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ASYL/597: Skandalöse Sammelanhörung für chinesische Flüchtlinge in München (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 13. Juli 2009

Skandalöse Sammelanhörung für chinesische Flüchtlinge in München oder:
wie China mit taktischem Geschick deutsche Ausländerbehörden übernimmt


Während die Bilder der Folgen einer jahrzehntelang verfehlten chinesischen Minderheitenpolitik um die Welt gehen, stellen deutsche Ausländerbehörden chinesischen Flüchtlingen Vorladungen zu Sammelanhörungen zu. Eigens dafür eingeflogene Angestellte des chinesischen Ministeriums für Inneres und Sicherheit sollen dafür Sorge tragen, dass deren Staatsangehörigkeit zweifelsfrei fest- und chinesische Pässe für die Abschiebung ausgestellt werden. Eigens dafür wird offenbar deutsches Recht außer Kraft gesetzt.

Mindestens 20 chinesische Flüchtlinge aus Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und anderen Bundesländern fanden in ihren Briefkästen dieser Tage eine ungeheuerliche Vorladung: Zum Teil schon vor Jahren aus der Volksrepublik China geflohen sind sie aufgefordert, vor Vertretern des chinesischen Innenministeriums vorzusprechen. Ein an sich skandalöser Vorgang, stellt er doch die erzwungene Konfrontation mit offiziellen Vertretern des Staates dar, aus dem sie geflohen sind.

Übertroffen wird dieser Vorgang aber noch durch die nicht hinnehmbare Außerkraftsetzung deutschen Rechts für diesen Vorgang. Empörender Weise finden sich die Angestellten des chinesischen Innenministeriums für die Anhörung der Flüchtlinge nämlich ausgerechnet in dem Haus ein, in dem Asylsuchende auch mit ihren Asylanträgen vorstellig werden müssen. Die Zentrale Rückführungsstelle(!) (ZRS) Südbayern teilt sich hier die Räumlichkeiten mit der Außenstelle 2 des Bundesamts für Migration und Flucht (BAMF, zuständig für die Anhörung zu den Fluchtgründen), in der Boschetsrieder Str. 41 in München. Man stelle sich die Situation vor: Ein chinesischer Flüchtling trifft am Ort seiner Schutzsuche auf chinesische Innenministeriumsangestellte ? welch vertrauenerweckender Eindruck für neuankommende Schutzsuchende.

Zu schlechter Letzt stellen nun aber weder das BAMF noch die ZRS sicher, dass bei der Vorführung auch deutsches Recht zur Geltung kommt und damit z.B. eine anwaltliche Vertretung gewährleistet wird. In der Vergangenheit wurden immer wieder bei Anhörungen vor chinesischen Ministeriumsvertretern keine Anwälte zugelassen. Abgesehen davon, dass man für diesen Vorgang schon ein gerütteltes Maß an Vertrauen in die chinesische Rechtsstaatlichkeit haben muss, stellt sich die Frage, mit welchem Rechtsverständnis deutsche Angestellte des hiesigen Innenministeriums ihre Befugnisse und Aufsichtspflichten auf eigenem Boden an chinesische Kollegen abgeben.

Der Bayerische und der Münchner Flüchtlingsrat protestieren deshalb gemeinsam mit Pro Asyl aufs schärfste gegen diese rechtswidrige und Menschenrechte außer Acht lassende Verfahrenspraxis.


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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 13. Juli 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2009