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GENTECHNIK/474: Trügerische Trennbarkeit (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 337 - Oktober 2010,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Trügerische Trennbarkeit
Österreich, Ungarn und Luxemburg klagen vor dem EuGH gegen Amflora

Von Christiane Hinck


Ein paar weiße unter den erwarteten violetten Kartoffelblüten - das klingt nicht nach einem Skandal. Bereits im August wurden in Schweden, dort, wo die BASF eigentlich die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora vermehrt, Blüten der Gentechnik-Sorte Amadea gefunden. Unter 0,01 Prozent soll die Kontamination mit Amadea in Schweden nach Angabe des Unternehmens liegen. Zugelassen ist Amadea in der EU bisher weder zum Anbau noch zum Import als Futtermittel. Den Antrag, dies zu ändern, stellte die BASF Ende August, etwa zeitgleich mit dem Melden der Kontamination an die schwedischen Behörden. In Deutschland betätigte sich der Bundeswirtschaftsminister Brüderle zu diesem Zeitpunkt als Erntehelfer der umstrittenen Kartoffel Amflora.


Pflanzgut stammt aus Schweden

Amflora-Saatkartoffeln aus Schweden wurden auf 14 ha in Zepkow, Mecklenburg-Vorpommern, vermehrt. Nach Prüfung der Verfahrensabläufe sei laut Konzern die Ursache der Vermischung geklärt. Geschäftsführer Peter Eckes: "Es kam in unseren Räumen zu der Verwechslung, da Pflanztöpfe von Amadea und Amflora dort zeitweise gemeinsam standen." Wie BASF sagt, stamme das deutsche Pflanzgut aus Chargen, das immer separat von Amadea aufgezogen wurde. Zum weiteren Vorgehen wollte sich das Landesagrarministerium noch nicht äußern.

Ein sehr geringer Verunreinigungsgrad von 0,01 Prozent kann in der Praxis wegen der nötigen riesigen Stichprobe nicht nachgewiesen werden: Bei einer Kontamination im Verhältnis von einer auf 10.000 Kartoffeln, müsste jede einzelne getestet werden. Zur Verdeutlichung: Geht man von einem 25 kg Sack Kartoffeln aus, so beinhaltet dieser 350 Kartoffeln. BASF führt deshalb lediglich eine reguläre Beprobung durch, bei der erst eine Vermischung von 0,9 Prozent festgestellt werden kann, so BASF-Sprecherin Stellbrink. Annemarie Volling, AbL-Gentechnikexpertin und Koordinatorin der gentechnikfreien Regionen Deutschland: "Es kann nicht angehen, dass BASF daraus den Schluss zieht, eine Überprüfung nach Augenmaß sei ausreichend. Wenn BASF keine 100-prozentige Reinheit der Pflanzkartoffeln garantieren kann, muss es die Ernte vernichten." In Schweden wurden die Amadea-Pflanzen an der Blütenfarbe erkannt. In Deutschland habe BASF keine Auffälligkeiten festgestellt. Konzern gehe deshalb von der Reinheit der deutschen Ernte aus. Die Sorte Amflora blühe insgesamt eher selten, so Stellbrink. Karsten Ellenberg, Kartoffelzüchter aus Niedersachsen, sagt: "Es gibt viele Kartoffelsorten, die selten oder nie blühen." Wären auch nur einzelne Amadea-Pflanzen von Zeit zu Zeit blütenlos, wäre denkbar, dass diese bei Kontrollgängen übersehen wurden. Kontrollen durch das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei haben laut Erbe, dort zuständig für Kontrollen im Gentechnikbereich, nicht während der Blüte stattgefunden. Geprüft wird bei Begehungen der Gesundheitszustand der Amflora, wenngleich dies nach Saatgutverkehrsgesetz nicht vorgeschrieben ist. Das Sicherheitsmanagement unterliegt allein der BASF selbst.


