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GENTECHNIK/523: Entwicklungen ohne Gentechnik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 380 - September 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Entwicklungen ohne Gentechnik
Nach anderslautenden Ankündigungen steigt der Geflügelbereich nun doch nicht aus der GVO-freien Fütterung aus

von Annemarie Volling, Netzwerk gentechnikfreie Landwirtschaft



Mitte Februar dieses Jahres erklärten die Verbände der großen Geflügelfleisch- und Eierproduzenten aus Deutschland, dass ihre Produkte ab sofort wieder mit gentechnisch verändertem (GV) Soja erzeugt werden müssten. 14 Jahre nachdem die Geflügelbranche sich verpflichtet hatte, keine Gentechnik-Pflanzen zu verfüttern. Auch McDonalds Europe verkündete, sie hätten die Beschränkungen für ihre Hähnchenfleischlieferanten aufgehoben, nach denen diese vorher ausschließlich gentechnikfreies Hühnerfutter einsetzen durften. Lediglich österreichische, französische und Schweizer McDonalds Filialen setzen weiter auf gentechnikfreie Fütterung. Als ein Grund ihres Rückzugs nannten die Geflügelverbände die mangelnde Verfügbarkeit gentechnikfreier Soja. Dabei gibt es nach Angaben brasilianischer Sojaproduzenten 2014 im Vergleich zur Vorsaison sogar zehn Prozent mehr gentechnikfreie Soja. Zwar gab es im letzten Jahr Lieferverzögerungen, diese hatten ihre Ursache jedoch in der Logistik und nicht im Angebot. Die Kapazität der brasilianischen Häfen war nicht parallel zum vermehrten Sojaanbau ausgeweitet worden. Die Engpässe sollten in diesem Jahr behoben sein. Vielleicht war und ist es aber auch ein Austesten der Branche, was dem Handel die Gentechnikfreiheit wert ist?


Dynamik

Keinesfalls verfolgten alle Branchenmitglieder den eingeschlagenen Kurs des Zentralverbands der Geflügelwirtschaft (ZDG) und des Bundesverbands Deutsches Ei (BDE). So hat Deutschlands größter Vermarkter der Eier-Produzenten, die Deutsche Frühstücksei, frühzeitig deutlich gemacht, dass sie an ihrem Gentechnikfrei-Programm festhält. Gleiches erklärte Plukon Deutschland (ehemals Stolle), einer der fünf Großen im Geflügelmastbereich. Auch die REWE Group teilte mit, dass das Hähnchensortiment der Eigenmarken gentechnikfrei bleibe. Seit Anfang 2013 verzichtet REWE bei sämtlichen Hähnchen ihrer Eigenmarken im Frischebereich auf gentechnisch veränderte Soja. Edeka dagegen vermeldet, sie seien noch im Findungsprozess.

Seit dem Frühjahr gibt es eine große Dynamik im Eier- und Geflügelfleisch-Bereich und intensive Diskussionen zwischen Handel und Mästern. Der Handel, so Alexander Hissting vom Verein "Lebensmittel ohne Gentechnik" (VLOG), drängt die Mäster und Legehennenhalter, wieder auf gentechnikfreies Geflügelfleisch und Eier umzustellen. Und - zumindest im Bereich der Schaleneier - scheint es sechs Monate später eine Wende zu geben. Laut Lebensmittelzeitung verhandeln die Lebensmitteleinzelhändler und Eierproduzenten zurzeit über neue Verträge. Anscheinend fordern nicht nur Rewe und Edeka sondern auch die Discounter Aldi und Lidl eine gentechnikfreie Fütterung von den Eierproduzenten. Hissting ist optimistisch: "Wir rechnen damit, dass zum Jahresende nahezu alle Schaleneier im deutschen Lebensmitteleinzelhandel aus gentechnikfreier Tierfütterung stammen". Der Wille der Eiervermarkter sei in vielen Gesprächen deutlich geworden. Greenpeace hat 30 der großen Eiervermarkter diesbezüglich abgefragt. Alle bieten Schaleneier aus gentechnikfreier Fütterung an, allerdings mit unterschiedlichen Standards. Einige haben als Nachweis der gentechnikfreien Fütterung die Lieferscheine. Andere haben einen eigenen Zertifizierungsprozess aufgebaut.

Auch im Geflügelmastbereich drängt der Lebensmittelhandel die Mäster, wieder auf gentechnikfreies Geflügelfleisch umzustellen. "In mehreren Handelsrunden haben sie das klar artikuliert - aber die Mäster mauern", so Hissting. Durch die starke Konzentration des Geflügelmastbereiches - 70 bis 75 % des Hähnchenmarktes wird von den zwei Mästern Wiesenhof (die PHW-Gruppe) und der Rothkötter Gruppe bedient - ist es auch für die sonst mächtigen Handelsunternehmen, wie bspw. Lidl oder Aldi nicht einfach Druck aufzubauen, wenn sie ihre Angebotsmenge aufrechterhalten wollen. Allerdings gibt es Marktverschiebungen. Bei Plukon, die weiterhin auf die gentechnikfreie Erzeugung setzen, steigt der Anteil bei gentechnikfrei erzeugtem Geflügel.


Differenzierung

Unklar ist, ob der Handel frühzeitig in die Überlegungen der Geflügelbranche einbezogen wurde, wieder auf Gentechnik-Futter umzustellen. Zumindest ist hierdurch die Diskussion um die Kennzeichnung der gentechnikfreien Fütterung wieder in Gang gekommen. Bislang wurde eine "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung nicht offensiv betrieben. Das könnte sich jetzt ändern und der Handel sowie die Erzeuger und Verarbeiter könnten sich durch eine Kennzeichnung weiter differenzieren. Bewegung gibt es bei der EDEKA, die aktuell Mitglied im Verein Lebensmittel ohne Gentechnik geworden ist und in ihrer Pressemeldung angibt, dass bei allen Edeka Eigenmarken Produkten die Fütterung der Schweine, Rinder und Geflügel schrittweise auf heimische Futtermittel oder auf zertifiziert verantwortungsvolles, gentechnikfreies Soja umgestellt werden soll. Ab Herbst seien erste Produkte "ohne Gentechnik" in den Märkten zu finden. Welche das werden und welchen Zeitplan es gibt, konnte die EDEKA auch auf Nachfrage noch nicht nennen. Aktuell, so das Unternehmen, liefen Prüfprozesse bei den Vorlieferanten, um die Voraussetzung für eine entsprechende Zertifizierung abzuklären.


Milch vorne

Vorreiter der "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung war der Milchbereich. Laut VLOG vermarkten 35 Lizenznehmer "ohne Gentechnik" Milchprodukte. Molkereien, Käsereien und Joghurthersteller sind die Lizenznehmer und loben ihre Produkte ganz oder teilweise aus. Etwa 22 Prozent der erfassten deutschen Milch entspricht den "ohne Gentechnik"-Kriterien. In Bayern sind es laut einer Untersuchung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in diesem Jahr sogar schon mindestens 25 Prozent - wenn nicht 40 Prozent (siehe Seite 12 [im Schattenblick unter www.schattenblick.de → Politik → Ernährung: GENTECHNIK/522: Bayern - Immer mehr Milch ohne Gentechnik (UBS)]).

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 380 - September 2014, S. 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2014