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INTERNATIONAL/008: Südamerika - Invasion ausländischer Agrarinvestoren, Staaten treten auf die Bremse (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Mai 2011

Südamerika: Invasion ausländischer Agrarinvestoren - Staaten treten auf die Bremse

Von Marcela Valente

Buenos Aires, 10. März (IPS) - Beunruhigt über die Invasion ausländischer Agrarinvestoren haben Argentinien, Brasilien und Uruguay damit begonnen, über Schutzbestimmungen nachzudenken. Zwar wollen sie den Erwerb von Land durch fremdes Kapital nicht grundsätzlich verbieten, sondern die Fremdnutzung ihrer Böden für den Export unterbinden und Bodenspekulanten einen Riegel vorschieben.

In Brasilien gibt es bereits eine Regelung, die den Erwerb von Ländereien durch Ausländer und mit Auslandskapital operierende brasilianische Firmen einschränken. Argentinien und Uruguay ziehen ähnliche Maßnahmen gegen einen Trend in Erwägung, der durch den Anstieg der internationalen Nahrungsmittelpreise und dem Mangel lukrativer Investitionsvorhaben befeuert wurde.

Es geht um 'Land Grabs', Landnahmen durch Staaten und Unternehmen aus anderen Ländern. Mit dem Thema befasste sich bereits 2008 eine ausführliche Studie der Nichtregierungsorganisation GRAIN, die die Interessen von Klein- und Subsistenzbauern vertritt.

Demnach sehen sich Länder wie Ägypten, Bahrain, China, Indien, Japan, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien , Südkorea und Vereinigte Arabische Emirate, die selbst knapp an agrartauglichen Böden und Wasserressourcen sind, in anderen Staaten nach Böden um, wo sie Nahrungsmittel für ihre Bevölkerung anbauen.

Doch häufig finden die Land Grabs in armen Staaten statt, in denen Nahrungsmittel nicht ausreichend vorhanden sind. Als Beispiel führte GRAIN Kambodscha auf. Obwohl es Nahrungsmittelhilfe vom Welternährungsprogramm (WFP) erhält, gestattet es Katar und Kuwait den Reisanbau im großen Stil zur Versorgung der eigenen Bevölkerung.

Der GRAIN-Report liefert zudem Beispiele für den Ausverkauf hochwertiger Agrarflächen in den Ländern Brasilien, Nigeria, Paraguay, Russland, Senegal und Ukraine an Banken und Finanzunternehmen, die mit den Böden Spekulationsgeschäfte betreiben.


Ernährungssicherheit gefährdet

Wie José Pedro Stédile von der brasilianischen Landlosenbewegung MST erklärte, macht sich die Präsenz von Spekulativkapital bereits in dem größten südamerikanischen Land bemerkbar. Die MST ist besorgt, "weil die Entwicklung Ernährungssouveränität und Ernährungssicherheit der Brasilianer untergräbt". Nach Angaben des Nationalen Instituts für ländliches Siedlungswesen und Agrarreform befinden sich i 4,5 Millionen Hektar Land in ausländischer Hand. Doch selbst die Regierung hält die Angaben für unrealistisch und geht von einer doppelt so hohen Fläche aus.

Im letzten September schränkte Brasilien die Möglichkeiten von Ausländern, Land zu kaufen oder zu pachten, ein. Die Norm sieht vor, dass Ausländer pro Bezirk maximal ein Viertel der Fläche in Anspruch nehmen dürfen. "Land sollte in erster Linie zur Nahrungsmittelproduktion für die Bevölkerung verwendet werden", meinte dazu Stédile. "Doch die ausländischen Unternehmen kaufen Böden, um damit zu spekulieren, ihre eigenen Ressourcen zu schützen und um lukrative Exportgüter anzubauen."

In Argentinien hat die Mitte-Links-Regierung von Staatspräsidentin Cristina Fernández dem Parlament im letzten Monat ein Gesetz vorgelegt, das die Obergrenze für den Landerwerb durch Ausländer auf 20 Prozent festlegen soll. Zudem sollen Ausländer künftig nur noch befähigt werden, bis zu 1.000 Hektar Produktivland zu kaufen. Anders als Brasilien wird Argentinien die Teilnahme von Ausländern an Investitionsfonds nicht einschränken. Ebenso wenig findet eine Überprüfung bereits veräußerter Böden statt.

Den argentinischen Behörden zufolge sind sieben Millionen Hektar Land in ausländischer Hand. Doch der Nationale Rechnungshof geht von 17 Millionen Hektar aus. Das entspricht zehn Prozent der argentinischen Landfläche beziehungsweise mehr als die Hälfte des argentinischen Agrarlands. Allein der italienische Modemagnat Luciano Benetton besitzt in der südlichen Region Patagonien eine Million Hektar Land.


Regeln für ausländische Produzenten

Der argentinische Bauernverband, der die kleinen und mittelständischen Agrarproduzenten vertritt, begrüßt zwar Fernández' Gesetz, fordert aber Nachbesserungen. Er vermisst vor allem konkrete Anbauvorgaben für die ausländischen Produzenten. Diese Forderung hat einen konkreten Hintergrund. So hat die Regierung der Patagonienprovinz Río Negro mit chinesischen Unternehmen einen Pachtvertrag geschlossen. Er erlaubt die Bewirtschaftung von 240.000 Hektar Land über einen Zeitraum von 50 Jahren mit der Option auf automatische Verlängerung.

Dem argentinischen Agraringenieur Walter Pingue von der Gruppe für Landschaftsökologie und Umwelt der staatlichen Universität von Buenos Aires zufolge können die Pächter ohne Rücksicht auf Verluste mit dem Gebiet machen was sie wollten. "Das bedeutet, dass wie den ökologischen Fußabtritt anderer Länder auf unseren Territorien hinnehmen müssen."

In Uruguay wartet ein von Ex-Präsident Tabaré Vázquez (2005-2010) auf den Weg gebrachtes Gesetz auf seine Verabschiedung, das ebenfalls die Veräußerung von Agrarland einschränken soll. Die regierende Breite Front wird die Initiative nun in ihrer zweiten Legislaturperiode mit dem Vázquez-Nachfolger José Mujica an der Spitze durch das Parlament bringen.

Marcel Ashkar von der Wissenschaftlichen Fakultät geht davon aus, dass sich zwischen 20 bis 30 Prozent der uruguayischen Böden in der Hand ausländischer Kapitalanleger befindet. Dem Landwirtschaftsministerium zufolge wurden zwischen 2000 und 2000 mehr als sechs Millionen Hektar Land kommerzialisiert. Die Hälfte ging an Ausländer, vornehmlich Argentinier und Brasilianer. Der großflächige Anbau von Soja und Reis und Wiederaufforstungsprojekte ziehen aber auch spanisches, chilenisches und finnisches Kapital an. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2011