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VERBAND/2142: Die Unabhängige Bauernstimme als Begleiterin des Ökolandbaus (UBS)


unabhängige bauernstimme, Nr. 397 - März 2016
Eine Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Der ökologische Weg?
Die Unabhängige Bauernstimme als Begleiterin des Ökolandbaus

Von Claudia Schievelbein


Neben seiner Vorzüglichkeit in Bezug auf Tierwohl und Umwelt war der ökologische Landbau gerade in seinen Anfangsjahren immer auch eine ökonomische Alternative gerade für bäuerliche Betriebe, die der konventionellen Tretmühle des Wachsen oder Weichens entkommen wollten. In einem Interview in der Unabhängigen Bauernstimme sagte Biolandbaupionier Siegfried Kuhlendahl 1982: "Wir müssen lernen aus der Vergangenheit, dass bei weiterem Wachstum, wie es uns gepriesen wird, die Verschuldung größer wird, die Abhängigkeit größer wird und dies Wachstum nur für wenige möglich ist. Im Lauf der Jahre konnten wir erkennen, dass bei der Praxis des biologischen Landbaus auch der kleinere und kleinste Betrieb zumindest gute Chancen hat, besser zu überleben und zwar dadurch, dass er bei sauberer Wirtschaft und beim ordentlichen Verhältnis vom Produzenten zum Verbraucher die Möglichkeit ausschöpfen kann, zum Endpreis zu vermarkten." Zwanzig Jahre danach konstatiert Hardy Vogtmann, einst der erste Professor in Deutschland auf einem Lehrstuhl für Ökolandbau: "Die Ökolebensmittelwirtschaft ist in der Globalisierung gefangen und steht unter dem ökonomischen Druck des 'freien Marktes', den das auf lineares Wachstum getrimmte Wirtschaftsmodell erzeugt." Der Biolandwirt sei unter dem gleichen Druck wie sein konventioneller Nachbar. Es rechne sich nicht, heiße es dann und es gebe keine Möglichkeit mehr, die ursprünglichen sozialen und ökologischen Ziele des Ökolandbaus noch zu verfolgen. Der Verbraucher wolle aber eigentlich das Gegenteil, so Vogtmann: "Er fordert, die Grenzen des Wachstums zu respektieren und die Produkte endlich die ökologische Wahrheit sprechen zu lassen." So stand es in der Bauernstimme.


Hühnerbarone

Immer wieder setzte sich die Zeitung mit den Entwicklungen im Biobereich auseinander, identifizierte die mit dem Einstieg konventioneller Player (wie die Hühnerbarone Tiemann und Franzsander) einhergehende Unübersichtlichkeit der Strukturen als wesentliche Voraussetzung für die entsprechend folgenden Skandale. "Kontrolle ist ein Stichwort, das in solchen Zusammenhängen schnell auftaucht, Bioland hat als Sofortmaßnahme allen Betrieben eine jährliche Kontrolle mehr verordnet. Aber selbst Kontrolleure räumen ein, dass, wer, betrügen will, dies auch kann. Und je unübersichtlicher die Betriebsstrukturen, umso einfacher sind Schummelgeschäfte. Die Biogeflügelbranche ist da Paradebeispiel, der Betrieb der Franzsanders war da nicht der unübersichtlichste am Markt. Es gibt wenige Große, die fast alle konventionelle Wurzeln haben und auch nach wie vor konventionelle Geschäfte machen - auf dem Papier fein säuberlich vom Biogeschäft getrennt." So stand es 2009 zum Ende des Roberts-Geflügelgeflechts in der Unabhängigen Bauernstimme. Im Jahr zuvor bereits wurde der große Trend umrissen, der bis heute Debatten bestimmt: "Bei den Discountern ist nahezu ausschließlich Ware mit EU-Zertifizierung zu bekommen. Diese ist aufgrund der geringeren Standards günstiger und auch in größeren Mengen zu beziehen, ohne auf die besonderen Handelsstrukturen der Biobranche angewiesen zu sein. Nicht selten aber war es in der Vergangenheit ein Überschuss an Verbandsware, der über die Discounter abfloss. Wie bei vielen anderen Produkten ist Individualität und Unterscheidbarkeit von den Discountern nicht gewünscht. Die Erzeuger werden damit unsichtbar und austauschbar. Ein Trend, der durch die an Bedeutung zunehmenden Bio-Eigenmarken verstärkt wird. Schon seit langem warnen die Kritiker deshalb vor der Konventionalisierung der Branche.

