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ASYL/1234: Zur Asylstatistik 2017 (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 16. Januar 2018

PRO ASYL zur Asylstatistik 2017

Hohe Zahl von Asylentscheidungen ging weiter zu Lasten der Qualität


Bei aller Euphorie des Bundesinnenministers de Maizière und der Präsidentin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Cordt über eine große Zahl von Asylentscheidungen 2017 muss die Kehrseite deutlich benannt werden: Die Qualität der Arbeit des Bundesamtes hat sich kaum verbessert. Dies zeigt die hohe Zahl von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, die das Bundesamt korrigieren.

Frau Cordt hat in der heutigen Pressekonferenz versucht, diesen Eindruck zu verwischen und bezog sich zunächst auf Schutzquoten, die sonstige Verfahrenserledigungen beinhalten. Es macht aber keinen Sinn, Verfahren, in denen es nicht zu einer inhaltlichen Entscheidung über die Schutzbedürftigkeit gekommen ist, in die Statistik einfließen zu lassen. Ausschlaggebend sind die inhaltlichen Entscheidungen, die eine bereinigte Erfolgsquote von 44,2 Prozent ergeben. Für das Herkunftsland Afghanistan lag die Erfolgsquote sogar bei 61%. Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis vor dem Hintergrund der Tatsache, dass de Maizières Propaganda afghanischen Flüchtlingen seit Jahren abspricht, ernsthafte Asylgründe zu haben. Syrer bekommen in 69% der Klagen, die meist von subsidiärem auf den vollen Schutz abzielen, von den Verwaltungsgerichten Recht. (Das ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der LINKEN). Bis Ende September waren 365.062 Gerichtsverfahren im Asylbereich anhängig. Gegen 90 Prozent (Stand Oktober 2017) aller ablehnenden Bescheide des BAMF wurde geklagt.

Die im September 2017 angekündigte Qualitätsoffensive des BAMF hat bislang kaum Ergebnisse gezeigt. Zwar sind tausende von BAMF-Mitarbeitern, die zuvor bedenkenlos ins kalte Wasser des BAMF-Betriebs geworfen worden waren, fortgebildet worden, aber das von Frau Cordt verkündete und von PRO ASYL seit vielen Jahren geforderte Vier-Augen-Prinzip der Qualitätsprüfung im BAMF selbst verhindert nach wie vor nicht, dass ablehnende Entscheidungen ergehen, in denen die Mängel der Bescheide auf der Hand liegen. Die Beschleunigung der Asylverfahren geht zu Lasten der Sorgfalt und die Arbeit wird nach wie vor auf Verwaltungsgerichte verlagert. Würde sich das Bundesamt mit seinem Bekenntnis zur Qualität darauf konzentrieren, eigene Ablehnungsentscheidungen nochmals zu überprüfen, wäre dies eine Entlastung der Verwaltungsgerichte. Doch das hat das BAMF erklärtermaßen nicht vor.

Die in den Sondierungsgesprächen von Union und SPD verabredete Einrichtung der sogenannten »ANkER-Zentren« (Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentren) würde die Chancen von Asylsuchenden auf faire Asylverfahren voraussichtlich drastisch verschlechtern.

»Die Unterbringung in den sogenannten ANkER-Einrichtungen soll so abschreckend wie möglich gestaltet sein und die Menschen von Beratung und Zugang zu Rechtsbeiständen und einem effektiven Rechtsschutz abschneiden«, so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.

Eine Korrektur durch Verwaltungsgerichte wird in einer viel geringeren Zahl von Fällen stattfinden, weil Schutzsuchenden die Möglichkeit, vor Gericht gegen die BAMF-Entscheidung zu klagen, erschwert würde. Sie werden sowohl im Asylverfahren als auch bei drohender Abschiebung ohne Hilfestellung dastehen.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 16. Januar 2018
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2018

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