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MARKT/2143: Bioschweine verzweifelt gesucht (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 393 - November 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bioschweine verzweifelt gesucht
Der Biomarkt will zunehmend auch Fleisch, die Bauern sind zögerlich

Von Claudia Schievelbein


Eigentlich müssten die konventionellen Schweinebauern wie die Milchbauern protestieren - oder Schlange stehen bei den Bioberatern. Die konventionellen Preise sind im Keller, während ein erheblicher Nachfrageschub nach Bioschweinen im Sommer die Öko-Notierungen in zum Teil schon fast schwindelerregende Höhen getrieben hatte. Konkret war es wohl Aldi Süd; der Discounter wollte auch im Fleischbereich ein Bioangebot machen und suchte plötzlich angeblich 1.000 Bioschweine in der Woche. Die großen Schlachtbetriebe - Tönnies, Westfleisch - boten 3,80 bis 4,00 Euro für das Kilo Schlachtgewicht. Plötzlich gerieten sogar alteingesessene Vermarkter unter Druck, ihren Bioschweinebauern mehr zu zahlen, um nicht die gewachsenen Lieferbeziehungen zu gefährden. So viele Bioschweine sind in Deutschland nicht eben verfügbar; gesucht wurde schließlich auch in Dänemark und den Niederlanden. Und wenn Aldi Bio will, so eine alte Branchenweisheit, wollen es kurz danach auch Lidl und dann der restliche Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Zumal die auf mehr als nur den billigen Preis setzenden Konzerne wie Edeka und Rewe längst den Biomarkt für sich entdeckt haben. Biofleisch, gerade Schweinefleisch, ist allerdings nicht gerade ein einfaches Produkt für den LEH. Meist in der Selbstbedienungstheke und doch trotzdem noch um ein Vielfaches teurer als das konventionelle Pendant, trifft es auf eine typische Bio-Kundschaft, die eher weniger als mehr Fleisch isst. Hackfleisch geht auch aufgrund des Preises noch ganz gut, auch wenn zum Teil normalerweise teuer verkaufbare edlere Teile im Wolf landen. Die Filets dagegen warten eingefroren auf's Weihnachtsgeschäft. Andererseits gibt es noch viel Potential, für gut geführte Bedientheken ebenso wie im Bereich von Großküchen und Imbissen. Schon vor McDonalds gab es Bio-Burger-Bratereien. Die Tatsache, dass sich auch der Größte im Geschäft dem zuwendet, zeigt, dass kein Weg mehr an Biofleisch vorbei geht. Die Debatte um's Tierwohl entfaltete spätestens mit der Veröffentlichung des Gutachtens des wissenschaftlichen Beirates "Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung" auch in die Landwirtschaft hinein mindestens verbal Wirkung.

Nur wenige

Während nun in der Milchpreiskrise in der Tat vermehrt Bauern und Bäuerinnen bei Ökoverbänden anfragen, ist die Zahl umstellungswilliger Schweinebauern nach wie vor eher übersichtlich. "Es melden sich überhaupt mal wieder welche", sagt Jan Hempler, bei der Landwirtschaftskammer in Niedersachsen für den Ökolandbau zuständig, "dann sind es aber auch eher nicht die Kleinen." Die Bauern trauten dem Hype nicht so richtig, sagt Sauenhalter Günther Völker, außerdem gebe es keine Investitionsbereitschaft. Wie auch, bei nun schon länger schlechten Preisen von 1,40 Euro pro Kilo Schlachtgewicht? Umbauten sind oft schwierig und teuer, Neubauten weniger schwierig, aber noch teurer. Völker nimmt schon wahr, dass nach anderen Perspektiven gesucht wird, oft, so sein Eindruck, schrecke aber die Konsequenz ab, die.es für einen Bio-Neubau brauche. "Dann will er doch wieder Spalten unter die planbefestigte Liegefläche machen, falls das mit dem Bio alles nichts wird und dann funktioniert aber womöglich der neue Stall nicht, weil das Klima nicht passt", beschreibt er die möglichen bäuerlichen Gedankengänge. "Größere Betriebe haben da manchmal den klareren Blick", sagt Martin Kötter-Jürß, Bioland-Schweineberater in Münster, "vielleicht ist es ihnen auch ein Stück weit egaler, was die Nachbarn sagen und sie spüren schon stärker den gesellschaftlichen Druck nach Veränderungen." Er hat gerade mit einem Betrieb Kontakt, deren zwei Leiter aktuell 2.000 Sauen konventionell halten, nun für 400 Biosauen einen Putenmastkomplex umbauen wollen und die verwandtschaftliche (und finanzielle) Bande in die agrarindustrielle Schweinehaltung haben. Damit müssten sich letztendlich die Bioland-Mitglieder auseinandersetzen und entscheiden, ob sie das im Verband wollten oder nicht, so Kötter-Jürß. Natürlich gebe es immer eine Kostendegression bei Größe, die andere unter Druck setze. Eigentlich sei es aus Sicht des Verbandes nur konsequent, wenn er den Schritt gehe, sagt Jan Hempler, angesichts der Nachfrage gerade der Großen des Handels. Es gebe schließlich auch einen Verdrängungswettbewerb in Richtung Größe im Verarbeitungsbereich. Gleichzeitig sehe man ja, wie die Entwicklung im Legehennenbereich gelaufen sei, mit der Größe und den agrarindustriellen Akteuren kamen die Skandale.

Mit Sicherheiten

Hugo Gödde, Vermarkter von Biofleisch in Nordrhein-Westfalen, sucht Bioschweine, auch in kleinen Mengen. Aber auch bei ihm stehen die bäuerlichen Betriebe nicht Schlange, um umzustellen. Eher stocken die vorhandenen auf, die noch vor zwei Jahren im Preistal eher weniger Tiere in den Stall gestellt hatten. Jetzt geht er davon aus, dass die Nachfrage so bleiben werde, alle großen Händler seien mittlerweile im Fleischmarkt unterwegs. "Das Gefühl, der Markt will das, ist jetzt auch beim Fleisch angekommen", sagt er. Schließlich entwickele sich ja auch ein Markt, weil man meine, etwas machen zu müssen. Gleichzeitig ist der Biofleischmarkt nach wie vor so klein, dass sich richtig was bewege, wenn ein Großer dazukomme. Deshalb hält er es für umso wichtiger, dass sich die Bauern selber organisieren und mitreden. Sich nicht abhängig zu machen von unübersichtlichen Konstrukten, sondern entlang der Wertschöpfungskette auf Augenhöhe miteinander zu reden, ist auch Teil des Erfolges, den seine Fleischvermarktung seit Jahren ausmacht. Biolandberater Kötter-Jürs bestätigt das, indem er sagt, wie wichtig ihm langfristige Sicherheiten durch Absprachen mit den Abnehmern seien. "Die Preisverantwortung muss dahin, wo sie hingehört, zum Handel." Er will Bauern und Bäuerinnen dazu ermutigen, dass sie jetzt vertraglich Pflöcke einschlagen, für den Fall, dass irgendwann auch mal wieder andere Zeiten kommen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 393 - November 2015, S. 16
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
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Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
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(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2015

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