BASF-Sicherheitsgarantien

Agrarminister Till Backhaus hat indessen ein Inverkehrbringen, d.h. den Handel mit dem Pflanzgut verboten. Gegenüber NDR-Info sagte Backhaus, die verordnete Sperre gilt so lange, bis zu 100 Prozent widerlegt sei, dass auch das in Zepkow verwendete Pflanzgut mit Amadea verunreinigt war. Für den Fall einer Verunreinigung müsse das gesamte Erntegut vernichtet werden, so Backhaus in einer Pressemitteilung. BASF plant, die Kartoffeln nach der Ernte als Pflanzgut einzulagern. Kommerzieller Anbau und Verwertung durch die Stärkeindustrie war laut Greenpeace nur in Tschechien geplant.

Dazu Annemarie Volling: "Die aktuelle Vermischung mit Amadea zeigt, dass eine sogenannte Koexistenz nicht möglich ist. Das von der BASF in den höchsten Tönen gelobte eigene Sicherheitskonzept ist wie eine Seifenblase geplatzt. Dieser Vorfall zeigt wieder einmal, dass die Gentechnik-Industrie nichts im Griff hat." Dies sei bei BASF bereits 2008 deutlich geworden, als die Amflora auf 20 ha auf der falschen Fläche freigesetzt worden war. Peter Eckes, Geschäftsführer der BASF Plant Science, erklärte nun die Ursache der Vermischung in Schweden: "Es kam in unseren Räumen zu der Verwechslung, da Pflanztöpfe von Amadea und Amflora dort zeitweise gemeinsam standen." Solche wiederholt aufgetretenen Fehler stehen im Widerspruch zu der scheinbar strikt vollzogenen Trennung, die der Weltkonzern immer wieder beteuert. Freisetzungsversuche mit GV-Kartoffeln in Deutschland, bei denen es auf über einem Drittel der Standorte auch im zweiten Jahr nach der Ernte zu Durchwuchs kam, zeigen, dass Koexistenz nahezu unmöglich ist. Aus Schottland und England liegen Studien vor, in denen von einem steigenden Aufkommen von Durchwuchs, sogar aus Kartoffelsamen in den Folgekulturen, berichtet wird. Sicherheitsmaßnahmen gegen die Vermehrung durch Samen gibt es bei BASF nach eigener Aussage nicht.


Amadea: Nachfolgerin der Amflora?

Die Länder Luxemburg, Ungarn und Österreich klagen indessen vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Zulassung der Amflora. Vor allem das Risiko einer Verbreitung von Antibiotikaresistenzen durch die eingesetzten Markergene, aber auch fehlende Fütterungs- und Umweltverträglichkeitsstudien sind für sie Gründe, die Zulassung anzuzweifeln. Amflora ist als Futtermittel zugelassen. In Lebensmitteln gibt es einen Toleranzschwellenwert: Bis zu 0,9 Prozent dürfen konventionelle Kartoffeln mit dieser Gentechnik-Sorte verunreinigt sein.

Nach Ansicht der Kläger verstößt die Kommission damit gegen EU-Recht, da es keinen Grenzwert bei Zulassungen gibt. Entweder hat eine gentechnisch veränderte Pflanze eine Zulassung oder es gilt Nulltoleranz. Österreich hat bereits im März 2010 ein Anbauverbot für Amflora durchgesetzt. Luxemburg und Ungarn zogen nach. Die Verbote stützen sich auf die sog. Schutzklausel der EU-Freisetzungsrichtlinie. Danach dürfen Staaten aus gesundheitlichen oder ökologischen Risiken gentechnisch veränderte Konstrukte verbieten, die eine EU-Zulassung besitzen. "Agrarministerin Aigner sollte Nachhilfestunden bei Österreich, Ungarn und Luxemburg nehmen, anstatt einen Kniefall vor der BASF zu machen", fordert Volling.

Amadea ist wie Amflora eine amylopektinreiche gv-Stärkekartoffel und soll diese nach Vorstellung des Konzerns 2013/2014 ersetzen. Der Konzern prüft, ob die Kartoffel auch in der Nahrungsmittelindustrie eingesetzt werden kann. Bisher hat die Stärke-Industrie aber noch nicht einmal an der Amflora Interesse. Mit der Anbauzulassung einer Gentechnik-Kartoffel beschreiten die Europäer Neuland. In den USA und in Kanada wurden Gentechnik-Kartoffeln nach Bedenken von Abnehmern wieder vom Markt genommen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 337 - Oktober 2010, S. 16
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2010