Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2019
Kolonialherrschaft im neuen Gewand
Afrika als Versuchsfeld für neue Gentechnik
von Mariam Mayet
Während der Anbau gentechnisch veränderter (GV) Nutzpflanzen der ersten Generation in Afrika weiter aggressiv ausgeweitet wird, lässt die Afrikanische Union (AU) hinter den Kulissen zu, dass Biotechnologieunternehmen neue und noch kontroversere Gentechniken der zweiten Generation testen. Die afrikanische Zivilgesellschaft ist wachsam und das Misstrauen gegenüber der Fähigkeit der afrikanischen Regierungen, für Offenheit, Transparenz, Inklusion, Verantwortlichkeit und gute Regierungsführung zu sorgen, wächst. Ausgehend vom starken Wunsch nach Ernährungssouveränität kämpft die Zivilgesellschaft zunehmend gegen die weitere Konsolidierung der Vorherrschaft großer Agrarunternehmen.
Die Einführung und Verbreitung von GV-Nutzpflanzen in Afrika
wurde von derselben Handvoll Unternehmen gesteuert, die auch die
globale Saatgut- und Agrochemieindustrie beherrschen. Die 3
Mega-Zusammenschlüsse Bayer-Monsanto, DuPont-Dow und Chem-China mit
Syngenta kontrollieren zusammen etwa 60 Prozent des durch Patente
geregelten Weltsaatgut- und 64 Prozent des Agrochemiemarktes.
Das Spiel beginnt
In den letzten 15 Jahren wurden vorrangig in Südafrika GV-Nutzpflanzen
kommerziell angebaut. In den letzten 3 Jahren gab es allerdings eine
dramatische Zunahme; so werden derzeit auch im Sudan, in Nigeria und
in Äthiopien GV-Nutzpflanzen kultiviert. Die Regierungen von Swasiland
und Malawi haben vor Kurzem ebenfalls den Anbau von gentechnisch
veränderter Baumwolle zugelassen und Nigeria prüft derzeit die
Zulassung von gentechnisch veränderten Augenbohnen. Die
Biotechnologieindustrie, die Behörde der Vereinigten Staaten für
internationale Entwicklung (USAID) und anhängige afrikanische
WissenschaftlerInnen üben enormen Druck auf Kenia und Uganda aus,
GV-Nutzpflanzen unter dem Deckmantel des Kampfes gegen
Herausforderungen wie Klimawandel, Mangelernährung, Urbanisierung und
Bevölkerungswachstum einzuführen. Die Gates-Stiftung und USAID sind
wichtige Geldgeberinnen für den Kapazitätsaufbau im Bereich
Biosicherheit und Technologietransfer. Ein verwobenes Netz von
Institutionen und Programmen überwacht die Entwicklung von Gesetzen
zum Thema Biosicherheit sowie von technischen Richtlinien und
PR-Maßnahmen im Bereich GV-Nutzpflanzen. Die Agrarkonzerne, allen
voran Monsanto, sind öffentlich-private Partnerschaften eingegangen,
um den Anbau von GV-Nutzpflanzen voranzutreiben. Ein Beispiel ist das
Projekt 'Wassereffizienter Mais für Afrika' (WEMA).
Übernahme der gesamten Nahrungskette durch
Biotechnologieunternehmen
Der zunehmende Einsatz von genmanipulierten Nutzpflanzen in der
afrikanischen Landwirtschaft bedroht die Unabhängigkeit von der
Saatgutindustrie, reduziert die landwirtschaftliche Vielfalt und
verlangt den Eintrag von schädlichen Substanzen wie synthetischem
Dünger und Agrochemieprodukten. Der Anbau von und Handel mit
GV-Nutzpflanzen hat außerdem weitreichende soziale und wirtschaftliche
Folgen und erhöht die tatsächlichen Kosten für SteuerzahlerInnen,
LandwirtInnen und LebensmittelherstellerInnen. Die Verunreinigung von
konventionellem Saatgut ist ein ständiges Risiko. Außerdem halten
Biotechnologieunternehmen Patente auf die genetischen Eigenschaften
konventioneller und GV-Nutzpflanzen, wodurch sie eine solche
Marktmacht haben, dass sie jedes Jahr wieder neue Gewinne damit machen
können. Somit werden der Einsatz von Nachbausaatgut sowie lokale
Züchtungen von Nutzpflanzen und die landwirtschaftliche Vielfalt
bedroht.
