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MARKT/1855: BioC GmbH - Ökolandbau unter Kontrolle? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 341 - Februar 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

BioC GmbH - Ökolandbau unter Kontrolle?
Immer mehr Transparenz soll Sicherheit bringen.
Darunter leidet der Datenschutz und neue Abhängigkeiten entstehen

Von Marcus Nürnberger


"Kontrolldaten im Netz" titelte das Bioland-Magazin in seiner Rubrik Markt & Management in der Ausgabe 1/2011. Ist dies Bedrohung oder Versprechen? Der Untertitel verkündet, dass hierdurch die Biokontrolle sicherer werden soll. Ein einzelner Betrugsfall in Italien, der jedoch nicht näher dargelegt wird, dient als Beleg für die Notwendigkeit für das vordergründig unterstützenswerte Anliegen.


Alles im Netz

Was ist geschehen? Ende 2010 wurde eine GmbH gegründet, deren Gesellschafter einige deutsche Ökokontrollstellen, das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL), der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sowie eine Privatperson, der bisherige Entwickler der Datenbank, sind. Das Ziel der Firma ist, eine internationale Internetplattform mit elektronischen Zertifikaten aufzubauen, um die Kontrolle von Biobetrieben sicherer zu machen.

Bisher ist jede Kontrollstelle für sich per Ökolandbau-Gesetz verpflichtet, die Daten der kontrollierten Bauern und Unternehmen im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Die Plattform bioC.info fasste schon bisher die Daten einiger Kontrollstellen zusammen und wurde durch eine private Person betrieben. Neu ist, dass das Medium auf eine wesentlich breitere Basis gestellt wurde und Handel, Behörden und EU zur Unterstützung eingeladen werden. Diese Unterstützung scheint so gut wie sicher zu sein.

Die weitere Lektüre des Bioland-Beitrags lässt nachdenken über Nutzen und Gefahren dieses Instruments: Zusätzlich zur Veröffentlichung von Betriebsdaten, wie Name des Bauern oder Unternehmens und dessen Anschrift, sollen "elektronische Zertifikate" ins Internet gestellt werden. Abnehmer von Öko-Erzeugnissen sollen Listen ihrer Lieferanten zusammenstellen können. Hierüber können dann die elektronischen Zertifikate abgerufen werden. Ein Verarbeiter bekommt "automatisch" Nachricht, wenn das Zertifikat eines Zulieferanten abgelaufen ist oder widerrufen wird. Er bekommt Nachricht, wenn der Zertifizierungsbereich eingeschränkt wird. Er bekommt Nachricht, wenn ein Kontrollvertrag erloschen ist. Geplant ist auch eine Funktion zur Partieverfolgung über mehrere Unternehmen hinweg.

Finanziert werden soll die Plattform zunächst über Beiträge der Ökokontrollstellen. Weiterhin ist die Internationalisierung geplant.

Offen sind die Fragen: Brauchen die Biobauern dieses Instrument? Brauchen die Verbraucher diese Funktionen? Braucht der Ökolandbau diese GmbH? Bisher wurden diese Fragen in den exklusiven Zirkeln der Ökokontrollstellen, der Behörden und der Ökoverbände diskutiert. Eine breite Erörterung fand nicht statt. Es tauchen Fragen auf. So zum Beispiel diese: Ist ein Biobauer, der nun nicht in bioC.info, dem entsprechenden Internetportal, veröffentlicht werden will, nicht mehr Bio? Darf oder kann er möglicherweise nicht mehr abliefern? Wird er von seinen bisherigen Abnehmern, von seinem Vermarktungsweg abgeschnitten? Entsteht ein Zwang, in bioC.info gelistet zu sein?

Möglicherweise sind einige Bio-Akteure bereit, einen hohen Preis für das erhoffte Mehr an Sicherheit zu bezahlen: Die Aufgabe der Rechte an Daten und deren weiterer Verwendung. Die Aufgabe der Rechte an Zertifikaten bzw. Kontrollbescheinigungen und deren öffentliche Bekanntmachung im Internet durch eine private GmbH. Und es scheint ein schier grenzenloses Vertrauen in das bestehende Kontrollsystem aus privaten Kontrollstellen und überwachenden Behörden mit den jeweiligen Personen und Institutionen zu bestehen. Bekannterweise ist das Kontrollsystem selbst ein Gebilde, das im Interessenfeld vieler Akteure steht. Auseinandersetzungen um die Verstaatlichung des Kontrollsystems sind dafür nur ein Beleg.


