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MARKT/2041: Weltmarkt ohne Nachfragezuwachs (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 373 - Januar 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Weltmarkt ohne Nachfragezuwachs
In Deutschland wird die Schweineproduktion angekurbelt. Nur für wen?

von Berit Thomsen



Das die agrarpolitisch gesteuerte Exportorientierung in der Schweinebranche vorangepeitscht wird, ist nicht neu. Eben so wenig wie die Begründungen von interessierter Seite, dass der Weltmarkt dieses in Zukunft auffangen wird und jetzt nur der Anschluss nicht verpasst werden darf. Aber neu sind die nun aufgearbeiteten Fakten aus den Datenbanken der OECD und FAO. Die zeigen, dass laut Prognosen von 2012 bis 2020 die Nachfrage nach Schweinefleisch vor allem in Schwellenländern steigen wird, dazu gehören Russland, Japan oder China. Die fallen unter die zehn größten Importländer von Schweinefleisch. Dennoch wächst mit der Nachfrage auch die Produktion in den Schwellenländern und zwar nahezu parallel. Letzteres wird in der konservativen landwirtschaftlichen Debatte verschwiegen. Denn damit würde doch die Diskussion entfacht, wofür muss denn in Europa die Erzeugung von Schweinefleisch Jahr um Jahr noch gesteigert werden?


Produktionssteigerung

Im Jahr 2012 werden weltweit 295,5 Mio. Tonnen Fleisch produziert. Davon nimmt Schweinefleisch mit 111,73 Mio. Tonnen den größten Anteil ein, gefolgt von Geflügel, Rind (Büffel) und Schaf (Ziege). In der EU-27 wird ein Fünftel (23 Mio. Tonnen) der weltweiten Schweinefleischproduktion erzeugt. Innerhalb der EU-27 ist Deutschland mit 4,7 Mio. Tonnen im Jahr 2011 der größte Schweinefleischproduzent. Seine starke Stellung als Schweinefleischproduzent innerhalb der Europäischen Union hat Deutschland über die Jahre hinweg nicht nur behauptet, sondern mit einem Wachstum von 17 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 sogar noch ausgebaut. Der Zuwachs in absoluten Zahlen mit 0,82 Mio. Tonnen (2011 zu 2000) liegt sogar über der Steigerung des Produktionsgewichtes in der gesamten Europäischen Union (Zuwachs um 0,74 Mio. Tonnen). Neben Deutschland kurbeln auch Spanien und die Niederlande die Produktion an. Die Produktionsmengen der mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) hingegen gingen im Zuge des Beitritts, bedingt durch strukturelle Transformationsprozesse, zurück und erreichten nur selten ihr Vor-Beitritts-Niveau, wie Grafik 2 [in der Printausgabe] veranschaulicht. Hinsichtlich der Exportentwicklung fällt auf, dass in der EU von 2000 bis 2012 die Produktion von Schweinefleisch um sieben Prozent gestiegen ist, während die Nachfrage im selben Zeitraum um nur vier Prozent zugenommen hat. Dadurch schwellen die Überschüsse in der EU stetig an. Im Jahr 2012 liegt die Produktion um 2,1 Mio. Tonnen über dem Verbrauch. Die EU steigerte ihr Exportvolumen von 1,42 Mio. Tonnen im Jahr 2000 auf 2,08 Mio. Tonnen im Jahr 2012. In der EU ist Deutschland mit 637,57 Mio. Tonnen im Jahr 2011 der größte Exporteur von Schweinefleisch auf dem Weltmarkt. Der sogenannte Weltmarkt beträgt gerade mal sieben Prozent der weltweiten Erzeugung von Schweinefleisch. Diese Aussage soll nicht die Bedeutung des Weltmarktes schmälern, sondern die Relation verdeutlichen, dass trotz dieses mengenmäßig geringen Anteils sich in der Logik der Exportorientierung alles nach dem Weltmarkt ausrichtet. Und dafür werden bäuerliche Strukturen in Entwicklungsländern und hier in Deutschland inklusive gesellschaftlicher Anliegen missachtet.


Preiskampf

Auf dem mengenmäßig und im Verhältnis zur Gesamtproduktion sehr kleinen Weltmarkt für Schweinefleisch findet eine Preisschlacht statt. In den größten Exportländern Kanada und USA wird Schweinefleisch zu weit geringeren Preisen erzeugt als in Europa. Die Schweineerzeuger in Ländern, die entweder über die Exportorientierung dem Weltmarkt zugeneigt sind oder ihre Märkte für Schweinefleischimporte im Zuge von WTO-Verhandlungen oder anderen bilateralen Handelsabkommen öffnen mussten, sind diesem Preiskampf ausgeliefert. Wie aus den vorhergehenden Daten deutlich wird, sind mengenmäßig keine Produktionslücken auf dem Weltmarkt zu erwarten. Das heißt im Umkehrschluss, dass steigende Exporte der europäischen Industrie vor allem durch niedrigere Preise erwirkt werden könnten. In den folgenden Ausgaben der Bauernstimme wird skizziert, wie sich die Betriebsstrukturen in Deutschland verändert haben und welche Bedeutung Entwicklungsländern bei den Exporten aus Deutschland und auch EU-weit zukommen.


Hintergrund:

Die Daten stammen aus der neuen Studie: System billiges Schweinefleisch - Folgen der europäischen Exportindustrie für bäuerliche Strukturen in Deutschland und Bedeutung für Entwicklungsländer. Herausgeber der Studie ist die AbL. Unterstützer sind Brot für die Welt und Misereor.

www.abl-ev.de/themen/fairer-welthandel/materialien

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 373 - Januar 2014, S. 11
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
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(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2014