Während Afrika mit seinem Vorstoß in den Anbau von GV-Nutzpflanzen beschäftigt ist, geht es in der aktuellen internationalen Diskussion um die Entwicklung neuer Techniken der Genom-Editierung (GE). Diese Techniken werden derzeit im Rahmen der Biodiversitätskonvention (CBD) und des Cartagena-Protokolls geprüft.
Wegbereiter für Tests mit riskanten neuen GE-Technologien
Die derzeitigen Bestimmungen über Biosicherheit in der Region reichen
nicht aus, um die Risiken von GE-Techniken wie CRISPR/Cas9
einzuschätzen. Es ist bekannt, dass diese zu unbeabsichtigten
Veränderungen des Genoms und weiteren ungewollten Modifikationen der
DNA-Zielsequenz führen können. Weiterhin besteht die Sorge, dass
indigene afrikanische Nutzpflanzen, die kaum international gehandelt
werden (sog. 'orphan crops'), gentechnisch verändert und Biopiraterie
zum Opfer fallen könnten. Ein Beispiel dafür ist die
öffentlich-private Partnerschaft zwischen DuPont Pioneer und dem
Danforth Center, welche darauf ausgelegt ist, Maniokpflanzen gegen den
Braunstreifenvirus resistent zu machen. Maniok ist zwar keine
einheimische afrikanische Pflanze, aber ein wichtiges
Grundnahrungsmittel. Der weltweit größte Produzent ist Nigeria. Maniok
ist dürreresistent und ertragreich und kann in unterschiedlichen Höhen
und auf marginalen Böden angebaut werden. Durch die Partnerschaft
sollen auch GV-Varianten anderer einheimischer Nutzpflanzen wie Teff,
Sorghum- und Millethirse hervorgebracht werden. Eine ähnliche
Partnerschaft gingen das Internationale Mais- und
Weizenverbesserungszentrum (CIMMYT) und DuPont Pioneer ein, um
Maispflanzen in Subsahara-Afrika gegen Krankheitsbefall resistent zu
machen. Auch in diesem Fall wird an einem wichtigen
Grundnahrungsmittel herumgebastelt.
Es gibt außerdem neue Formen von GE, welche speziell darauf ausgelegt sind, ihre modifizierten Eigenschaften, wie zum Beispiel Unfruchtbarkeit, an wilde Populationen weiterzugeben. Bei normalen GV-Organismen liegt die Vererbungsrate bei etwa 50 Prozent. Sogenannte Gene-Drive-Technologien umgehen die normalen Vererbungsregeln und vererben ihre genetischen Modifikationen an alle oder zumindest einen Großteil ihrer Nachkommen. Sie besitzen dadurch das Potential, ganze Populationen oder gar Arten weltweit auszurotten.
Die Position der Afrikanischen Union
Die Position der AU zum Thema Gene Drive, welche vom Hochrangigen
Sachverständigengremium für neue Technologien (APET) befürwortet wird,
wurde vom Programm Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD)
und vom Afrikanischen Netzwerk für Biosicherheit (ABNE) entwickelt -
beide werden von der Gates-Stiftung finanziert. Das zeigt, dass eine
gut ausgestattete und koordinierte Strategie existiert, um
afrikanische Regierungen vom Einsatz von GE-Technologien der zweiten
Generation zu überzeugen. Diese Position wurde entgegen dem Bekenntnis
der AU zu Offenheit, Transparenz und öffentlichen Konsultationen im
Verborgenen entwickelt. Sie unterstützt nicht nur den Einsatz von
Gene-Drive-Organismen, sondern gibt auch unbegründete Behauptungen von
ForscherInnen innerhalb des Target-Malaria-Projektes wieder, welches
ebenfalls von der Gates-Stiftung finanziert wird.