Gruppenzwang

Vor diesem Hintergrund sind folgende Punkte, die weit über den bisher gesetzten rechtlichen Rahmen hinausgehen, zu diskutieren:

Welche Rechte hat ein Bauer oder ein Unternehmen, das gegebenenfalls nicht in der Datenbank gelistet sein will? Ist er oder es vom Markt ausgeschlossen? Bauern und Unternehmen, die in der Datenbank nicht mehr gelistet sind, die eine Kontrollbescheinigung oder ihren Vertrag verloren haben, hatten bisher zunächst die Möglichkeit, mit rechtlichen Mitteln gegen eine Entscheidung ihrer Kontrollstelle oder der Kontrollbehörde vorzugehen. Nun müssen sie zusätzlich eine unmittelbare Vermarktungssperre durch ihren Abnehmer befürchten. Denn welches abnehmende Unternehmen wird abwarten, ob ein Rechtsstreit im ökologischen Landbau zu Gunsten oder zu Ungunsten eines Lieferanten ausgeht? Ein solches Szenario wirkt sich de facto als Vermarktungsverbot im Sinne einer "schwarzen Liste" mit den entsprechenden Konsequenzen aus.

Die Unabhängigkeit einer Kontrollstelle ist gefährdet, wenn sie zugleich - via bioC-Mitteilung an die Abnehmer - als verlängerter Arm der Qualitätssicherung eines Lebensmittelhandels- oder Lebensmittelindustrieunternehmens agiert. Die Kontrollstelle ist nicht mehr frei in der Entscheidung z.B. ein Zertifikat zu entziehen, da auch unmittelbar eine Mitteilung an den Abnehmer des Bauern, des Unternehmers, gesandt wird.


Neue Szenarien

Eine Daten-GmbH, die Lebensmittelhandels- oder Lebensmittelindustrieunternehmen Dienstleistungen, wie z.B. die Listung von Lieferanten anbietet, gewinnt zugleich einen weitreichenden Einblick in das Marktgeschehen. Zumindest das Beziehungsgeflecht von Lieferanten und Abnehmern und dessen Änderungen wird für die Mitarbeiter der GmbH sichtbar. Was macht die GmbH mit diesen Informationen? Wie unabhängig sind die Mitarbeiter der GmbH? Und wie wird diese Unabhängigkeit dauerhaft gewährleistet?

Welche Missbrauchsszenarien sind möglich? Welche Vorsorgemaßnahmen gibt es gegen Datenklau und Datenpannen. Können die beschriebenen Funktionen genutzt werden, einzelnen Bauern oder Unternehmen gezielt zu schaden? Gibt es hierfür Vorsorgemaßnahmen? Wurden Alternativen ausreichend geprüft? Hierbei geht es einerseits um die Form der Gesellschaft als GmbH mit eigenen Kontrollstellen und Verbänden als Gesellschaftern, andererseits um die Technik und die Informationsflüsse der Datenbankanwendung im Internet. Sind die Ziele des Projektes ausreichend genau beschrieben und Risiken hinterfragt?


Was passiert mit den Daten?

Kontrollstellen besitzen die Daten der Kontrollierten zu einem einzigen Zweck: zur Kontrolle und Zertifizierung der Unternehmen gemäß EG-Öko-Verordnung. Nun werden diese Daten an ein weiteres Unternehmen weitergegeben. Sie werden angehäuft und zu weiteren Zwecken genutzt. Mit Daten sollte, gerade auch im ökologischen Landbau, sensibel umgegangen werden. Einige Kontrollstellen vermissen diese Sensibilität bei der BioC GmbH und wirken bei einer anderen Initiative mit. Unter www.biozertifikate.de werden die gesetzlich vorgeschriebenen Datenbanken von Kontrollstellen lediglich abgefragt. Eine Übermittlung von Daten findet dabei nicht statt.

Um Betrug im Ökolandbau aufzudecken, braucht es nicht in erster Linie eine Datenbank mit Daten aller beteiligten Unternehmen. Hierfür braucht es verantwortungsbewusste Kontrollstellen und Unternehmen, die hinschauen und kooperieren. Es muss auch mehr im und. über ökologischen Landbau kommuniziert werden. Hierfür könnten auch die Möglichkeiten des Internets vermehrt genutzt werden. Datenbanken sind nicht die Lösung, sie sind allenfalls ein Hilfsmittel. Sie bedürfen, wenn sie eingerichtet werden, einer wirksamen Kontrolle, die die Akteure breit einbindet, um vertrauensbildend zu wirken.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 341 - Februar 2011, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2011