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LANDWIRTSCHAFT/1347: Umgang mit der Blauzungenkrankheit bleibt umstritten (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Wir wollen doch alle gesunde Tiere"
Der Umgang mit der Blauzungenkrankheit bleibt auch unter Landwirten umstritten

Von Marcus Nürnberger


Unter Paragraf 4, Punkt 1a der Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über Maßnahmen zur Bekämpfung, Überwachung und Beobachtung der Blauzungenkrankheit, landläufig auch EG-Blauzungenbekämpfung-Durchführungsverordnung genannt, wird festgehalten, was derzeit vielen impfkritischen Landwirten Schwierigkeiten macht: (1a) "Wer Rinder, Schafe oder Ziegen hält, hat die Rinder, Schafe und Ziegen seines Bestandes nach Maßgabe des Satzes 2 mit einem Impfstoff im Sinne des Absatzes 1 impfen zu lassen." Die weiteren Ausführungen sind die Grundlage für die unterschiedliche Konsequenz, mit der Veterinärämter die flächendeckende Impfung umsetzen: "Die zuständige Behörde legt den Zeitpunkt der Impfung sowie die näheren Einzelheiten ihrer Durchführung fest."


Hohe Bußgelder

In den vergangenen Wochen häufen sich die Meldungen von Landwirten, die, weil sie eine Impfung ihrer Tiere verweigern, drastische Bußgelder angedroht bekommen. In Hessen wurde eine Summe von 25.000 Euro genannt. In Ostbayern berechnet sich die Summe anhand der Tierzahl. 50 Euro pro Tier werden vom Landratsamt Rottal-Inn angemahnt, wenn die Impfung nicht bis zum 31.12.08 abgeschlossen sein sollte. Die betroffenen Landwirte stehen vor einer scheinbar ausweglosen Situation und zeigen sich dennoch entschlossen. "Ich stelle mich vor meine Tiere", sagt der Ökolandwirt Konrad Schützeneder und begründet seine Haltung, "auf den Feldern soll man keine Chemikalien anwenden und im Stall verabreiche ich meinen Tieren einen Chemiecocktail, der dann in der Milch und im Fleisch ankommt." Auch befürchtet er, dass die tatsächlichen Schäden aufgrund der Impfung viel höher sind, als von den offiziellen Stellen zugegeben wird. Die Möglichkeiten, juristisch gegen die Pflichtimpfung vorzugehen, scheinen nach ersten Erfahrungen in Hessen begrenzt und sehr von der individuellen Situation des Tierhalters abhängig zu sein. Leider sah sich der Anwalt der Interessengemeinschaft für gesunde Tiere mit Hinweis auf seine Berufsverschwiegenheitspflicht nicht dazu in der Lage, eine grundsätzliche Einschätzung der rechtlichen Situation zu geben.


Pro Impfung

Landwirte, insbesondere Schaf- und Ziegenhalter im Verbreitungsgebiet, die von der Krankheit existenziell bedroht sind, kommen zu einem ganz anderen Schluss. Anfang des Jahres noch war der Vorwurf laut geworden, das Landwirtschaftsministerium habe sich nicht schnell genug um die Beschaffung und Zulassung des Impfstoffs bemüht. Ein gemeinsames Handeln wünscht sich Seb Schäfer, Biolandwirt aus dem Bergischen Land. "Ich beklage die mangelnde Solidarität unter den Landwirten." Nur wenn alle sich gemeinsam dem Virus entgegenstellen, kann die Krankheit ausgerottet werden. Ob allerdings eine Ausrottung grundsätzlich, aber auch aufgrund der innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union unterschiedlichen Impfpraxis überhaupt noch möglich wäre, ist ungeklärt.


Positive Zwischenbilanz

Das Bundesministerium sieht in der Impfung einen Erfolg. Die Zahl der Fälle sei deutlich zurückgegangen. Insgesamt stimmt dieses Bild. 20.663 Fällen im Jahr 2007 stehen 4.810 Fälle im Jahr 2008 gegenüber. Bei genauerer Betrachtung der Zahlen macht stutzig, dass in Niedersachsen in diesem Jahr allein 3.292 Fälle und damit deutlich über die Hälfte aller Fälle gemeldet wurden. Eine Erklärung hierfür gibt es von offizieller Seite nicht. Auch beim Friedrich-Löffler-Institut (FLI) zeigt man sich von der Impfstrategie überzeugt. "Das ist auf alle Fälle noch der richtige Weg", bestätigt Frau Reinking vom FLI. Die Einschränkung macht deutlich, dass man sich auch hier nicht sicher ist, wie es in Zukunft weiter geht. Neben dem auch in Deutschland vorkommenden Stamm BT8 gibt es nämlich inzwischen den Nachweis von BT1 an der spanisch-französischen Grenze. In den Niederlanden ist der Stamm BT6, mit unklarer Herkunft, aufgetaucht. Spekuliert wird, dass er infolge von illegalen Impfungen einzelner Tierhalter mit einem Lebendimpfstoff aus Südafrika importiert worden sein könnte. Eindeutig fallen dagegen die Antworten des FLI auf die Fragen nach der Herstellung und den Inhaltsstoffen der Impfstoffe selbst aus. Der Impfstoff sei nicht gentechnisch verändert. Seine Herstellung erfolge auf dem klassischen Weg. Die Giftigkeit der beim Herstellungsprozess des Totimpfstoffs zur Inaktivierung der Viren eingesetzten Ethylenamin und Beta-Propiolacton wird nicht bestritten, allerdings, so das FLI, zerfallen beide Substanzen im Verlauf des weiteren Produktionsablaufs in ungiftige Abbauprodukte und sind im Impfstoff daher nicht mehr nachzuweisen. Entwarnung gibt das FLI auch für die im Impfstoff eingesetzten Adjuvanzien. Keine Hinweise gebe es auf den Zusammenhang zwischen Saponinen und einer durch sie ausgelösten Blutarmut. Beim Aluminiumoxyd dürfe man die eingesetzten Mengen nicht außer Acht lassen. Aber man nehme ein Vielfaches an Aluminiumoxyd auf, wenn man säurehaltige Lebensmittel, beispielsweise Tomaten, in Alufolie einwickle.


Oberstes Ziel: Ausrottung

Einen Wechsel zu einer freiwilligen Impfung, wie von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und den Ökoverbänden Bioland und Demeter gefordert, wird es in absehbarer Zeit wohl nicht geben. Nach Aussage des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist man weiterhin von der Ausrottungsstrategie überzeugt. Auch für das kommende Jahr ist deshalb eine flächendeckende, verpflichtende Impfung von Rindern, Schafen und Ziegen gegen das Virus der Blauzungenkrankheit Serotyp 8 geplant. Zudem wird vorsorglich Impfstoff gegen den Virus-Typ BTV 1 eingelagert. In Frankreich wird es im kommenden Jahr eine obligatorische Impfung gegen BTV 8 und zusätzlich BTV 1 geben. Da es sich bei der Impfung im kommenden Jahr nicht mehr um eine "Notfallmaßnahme" handelt, fällt der Beitrag der EU geringer aus. Um welchen Betrag der Anteil der Landwirte steigt, ist aber noch nicht absehbar. Damit bleibt die Auseinandersetzung zwischen den Veterinärämtern sowie den Befürwortern und Gegnern einer generelle Impfpflicht weiter aktuell, ohne dass eine befriedigende Lösung, die neben ökonomischen Aspekten auch denen des Tierschutzes sowie den Ängsten und Befürchtungen der Betroffenen gerecht wird, in Aussicht steht.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2009