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MARKT/1798: Getreidepreise ziehen wieder an - Globale Ernährungskrise nicht erwartet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. September 2010

Ernährung: Getreidepreise ziehen wieder an - Globale Ernährungskrise nicht erwartet

Von Matthew O. Berger


Washington, 22. September (IPS) - Nach einem Rückgang der Nahrungsmittelpreise in der ersten Jahreshälfte haben sich Lebensmittel auf dem Weltmarkt wieder stark verteuert. Laut einer neuen Weltbank-Studie gefährden diese Schwankungen die Ernährungssicherheit in den ärmsten Ländern, in denen bereits mehr als 900 Millionen Menschen Hunger leiden.

Der Getreidepreisindex der Bank sank in den ersten sechs Monaten von 2010 um 16 Prozent, bevor er zwischen Mitte Juni und August um die gleiche Spanne anstieg. Auf die Inlandsmärkte hat sich die Preisentwicklung bisher unterschiedlich ausgewirkt.

Bis Juli erhöhten sich die Weizenpreise in Afghanistan um 27 Prozent, nachdem das Getreide während des vergangenen Jahres immer günstiger geworden war. In Ost- und im südlichen Afrika hat sich das Hauptnahrungsmittel Mais hingegen auch im Sommer weiter verbilligt. In Kenia beispielsweise kostet Mais weniger als die Hälfte von dem, was er im letzten Dezember wert war. In Staaten wie Tansania und Uganda gingen die Preise in geringerem Umfang zurück.

"Diese Beispiele zeigen, dass die lokalen Nahrungspreise oftmals von Faktoren bestimmt werden, die mit den Trends an internationalen Rohstoffbörsen nichts zu tun haben", heißt es in dem Weltbank-Report 'Food Price Watch'. Demnach lagen in den meisten der 42 untersuchten Länder die Preise für Grundnahrungsmittel im Juli niedriger als im April.

Die Angst vor einer Neuauflage der Nahrungsmittelkrise von 2007 und 2008 hält die Bank zumindest in einigen Teilen der Welt für überzogen. Der jüngste Preisanstieg sei dadurch verursacht worden, dass Großproduzenten wie Russland, die Ukraine, Kasachstan und Kanada eine niedrige Weizenernte vorhergesagt hatten.

Russland hat inzwischen sogar ein Exportverbot für Weizen erlassen. Aufgrund der starken Hitze und Dürre in diesem Sommer wird damit gerechnet, dass von dem Getreide ein Drittel weniger als üblich geerntet wird.


Angst vor Knappheit treibt Preise hoch

Die Rohstoffmärkte hatten die Preise in die Höhe getrieben, weil sie eine Verknappung von Getreide befürchteten. Nicht nur die Weltbank, sondern auch andere Finanzorganisationen sehen nicht die Gefahr jedoch nicht. Es gebe "weltweit große Weizenvorräte" und Aussichten auf gute Ernten in den USA, in der Europäischen Union und anderen Regionen, heißt es in dem Bericht.

Auch das 'International Food Policy Research Institute' (IFPRI) sieht die derzeitige Lage als nicht vergleichbar mit der Situation 2007 und 2008. "Wir sind in der Lage, Produktionsausfälle besser auszugleichen als vor zwei Jahren", sagte der IFPRI-Direktor für Märkte und Handel, Maximo Torero.

Die Weizenernte und die Vorräte seien in diesem Jahr höher als während der großen Krise, betonte der Experte. "Allein die USA haben Reserven von 26 Millionen Tonnen. Das ist mehr als genug, um die geschätzten Verluste von insgesamt 18 Millionen Tonnen in Russland, der Ukraine, Kasachstan und der EU wettzumachen", erklärte er.

Die Entwicklung auf den Lebensmittelmärkten ist allerdings nicht immer verlässlich abzusehen. In einigen Ländern seien die Nahrungsmittelpreise auch aufgrund von Bürgerkriegen, Dürren und anderen Faktoren gestiegen, sagte der Weltbank-Ökonom Hassan Zaman, dessen Abteilung den Bericht herausgegeben hat. "Auch als die Preise weltweit in den Keller gingen, gab es noch Länder, in denen sie stiegen."

Zurzeit sind die Preise für Grundnahrungsmittel allerdings weltweit im Aufwind. Laut der Weltbank legten die Getreidepreise zwischen Juli und August um 56 Prozent zu. Die Reispreise zogen im August um zehn Prozent an, nachdem sie seit Januar um 20 Prozent gesunken waren.


Schwankende Aussichten

Die Nachfrage gibt bei diesen Trends nicht unbedingt den größten Ausschlag. In dem Haupterzeugerland USA wurde bereits eine sensationelle Maisernte vorhergesagt. In den vergangenen Wochen wurden die Prognosen jedoch nach unten korrigiert, obwohl sich die Nachfrage nach Maisexporten aus den USA weiter erhöht.

Nach der Flut in Pakistan, die ein Territorium von der Größe Italiens unter Wasser setzte, wird dort mit einem Rückgang der Reisausfuhren um 35 Prozent gerechnet. Noch im Juni hatte die Weltagrarorganisation FAO pakistanische Reisexporte in Rekordhöhe in Aussicht gestellt.

Die Bank befürchtet nun, dass vor allem die Staaten, in denen sich Lebensmittel bereits verteuert haben, von dem globalen Preisauftrieb betroffen sein werden. Die ärmsten Länder seien doppelt gefährdet, durch die Entwicklung der Preise im Inland und auf dem Weltmarkt, erläuterte Zaman.

Unabhängige Beobachter gehen allerdings davon aus, dass sich globalen Trends erst mit Verzögerung in den einzelnen Staaten bemerkbar machen. Bis dahin könnte sich die Preiserhöhungen bereits in ihr Gegenteil verkehrt haben. "Bevor sich die Brotpreise erhöhen, müssten die Kosten für Weizen über einen längeren Zeitraum erhöht sein", erklärte Torero. 2007 seien die Preise über mehrere Monate gestiegen, bis die Konsumenten davon etwas gespürt hätten. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.worldbank.org/foodcrisis/
http://www.ifpri.org/
http://www.fao.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52920

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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2010