Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → ERNÄHRUNG


INTERNATIONAL/192: USA - Aufbegehren mit Schraubenschlüssel und USB-Anschluss (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 420 - April 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Aufbegehren mit Schraubenschlüssel und USB-Anschluss
US-Farmer kämpfen mit Verbündeten um Reparaturrecht

von Claudia Schievelbein


Für das "Right to Repair", das Recht zu reparieren, kämpfen in den USA derzeit Menschen in unterschiedlichsten Bundesstaaten. In landwirtschaftlich geprägten Regionen im Mittleren Westen sind es vor allem die Farmer, die gegen die großen Landtechnikkonzerne aufbegehren. Vor allem John Deere - unumstrittener Marktführer, was Hightech-Agrarausrüstung angeht, und anders als in Deutschland kaufen amerikanische Farmer oft aus einer Firmenhand - ist zum Gegner in diesem David-gegen-Goliath-Streit geworden. Wahrscheinlich mehr noch als in Europa oder Deutschland gibt es in den USA eine bäuerliche Kultur des Selbstreparierens von Landtechnik. Dies- und jenseits des Atlantiks, oft erwachsend aus engen Zeitfenstern durch Witterung und Naturkreisläufen, in denen landwirtschaftliche Arbeiten zu Ende gebracht werden müssen, haben Bauern immer schon selbst zum Schraubenschlüssel gegriffen. In den USA kommen gerade in ländlichen Regionen oft die endlos weiten Wege zur nächsten Landmaschinenwerkstatt hinzu sowie meist ein ausgeprägteres Autonomiestreben, verankert im amerikanischen Pionierkult. Wenn also Sojabohnen gedroschen werden müssen, dunkle Wolken am Himmel hängen und dann aber ein Transmissionsriemen am Drescher reißt, werden die meisten Farmer selbst Hand anlegen. Das ist allerdings bei den heutigen softwarebasierten Hightech-Maschinen nicht mehr so einfach. Selbst wenn das Finden und Austauschen des Riemens (womöglich auch durch ein behelfsmäßiges Ersatzteil) gelingt, scheitert die Aktion am Ende womöglich dadurch, dass die Elektronik der Maschine das Nicht-Originalteil nicht frei gibt und entsprechend das Starten des Motors blockiert. Abhilfe kann und darf nur ein lizenzierter John-Deere-Händler mit einer entsprechenden Diagnose-Software schaffen. Farmern und unabhängigen Landmaschinenwerkstätten wird weder ein Zugriff auf Originalersatzteile noch auf die Software gestattet. Das ist teuer, zeitaufwändig und entspricht nicht dem Selbstverständnis des ärmelaufkrempelnden Selfmademan, deshalb laufen Farmer Sturm gegen John Deere. Aussagen des Konzerns wie die, Farmer würden die Maschinen nicht besitzen, sondern nur eine Betriebserlaubnis erwerben, tragen nicht gerade zur Beruhigung der Gemüter bei. Die Deere-Company argumentiert mit möglichen missbräuchlichen Anwendungen, die gefährlich sein könnten, gäbe sie ihre Diagnose-Software und Reparaturanleitungen frei. Garantieansprüche könnten dann natürlich auch nicht mehr geltend gemacht werden. Ungeachtet dessen kursiert inzwischen meist aus Osteuropa stammende Hacker-Software, mit der sich widerständige Landtechniker widerrechtlichen Zutritt in die verbotene Elektronikebene ihrer Trecker und Maschinen verschaffen, um Fehler finden und beheben zu können, aber auch um fehlerhafte Elektronikmeldungen überwinden zu können. Ein Farmer malt in seiner Lokalzeitung daraufhin schon das Horrorszenario von der zukünftig womöglich von John Deere eingebauten Totalabschaltung, sobald sich ein nichtautorisierter User in den USB-Anschluss einstöpsele.

Neue Allianz

In Nebraska griff im vergangenen Jahr die Senatorin Lydia Brasch, deren Mann Farmer ist, die Wut auf dem Land auf und brachte einen Gesetzentwurf in die Gremien ein, der John Deere zur Freigabe der Software zwingen sollte. Plötzlich tauchten in Ausschussanhörungen nicht nur Vertreter der Landtechnikbranche, sondern auch Anwälte von Technikkonzern Apple oder dem Telekommunikationsgiganten AT&T auf. Es wäre aggressiver lobbyiert worden als im Zusammenhang mit der Abtreibungsgesetzgebung, wunderte sich Brasch in lokalen Medien. Aber auch neue Verbündete der bislang in Nebraska ausschließlich bäuerlichen Bewegung traten auf den Plan: die "Right to Repair"-Bewegung, eine Mischung aus Computernerd- und Technikfreak-Vertretern, wie auch Öko- und Verbraucherschutzaktivisten, die für die Selbstreparatur von Smartphones, Tablets und Computern kämpfen, wahlweise aus Technikinteresse, Selbstbestimmungsrechtsdurchsetzung sowie Wegschmeißkonsum- und Monopolkritik. Auch sie argumentieren, Technikfirmen müssten ihren Kunden den Zugriff auf Originalteile, Werkzeug und Software erlauben und sie nicht dazu zwingen, beispielsweise stundenlang in tempelgleichen Applestores anzustehen, um zu horrenden Preisen monopolisierte Reparaturen durchführen zu lassen.

Big Business

Hätten sich Nebraskas ländlich und landwirtschaftlich geprägte Kongressabgeordnete vielleicht noch zu einem Gesetz für die dort unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht unerhebliche Farmercommunity und gegen John Deere durchringen können, so wirkten Apple und Co. doch zu einschüchternd. Das Gesetzesvorhaben wurde vorerst auf Eis gelegt. Derweil hatten allerdings auch andere, zum Teil "weniger landwirtschaftlich und mehr verbraucherrechtlich geprägte Bundesstaaten an Ost- und Westküste ähnliche Initiativen auf den Weg gebracht. Bislang scheiterten alle. Noch läuft ein Verfahren im Heartland der digitalen Revolution, in Kalifornien. Vielleicht setzen am Ende die Computerfreaks durch, dass die Farmer wieder ihre Trecker reparieren dürfen.

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 420 - April 2018, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/905 31 71, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,80 Euro
Abonnementpreis: 46,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 32,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang