Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

VERBAND/1770: "Die Landwirtschaft braucht mehr und nicht weniger Europa" (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 13. Dezember 2011

"Die Landwirtschaft braucht mehr und nicht weniger Europa"

Sonnleitner plädiert für gemeinsame europäische Finanz- und Wirtschaftspolitik


"Die aktuelle Schuldenkrise einzelner EU-Länder bietet auch eine Chance, eine gemeinsame europäische Finanz- und Wirtschaftspolitik zu gestalten", erklärte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, in einer Rede an der Fachhochschule Osnabrück am 13.12.2011. Er lobte den Einsatz und die Beharrlichkeit von Bundeskanzlerin Merkel auf dem letzten EU-Gipfel, der ein weiterer wichtiger Meilenstein zur Bewältigung der Schulden- und Eurokrise war.

Europa habe sich immer auch aus einer politischen Drucksituation heraus fortentwickelt. Nach dem 2. Weltkrieg sei es eine Vision der damaligen politischen Eliten gewesen, ein friedliches und geeintes Europa zu schaffen. Bis zur jüngsten Osterweiterung habe sich diese "Friedensvision" als Treibstoff für die Entwicklung der EU erwiesen. Dabei sei sträflich versäumt worden, der Gemeinschaft eine tragfähige Form und verbindliche Regeln zu verpassen. Es bestand die irrige Annahme, so Sonnleitner, die EU sei wirtschaftlich ein Perpetuum Mobile. Der Mangel an einer gemeinsamen europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik räche sich heute bitter, sei schmerzhaft und vor allem teuer.

Die Landwirtschaft habe durch die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik wie kein anderer Wirtschaftszweig in den zurückliegenden Jahren erfahren können, wie wichtig es ist, sich europapolitisch nichts vorzumachen. Die Landwirtschaft sei längst europäisch "definiert". Die Landwirtschaft brauche mehr und nicht weniger Europa, betonte der Bauernpräsident. Es könne keinen funktionierenden gemeinsamen europäischen Binnenmarkt geben, wenn 27 Länder unterschiedliche nationale Wirtschaftspolitiken betreiben würden. Es könne auch keine stabile europäische Währung geben, wenn jedes EU-Land seine eigene nationale Finanzpolitik machen würde.

Sonnleitner zeigte sich vor den Studenten zuversichtlich, dass der Schock, den die EU aktuell durchmache, heilsam sei und eine gestärkte EU aus der Krise hervorgehe. Dies sei nicht zuletzt für die Perspektiven der Landwirtschaft von zentraler Bedeutung. Doch der Blick auf Europa reiche heute längst nicht mehr aus, um die Perspektiven für die Landwirtschaft vollständig aufzuzeigen. Weltweit sei man mit einer spannenden globalen Entwicklung konfrontiert. Der Stellenwert der Landwirtschaft in der Weltwirtschaft habe sich verändert und werde sich weiter wandeln. Die Weltbevölkerung wachse unaufhaltsam; 7 Mrd. Menschen müssten heute bereits ernährt werden. Mit dem Beitrag zur Energieversorgung bekomme die Landwirtschaft neue Aufgaben und Chancen. Der Klimawandel bedrohe teilweise ohnehin begrenzte natürliche Ressourcen und werde Produktionsprofile verschieben. Zudem gäbe es eine Trendumkehr auf den internationalen Agrarmärkten. Vier Jahrzehnte lang seien die Agrarpreise unter Druck gewesen, hätten sich in 30 Jahren real quasi halbiert. Jetzt stände die Landwirtschaft vor einer Zeit anhaltend steigender Preise. Die Botschaft des Berufsstandes in dieser Debatte über steigende Lebensmittelpreise und Hungerbekämpfung sei dabei eindeutig: Nur eine profitable Landwirtschaft in allen Teilen der Welt könne nachhaltig die Weltbevölkerung ernähren. Deshalb müsste es verstärkte Investitionen in Landwirtschaft und Agrarwissenschaft geben, worin der Bauernverband sich auch mit dem Entwicklungsminister einig wäre. Im internationalen Kontext sei so etwas wie "ein neuer Aufbruch und eine Renaissance für die Branche der Land- und Ernährungswirtschaft" zu spüren.

Diese Veränderungen müssten auch bei einer EU-Agrarreform für die Zeit von 2014 bis 2020 Berücksichtigung finden. Für diese Diskussion sei der Berufsstand auf Berliner und Brüsseler Ebene mit überzeugenden Argumenten im Detail sehr gut vorbereitet. In den kommenden eineinhalb Jahren seien angesichts der aktuellen Vorschläge der EU-Kommission erhebliche Kraftanstrengungen und Überzeugungsarbeit notwendig. Denn im Europäischen Parlament und im Agrarrat habe es viel Kritik an den Kommissionsvorschlägen gegeben, was sich mit den Kritikpunkten des Bauernverbandes decke. Der DBV setze insbesondere auf das Europäische Parlament, um in der Weiterentwicklung in der EU-Agrarpolitik ab 2014 zu guten Lösungen für eine starke und nachhaltige EU-Landwirtschaft zu kommen, betonte Sonnleitner.


*


Quelle:
Pressemitteilung vom 13. Dezember 2011
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
Claire-Waldoff-Straße 7
10117 Berlin
Tel.: 030 / 31 904 239
Mail: presse@bauernverband.net
Internet: www.bauernverband.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2011