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DEMOGRAPHIE/358: Wie viele werden wir in Zukunft sein? (idw)


Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung - 09.07.2019

Wie viele werden wir in Zukunft sein?


Zum diesjährigen Weltbevölkerungstag am 11. Juli dürften über 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Wie viele Menschen künftig noch hinzukommen, hängt zu großen Teilen von der demografischen Entwicklung in Subsahara-Afrika ab. Ein wesentlicher Faktor könnte dazu beitragen das Bevölkerungswachstum in der Region zu bremsen: Bildung.

Wer wissen möchte, wie sich die Weltbevölkerung künftig entwickeln dürfte, greift für gewöhnlich auf die Schätzungen der Vereinten Nationen zurück. Auf Basis seit 1950 gesammelter Daten treffen die UN-Statistiker für jedes Land Annahmen zur Entwicklung von Sterblichkeit, Geburtenziffern und Wanderungen und leiten daraus ab, wie sich die globale Bevölkerung bis ins Jahr 2100 entwickeln dürfte. In der mittleren Variante ihrer jüngsten Hochrechnung gehen sie davon aus, dass die Weltbevölkerung von heute 7,7 Milliarden auf 9,7 Milliarden im Jahr 2050 und bis 2100 auf 10,9 Milliarden Menschen anwachsen wird. Die UN-Experten nehmen dafür an, dass die Kinderzahl je Frau in den Entwicklungsländern stetig sinkt und die Lebenserwartung gleichzeitig steigt - so wie es zuvor in allen weiter entwickelten Staaten geschehen ist.

Wie viele Menschen künftig auf der Erde leben werden, hängt deshalb zu großen Teilen von der Entwicklung in Subsahara-Afrika ab, wo 33 der 47 am wenigsten entwickelten Länder liegen und wo die Geburtenziffern im weltweiten Vergleich noch am höchsten sind. Mit 4,7 Kindern bringen Frauen hier im Schnitt mehr als doppelt so viel Nachwuchs zur Welt wie in anderen Weltregionen. Die anhaltend hohen Kinderzahlen sorgen dafür, dass sich die Zahl der Menschen südlich der Sahara bis zur Mitte des Jahrhunderts von heute einer Milliarde auf zwei Milliarden verdoppeln dürfte. Damit würde die Hälfte des weltweiten Bevölkerungszuwachses in den kommenden 30 Jahren auf Subsahara-Afrika entfallen. Bis 2100 könnten laut den UN-Schätzungen sogar 3,8 Milliarden Menschen in der Region leben - fast vier Mal mehr als heute.

Einen etwas anderen Ausblick zur Bevölkerungsentwicklung in Subsahara-Afrika geben die Wissenschaftler vom Wittgenstein Centre in Wien. Im Gegensatz zu jenen der UN beziehen ihre Modelle zur Vorausberechnung der Bevölkerungszahl einen entscheidenden Einflussfaktor mit ein: die Bildung. Sie hat sich in der Vergangenheit als eine, wenn nicht sogar die zentrale Einflussgröße auf die Geburtenziffer und damit auf die Bevölkerungsdynamik erwiesen. Denn im Schnitt bekommen Frauen in armen Ländern deutlich weniger Kinder, je länger sie eine Schule besucht haben.

Da für nahezu alle Länder weltweit Daten darüber vorliegen, wie viele Kinder Frauen je nach Bildungsstand bekommen, können die Forscher modellhaft berechnen, wie sich die Geburtenziffern in Abhängigkeit künftiger Bildungsinvestitionen verändern werden und was das für die Bevölkerungsentwicklung bedeutet. In ihrem mittleren Szenario, dem Global-Education-Trend-Szenario, dürfte die Zahl der Menschen in Subsahara-Afrika bis 2050 auf rund 2 Milliarden und bis 2100 auf knapp 2,6 Milliarden anwachsen. Demnach könnte die Region bis zum Ende des Jahrhunderts also über eine Milliarde Menschen weniger zählen als nach den Hochrechnungen der UN.

Das Mehr an Menschen künftig zu versorgen wäre in diesem Zukunftsszenario deutlich einfacher. Damit es eintritt, müssen Fortschritte im Bildungsbereich künftig allerdings weiter so voranschreiten, wie sie in der Vergangenheit weltweit vonstattengingen. Gerade in Subsahara-Afrika wird das aber immer schwieriger, denn vielerorts wächst die Zahl der zu beschulenden Kinder schneller als die notwendige Bildungsinfrastruktur. Weitere Investitionen und Anstrengungen im Bildungsbereich sind deshalb unerlässlich, um die Geburtenziffern zu senken und das Bevölkerungswachstum zu bremsen. "Bildung ist ein zentraler Hebel, um einen sozioökonomischen Wandel einzuleiten und die Lebensperspektiven der Menschen zu verbessern. Erst wenn das passiert, entscheiden sie sich für weniger Nachwuchs", sagt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Die Studie "Afrikas demografische Vorreiter" zeigt, in welchen afrikanischen Ländern Maßnahmen im Bildungsbereich bereits Wirkung zeigen. Andere Staaten Afrikas können aus diesen Erfahrungen lernen. Deutschland sollte ihnen dabei finanziell und beratend zur Seite stehen und dem Thema Bildung besondere Aufmerksamkeit schenken. Die Studie steht Ihnen kostenlos als PDF zur Verfügung unter:
https://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/afrikas-demografische-vorreiter


Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist ein unabhängiger Thinktank, der sich mit Fragen regionaler und globaler demografischer Veränderungen beschäftigt. Das Institut wurde 2000 als gemeinnützige Stiftung gegründet und hat die Aufgabe, das Bewusstsein für den demografischen Wandel zu schärfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern, neue Ideen in die Politik einzubringen und Konzepte zur Lösung demografischer und entwicklungspolitischer Probleme zu erarbeiten. Das Berlin-Institut erstellt Studien, Diskussions- und Hintergrundpapiere, bereitet wissenschaftliche Informationen für den politischen Entscheidungsprozess auf.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 09.07.2019
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2019

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