Die steigende Nachfrage hat aber noch andere Auswirkungen auf Produzenten und Vermarktungsstrukturen. Die Nachfrage ist inzwischen so groß, dass sie die Lieferkapazität der Großhändler und der Vermarktungsorganisationen der Verbände an ihre Grenzen führt bzw. übersteigt. Aber nur wer liefern kann, wird sich in Zukunft als potenter Marktpartner etablieren. Konkurrenz kommt derzeit vor allem aus dem Ausland. Eine Reaktion der Verbände ist es, ausländische Ware unter dem eigenen Verbandslogo zu zertifizieren. So bleibt man lieferfähig und verhindert, dass Importe von EU-Bio den Markt überrollen. Das rasante Wachstum sorgt für schnelle Veränderungen von Strukturen und Werten, ohne dass die Beteiligten auf den verschiedenen Ebenen immer damit einverstanden wären. (...) Neue Betriebe, so scheint es, können nur gewonnen werden, wenn man sich für neue Strukturen öffnet. Ob und wie weit deshalb von eigenen Werten und Vorstellungen Abstand genommen und die Richtlinien der jeweiligen Marktsituation angepasst werden dürfen, ist umstritten."

Im Jahr danach gibt Franz-Theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth-Stiftung München und Honorarprofessor für Agrar-, Ernährungs- und Umweltethik an der Humboldt-Universität in Berlin, der Bauernstimme ein Interview: "Einen Wandel oder gar Verlust kann man bei den eher abstrakten Werten wie Vertrauen oder Glaubwürdigkeit verzeichnen. Das rührt daher, dass alles, was mit einer Industrialisierung einhergeht, vom Verbraucher kritisch gesehen wird. Auch gibt es einen Werteverlust bei den Akteuren des ökologischen Landbaus im Hinblick auf Kooperation und Austausch. Sprich, es gibt mehr Wettbewerb untereinander, das gute Miteinander wird eher schwieriger, je stärker der Markt wächst. Die Pioniere des Ökolandbaus hatten diese höheren Ideale, für die neueren Akteure kann man sich fragen, ob sie noch das gleiche Verantwortungsbewusstsein tragen. Die soziale Frage spielt national eine nachgeordnete Rolle. Inzwischen kommen eine Menge Rohstoffe von Betrieben oberhalb einer bestimmten bäuerlichen Größe, hier gelten die Marktgesetze. Die Verbände können es sich nicht leisten, das zu thematisieren, sie haben alle Hände voll damit zu tun, sich im Wettbewerb zu profilieren. Das Bekenntnis zu bäuerlichen Betrieben ist nach wie vor da, aber die Vermarktungsinitiativen der Verbände stehen unter anderen Zwängen. Und deren Chefs sind so weit weg vom realen Druck in den landwirtschaftlichen Betrieben. Es fehlt die Vermittlung, die Übersetzung für die, die nur Vermarktung im Kopf haben und nicht die Scholle, nicht den Stall und nicht die nachfolgende Generation. 'Bäuerlich' ist ihnen als Wert häufig fremd und nicht mehr lebendig."


Kreisläufe

Die Kreise werden immer größer, die Fragen nicht minder, im letzten Jahr entstand folgender Text: "Der internationale Biohandel verspricht Gewinne und wuchs schnell. Schneller als die Kontrollorganisationen wirksame Strukturen aufbauen konnten. In regelmäßigen Abständen werden Betrügereien mit konventionellen Produkten, die als Bio deklariert werden, bekannt. (...) Auch wenn es gelingt, sichere Herkünfte und Warenströme zu etablieren, so bleibt ein Grundproblem bestehen: Das dem Ökolandbau zugrunde liegende Denken und Wirtschaften in Kreisläufen wird durch immer größere Transportwege und Transportmengen empfindlich gestört." Gestört wird auch die Preisbildung für heimische Ökoware, wenn aus billiger erzeugenden Ländern inzwischen auch importiert wird, was hier wachsen würde, wenn es denn angebaut würde, wenn es denn besser bezahlt würde. Ein Kreislauf, der nicht durchbrochen wird, solange Funktionäre und Vermarktungsspezies argumentieren, Verarbeiter hier bräuchten ausländische Ware, um den Produktionsprozess aufrechtzuerhalten und mit dem Argument auch Betriebe im Ausland zertifizieren. Ein Kreislauf, der nicht durchbrochen wird, solange Verarbeiter trotz heimischen Angebots billigere Ware von sonst wo kaufen, oder Ware kaufen, die - wie gerade erst wieder in Rumänien geschehen - offensichtlich dubios ist. Die gleichen Funktionäre, Vermarktungsspezies und Verarbeiter beklagen gleichzeitig, dass hier zu wenig Bauern und Bäuerinnen umstellen, ohne dazu zu sagen, dass ihr Anteil daran ist, Rohwarenpreise niedrig zu halten.

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Quelle:
unabhängige bauernstimme, Nr. 397 - März 2016, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2016

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