Das Afrikanische Zentrum für Biodiversität hat die Position der AU kritisiert und ihre Legitimation in Frage gestellt. Die Position wurde von ausgewählten, Pro-Gentechnik-Regierungsmitgliedern und ForscherInnen entworfen, während die afrikanische Zivilgesellschaft keinerlei Einfluss auf ihre Entwicklung hatte. Diese hat nun sowohl ihre jeweiligen Regierungen und als auch die AU-Kommission zur Verantwortung gezogen. Außerdem hat sie einen offenen Brief an Target Malaria verfasst, in dem sie das Recht einfordert, Nein zu unethischen Experimenten an afrikanischen Populationen zu sagen.
Das Target-Malaria-Projekt plant, Gene-Drive-Moskitos in Burkina Faso, Mali und Uganda einzuführen, um die Population malariaübertragender Moskitos zu dezimieren und somit zur Bekämpfung der Krankheit beizutragen. Im November 2018 wurde auf der Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) in Sharm el-Sheikh, Ägypten, ein Moratorium für Gene-Drive-Organismen vorgeschlagen. Allerdings konnte aufgrund der starken Opposition der afrikanischen und anderer biotechnologiefreundlicher Länder keine Übereinkunft erzielt werden.
Wir sind der Ansicht, dass die Ablehnung des Moratoriums seitens der afrikanischen Staaten auf der voreingenommenen Position der AU basiert. Die Gene-Drive-Technologie steckt noch in den Kinderschuhen und es gibt keinerlei wissenschaftliche Beweise, dass mit ihrer Hilfe Malaria tatsächlich nachhaltig ausgerottet werden kann. Außerdem werden von verschiedenen Seiten schwerwiegende Bedenken in Bezug auf Ethik und Biosicherheit des Verfahrens geäußert.
In Afrika gibt es nicht einmal für GE-Technologien der ersten Generation zuverlässig funktionierende Biosicherheitssysteme. Die Freisetzung von Gene-Drive-Organismen stellt also ein immenses Risiko für den gesamten Kontinent dar. Die zugrundeliegende Technologie ist nicht einsatzbereit und trotzdem gab es bereits abgestimmte Aktionen, um Gene Drives als die große Rettung für Malariabetroffene darzustellen.
Letztlich muss die Entscheidung über die Freisetzung von Gene-Drive-Organismen bei den Menschen liegen, die potentiell davon betroffen sein werden. Sie darf nicht von jenen getroffen werden, die ein eindeutiges Interesse an von oben kommenden Techniklösungen haben, welche es nicht schaffen, die medizinischen Praktiken der Kolonialzeit und die Ideologien einer vergangenen Ära zu überwinden. Die Selbstbestimmung von uns Menschen auf dem afrikanischen Kontinent, unsere eigenen Lösungen zu finden, ist ein entscheidender Aspekt der Wiedergutmachung und weist den Weg heraus aus einem von Konzernen dominierten, neoliberalen Lebensmittel- und Gesundheitssystem.
Autorin Mariam Mayet ist Gründerin und Geschäftsführerin des
Afrikanischen Zentrums für Biodiversität (ACB).
Aus dem Englischen von Lina Gerstmeyer.
Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildung der Originalpublikation:
Das Target-Malaria-Projekt plant, Gene-Drive-Moskitos in Burkina Faso, Mali und Uganda freizusetzen. Welche Auswirkungen das auf das gesamte Ökosystem haben könnte, bleibt ungewiss.
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Quelle:
Rundbrief 2/2019, Seite 20 - 21
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2019
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