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GENTECHNIK/455: BASF-Gentechnik-Kartoffel kommt nicht in Frage (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 332 - April 2010,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

BASF-Gentechnik-Kartoffel kommt nicht in Frage
EU-Kommissar lässt Amflora zu - Stärkeindustrie meldet Bedenken an

Von Annemarie Volling


Als erste Amtstat hat der neue EU-Gesundheits- und Verbraucherkommissar John Dalli am 2. März 2010 die gentechnisch veränderte Stärkekartoffel "Amflora" der BASF zum Anbau und zur industriellen Verwertung in der EU zugelassen. Die BASF betont, dass die neue Stärkekartoffel rein für die industrielle Verwertung, bspw. zur Papierherstellung genutzt wird, nicht für Lebensmittel. Zeitgleich bewilligte die EU-Kommission die Zulassung der Amflora als Futtermittel und auch als Lebensmittel, bis zu 0,9 Prozent GVO-Anteil. Diese Form der Zulassung ist ungewöhnlich, denn nach der geltenden Rechtslage gibt es keinen Grenzwert bei Zulassungen. Entweder ein GVO hat eine Zulassung oder es gilt Nulltoleranz. Dass Kontaminationen sicher auszuschließen sind, scheint selbst die BASF nicht zu glauben. Mit dieser 0,9 Prozent-Zulassung für Lebensmittel hat die BASF nun von der EU-Kommission eine "Verschmutzungslizenz" bekommen und muss bei Verunreinigungen die Ware nicht aus dem Verkehr ziehen. Der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF entwickelte die GV-Kartoffel in den 90er Jahren. Rund 7 t/ha weniger Ertrag bringt sie als konventionelle Vergleichssorten. Mehr als 14 Jahre hat Amflora für den Zulassungsprozess gebraucht und das nicht ohne Grund: Sie steht stark in der Kritik, sowohl unter gesundheitlichen, ökologischen, aber gerade auch unter wirtschaftlichen Aspekten. Unverständlich, dass ein EU-Gesundheitskommissar die Warnungen sowohl der Weltgesundheitsorganisation (WHO), als auch der Europäischen Arzneimittelbehörde EMEA ignoriert und den Anbau und die Verwendung einer Pflanze erlaubt, die eine Resistenz gegen zentrale Antibiotika im Kampf gegen die Tuberkulose enthält.


Industrie skeptisch

Ob sich die gentechnisch veränderte Stärkekartoffel Amflora auf dem Acker und in den Stärkefabriken durchsetzen wird, entscheidet sich in der Praxis. Die Stärkeindustrie jedenfalls hat sofort Bedenken angemeldet. So erklärte der Laborleiter Henk Jaap Meijer der Emsland Stärke GmbH gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Die ursprüngliche Planung war, im Fall der Zulassung durch die EU-Kommission den Anbau der Gen-Kartoffel zu starten." Doch in der Zwischenzeit habe sich die Meinung geändert: "Wir sehen zurzeit keine Möglichkeit, Amflora anzupflanzen. Die Konsequenzen wären zu groß." Denn das Risiko, Geschäftspartner zu verlieren, sei zu hoch (aus NOZ, 3.03.2010).

Avebe, ein niederländischer Stärkekonzern, erkennt zwar die potenziellen Möglichkeiten an, die durch die Zulassung der Amflora für künftige Entwicklungen bei Non-Food-Anwendungen zur Verfügung stehen würden, bekennt sich aber klar zur eigenen, gentechnikfreien Amylopektin-Stärkekartoffel "ELIANE". Eliane wurde in firmeneigenen Züchtungsforschungsinstituten durch traditionelle Methoden in den letzten fünf Jahren entwickelt und wird "jetzt sehr erfolgreich im Lebensmittel- und Non-Food-Bereich vermarktet". Avebe stellt klar heraus, dass sie "nur gentechnikfreie Stärkekartoffeln in allen (ihren) Werken verarbeitet und zu diesem Zeitpunkt weder GV-Stärke erzeugt noch verkauft oder daraus hergestellte Eiweiße" (Statement der Avebe zur Amflora vom 15.03.2010, eigene Übersetzung). "Für uns kommt Amflora definitiv nicht in Frage", so Josef Königbauer, Geschäftsführer der Firma Südstärke auf Anfrage der Bauernstimme. "Wir beliefern Lebensmittelkunden in Deutschland und in der EU. Unsere Kunden wollen gentechnikfreie Ware, da können wir uns einen Anbau von Amflora nicht erlauben. Unsere Stärke wird in zwei Fabriken verarbeitet, die Stärke lagert dann in Großsilos, wir verkaufen sie kontinuierlich übers Jahr. Sowohl als Industrierohstoff für technische Produkte, als auch gerade für die Lebensmittelindustrie - darunter Großkonzerne aber auch kleine und mittlere Lebensmittelverarbeitungsunternehmen. Schon lange verpflichten wir unsere Bauern in Anbauverträgen dazu, dass sie gentechnikfrei liefern. Gegenüber der Lebensmittelindustrie müssen wir garantieren, dass wir gentechnikfreie Ware anliefern. Sorten, die einen höheren Stärkegehalt haben, sind durchaus wünschenswert und können eine Zukunft haben - sofern sie gentechnikfrei gezüchtet sind und sowohl die Erträge als auch die Stärkegehalte stimmen."


