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RECHT/354: Angeklagt wegen Widerstand (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 338 - November 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Angeklagt wegen Widerstand
Heiner Lohmann wehrte sich gegen die Blauzungenimpfung
und bekam eine Anzeige wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz

Von Christiane Hinck


Das Strafverfahren gegen das Landwirtsehepaar Lohmann aus Steinfurt in Nordrhein-Westfalen wurde am 6. Oktober durch das Amtsgericht Steinfurt eingestellt. Wegen einem angeblichen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz drohte ihnen ein Tierhaltungsverbot, bis zu drei Jahren Freiheits- oder eine Geldstrafe. Im Februar 2010 waren Claudia Lohmann und kurz darauf ihr Mann Heiner Lohmann angezeigt worden.

Grund der Anzeige war der Beinbruch eines Rinds, der sich anschließend entzündete. Im Rahmen einer auf dem Hof vorgenommenen unfreiwilligen Impfung gegen die Blauzungenkrankheit wurde die Verletzung von den Kreisveterinären festgestellt. Nach Abwägung durch Dr. Hiller erfolgte keine sofortige Euthanasie, damit die Kuh das Kalb austragen konnte. Die Schlachtung erfolgte einige Wochen nach der Geburt, Ende August 2008.


Blauzungenimpfung

Ende März erhielt Lohmann einen Anruf vom Kreisveterinär, er habe innerhalb der nächsten Wochen zu impfen - sonst drohe eine Zwangsimpfung. Eine Impfung kam für Lohmann nicht in Frage: Zum einen war die Krankheit bereits Ende 2007 in seinem Stall ausgebrochen. Bei einer Blutuntersuchung hatte sich gezeigt, dass 60 Prozent des Bestandes Antikörper gebildet hatten. Zum anderen lehnte er die Impfung wegen möglicher Impfschäden ab. Am 9. Juli 2009 erschienen mehrere Tierärzte mit Polizeigeleit unangekündigt auf dem Hof. Nachdem Lohmann auf informellem Weg einen Hinweis bekommen hatte, hatte er solidarische Bauern aus Bayern sowie ein Fernsehteam vom WDR eingeladen. An diesem Tag zogen die Veterinäre unvollendeter Dinge wieder ab. Auch das Ersuchen der Veterinäre wenige Tage später, lediglich die Tiere ohne Antikörper zu impfen, lehnte Lohmann ab. Daraufhin kam es, einige Tage später zur behördlichen Impfung.

Von Mai 2006 bis Dezember 2009 bestand in Deutschland eine allgemeine Impfpflicht gegen die Blauzungenkrankheit. Laut Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) ist die Zahl der Infektionen in Deutschland stark gefallen: Waren 2008 noch etwa 5.100 Rinder von der Viruskrankheit betroffen, so war bis Mai 2010 kein einziger Fall bestätigt. Ob dies ein Erfolg der Impfpflicht ist, bleibt offen. Im Dezember 2009 fiel die allgemeine Impfpflicht in Deutschland nach weitreichenden Protesten der Bauern.


Kritik an Impfung

Kritisiert wurde die verpflichtende Impfung, da sie als Eingriff in die Freiheit der Landwirte gesehen wurde und Impfschäden wie erhöhte Zellzahlen in der Milch, Klauenprobleme, Immunschwäche und Aborte beobachtet worden waren. Das Paul-Ehrlich Institut hatte in seiner Bewertung der gesammelten Schäden vor allem gestörte Trächtigkeit und Geburt sowie spontane Todesfälle festgestellt. Kritisiert wurde auch, dass die verwendeten Impfstoffe nur eine vorläufige Zulassung besaßen und nur ungenügend getestet waren. Bei der Umsetzung der Impfpflicht gingen die Kreisbehörden unterschiedlich streng vor: Während einige Landwirte mit Bußgeldbescheiden bis hin zu Kontensperren gezwungen werden sollten, gab es andere Regionen, in denen großzügig über die Impfpflicht hinweg gesehen wurde.

Heiner Lohmann ist sich sicher, dass die Anzeige, die erst sechs Monate nach der Schlachtung erfolgte, von den Kreisveterinären kam. "Das Veterinäramt will uns unglaubwürdig machen, weil ich mich mit Hilfe der Medien gegen den Blauzungen-Impfzwang gewehrt habe." Er berichtet von zahlreichen unangekündigten Kontrollen durch die Veterinäre. "Teilweise standen sie schon morgens früh vor dem Misten auf dem Hof." Es sei regelrecht nach einem Grund gesucht worden, ihn anzuzeigen. Die Kontrollen hätten die Familie unter einen erheblichen Druck gesetzt. Um diesen zu beenden, hat er der Einstellung des Verfahrens nach § 153 der Strafprozessordnung zugestimmt, so Lohmann. Dieser Paragraph besagt: Wenn ein Verstoß stattgefunden hat, so ist dieser nur geringfügig. Die Anwalts- und Impfkosten, die Familie Lohmann zu tragen hat, sind für Lohmann zweitrangig. Er hätte jedoch gern grundsätzlich klargestellt, dass er und seine Frau sich nichts haben zu Schulden kommen lassen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 338 - November 2010, S. 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2010