mit dem (noch nicht) kalkulierbaren, weil nicht ausreichend erforschten Risiko für Umwelt und Verbraucher. Die Maispflanze produziert vereinfacht gesprochen ein eigenes Pestizid, das sie vor einem gefürchteten Schädling schützt.

Wie viel parteipolitisches Kalkül zu diesem Zeitpunkt auch immer hinter der Entscheidung der CSU-Ministerin stand, fand sie doch breite Zustimmung. Unter deutschen Bauern, aber auch in der Bevölkerung bestehen (nach wie vor) große Vorbehalte gegenüber der so genannten grünen Gentechnik. Während aber etwa der Deutsche Bauernverband das Verbot begrüßte, wertete die Bundesforschungsministerin Annette Schavan den Vorstoß der Kabinettskollegin als herben Schlag gegen den Wissenschaftsstandort Deutschland. Und mit unverhohlenem Sarkasmus verweisen ihrem Selbstbild nach fortschrittsorientierte und wissenschaftsfreundliche Journalisten - vereint mit den Lobbyisten der Agrarindustrie - auf die Pestizide, die die vermeintlich so naturverbundenen deutschen Bauern offenbar lieber auf ihre Maisfelder spritzten.

Wenige Tage später fanden sich zahlreiche Vertreter einer gleichwohl bemerkenswerten Koalition zum Protest vor dem Europäischen Patentamt in München ein: Bauernverbände aus Deutschland, Argentinien, Indien und Italien, Umweltschutzorganisationen und kirchliche Hilfswerke wie Misereor, die häufig genug sehr unterschiedlichen, auch gegenläufigen Interessen dienen, kämpfen in diesem Fall seit Jahren in seltener Einmütigkeit und vereint zu einem globalen Bündnis: Gegen die in Europa möglich gewordene Patentierung von Pflanzen, Saatgut und Nutztieren. Der Patentschutz sei für technische Neuerungen entwickelt, um Unternehmer und Forscher darin zu unterstützen, ihre Innovationen bis zur Marktreife zu entwickeln. Tiere und Pflanzen seien aber keine Erfindung.

Konkret ging es jetzt um "das Patent auf die arme Sau!", wie die Kampagne medienwirksam betitelt war. An diesem Apriltag endete die Einspruchsfrist und wieder war Monsanto im Spiel. Dort hatte man ein Verfahren zur Zucht von Schweinen entwickelt und patentieren lassen, mit dem sich ein bestimmtes Gen nachweisen lässt, das die Sau schön fett und den Braten recht saftig werden lässt; mittlerweile allerdings hat Monsanto Verfahren und Patent verkauft. Über 5000 Einzelpersonen sowie etwa 50 Verbände haben sich nach Angaben von Misereor dem Sammeleinspruch gegen das Schweine-Patent über die internationale Protestplattform "Kein Patent auf Leben!" angeschlossen. Zeitgleich legte die Umweltorganisation Greenpeace eine neue umfangreiche Recherche vor, nach der sich die vom Europäischen Patentamt genehmigten Patente inzwischen von der Zucht von Kühen bis auf die Milch erstreckten.

Konzerne wie Monsanto meldeten systematisch Patente auf die gesamte Produktionskette an, ausgehend vom Saatgut bis hin zur Verarbeitung der Ernte, egal ob Lebensmittel, Futtermittel oder Biomasse zur Energieerzeugung hergestellt werden soll. Und dabei würden gleichermaßen Züchtungsverfahren mit und ohne Gentechnik beansprucht. Umwelt und Bauernverbände, aber eben auch Entwicklungsorganisationen sorgen sich, dass über solche Patent-Ansprüche der Konzerne die Landwirtschaft weltweit in immer größere Abhängigkeit von einer immer mächtigeren Agrarindustrie gerät, die Lebensmittel damit noch teurer und die Hungerprobleme in der Welt noch größer werden. Firmen könnten die Preise diktieren, ebenso was angebaut, welche Spritzmittel eingesetzt werden. Bei Misereor sorgt man sich besonders, dass Bauern in Entwicklungsländern durch derartige Patente die Rechte an ihrem eigenen Saatgut verlören. Patente auf Saatgut trügen über die Verteuerung des Anbaus zur Verschärfung der weltweiten Ernährungslage bei. Umgekehrt sei der freie Zugang zu Saatgut und Nutztieren unverzichtbare Grundlage der Ernährungssicherung in der ganzen Welt.

Der Verbraucher, der nur in Ruhe sein saftiges Schnitzel genießen will, steht nach einer solchen Woche verstört, fühlt sich rat- und hilflos: Auch aus dem Paradies der wogenden Maisfelder und der glücklich grunzenden Schweine sind wir längst vertrieben. Allerdings, so hilflos ist er nicht. Die Meldungen dieser Woche im April haben ein grelles Licht auf die hoch komplexen landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen geworfen, auch unter dem Aspekt weltweiter Gerechtigkeit beziehungsweise Ungerechtigkeit. Das braucht niemand den Appetit zu verderben. Aber für Gedanken über den Preis und den Wert, die Herkunft des Schnitzels und die Frage, wie oft ich dieses wirklich auf dem Teller brauche, sollte gelegentlich Zeit und Gelegenheit sein.


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Alexander Foitzik, Redakteur, Dipl. theol., geboren 1964 in Heidelberg. Studium der Katholischen Theologie in Freiburg und Innsbruck. Seit 1992 Redakteur der Herder Korrespondenz. (foitzik@herder.de)


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
63. Jahrgang, Heft 5, Mai 2009, S. 122
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2009