Bauern wollen Amflora nicht

Auch auf dem Acker scheint eine Trennung nicht möglich: "Viele Bauern bei uns bauen Stärkekartoffeln an, die dann in der Lebensmittelverarbeitung oder als Industrierohstoff verwendet werden können. Gleichzeitig vermehren sie Pflanzkartoffeln und erzeugen Speisekartoffeln. Deshalb sind wir sehr sensibel, wir wollen uns unseren guten Ruf nicht durch eine gentechnisch veränderte Kartoffel kaputt machen lassen, die niemand braucht und die unsere Märkte zerstören würde", kommentiert Reiner Huber, konventioneller Kartoffelbauer, Erzeugergemeinschaft Qualitätskartoffeln Neuburg-Schrobenhausen und Mitglied der Südstärke. Schon jetzt zeichnet sich die Stärkekartoffelerzeugung durch eine enge Regelungsdichte aus. Bei der patentgeschützten GV-Kartoffel Amflora hat sich der Inverkehrbringer BASF ein neues Vertragsmodell ausgedacht: "Die BASF beliefert die Stärkefabrik mit Pflanzkartoffeln, die sie dann an die Bauern verteilt. Die Stärkefabrik müsste sicher stellen, dass die Amflora-Karoffeln auch wieder an die Fabrik abgeliefert werden. So will die BASF ihre Lizenzen sicher stellen, indem sie die Stärkefabriken als Flaschenhals nutzen will. Das ist bisher nicht die Aufgabe der Südstärke. Mit der Amflora haben wir uns nicht näher beschäftigt. Die Lebensmittelindustrie zahlt uns einen guten Preis gegenüber der Industrie. Das wollen wir nicht aufs Spiel setzen", erklärt Franz Schoderer, konventioneller Kartoffelbauer und Aufsichtsrat in der Südstärke.


Auch Verarbeiter gentechnikfrei

Bei den Burgi's GmbH Feinkostwerken in Neumarkt steht die Gentechnikfreiheit in ihrer Unternehmensphilosophie. "Unsere Kunden wollen gentechnikfrei. Ich bin da durchaus optimistisch, denn unser größter Lieferant, die Südstärke, hat uns schon vor Jahren versichert, dass GV-Kartoffeln für sie kein Thema sind. Sie können es sich nicht erlauben, GV-Kartoffeln zu verwenden, weil sie viele Lebensmittelstärke verarbeitende Unternehmen bedienen, die keine GVOs haben wollen. Auch bei Zusatzprodukten sind wir konsequent: Unsichere Zusatzprodukte, wo die Lieferanten uns keine Gentechnikfreiheit garantieren können, tauschen wir aus.

Da tun wir alles, um gentechnikfrei zu bleiben. Wir vermehren unsere eigenen Sorten, die werden jährlich bei einem spezialisierten Labor auf Gentechnik untersucht. Auch Zwischen- und Endprodukte werden untersucht. Die Qualitätssicherung hinsichtlich der Gentechnikfreiheit kostet uns zwar jährlich mehrere tausend Euro, aber das ist es uns und unseren Kunden wert", so Rudolf Braun, Leiter Einkauf Burgi's Feinkost.

Auch die BASF selber scheint nicht so richtig an den Erfolg von ihrer Amflora zu glauben. Warum sonst haben sie gleich nach ihrer Zulassung angekündigt, noch in diesem Jahr eine Amflora II in den Zulassungsprozess einzureichen? Im nächsten Jahr soll laut Ankündigung der BASF eine GV-Kartoffel für die Lebensmittelindustrie folgen. Österreich und Luxemburg prüfen schon ein Anbauangebot. Dr. Till Backhaus, Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, wo 20 Hektar Amflora-Anbau im Standortregister angemeldet sind, fordert Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner auf, ebenfalls ein Anbauverbot zu prüfen. Was hindert ihn daran, das selbst zu tun? Die gentechnikkritische Bewegung hat bereits Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern angekündigt.


Annemarie Volling
Koordination Gentechnikfreie Regionen in Deutschland


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 332 - April 2010, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2010